Zweite Chance in sozialer Müslimanufaktur

Shownotes

Mit ihrer Müslirösterei HEYHO GmbH wollten die drei Gründer Timm Duffner, Christian Schmidt und Stefan Buchholz Perspektiven für Ex-Häftlinge, Drogensüchtige und psychisch Beeinträchtigte schaffen. Chancen für Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt oft benachteiligt werden. „Bei HEYHO stellen wir keine Menschen ein, um Hafer zu rösten, wir rösten Hafer, um Menschen einzustellen!“, so die Gründer. Diesen sozialen Ansatz lebt HEYHO von den fair gehandelten, ökologischen Zutaten über die Produktion in Handarbeit bis zur nachhaltigen Verpackung im Glas. Welchen Gegenwind aus der Industrie HEYHO zu spüren bekam und wo die Herausforderungen für Sozialunternehmen bei Finanzierung und im Team liegen, verrät Mitgründer Timm Duffner im Gespräch bei „Ungeschönt“.

Mehr Informationen zu Fördermöglichkeiten auf

kfw.de/gruenden

kfw.de/nachfolge

kfw.de/ungeschoent

kfw.de

HEYHO GmbH

Transkript anzeigen

KfW Podcast „Ungeschönt“

HEYHO GmbH

mit Timm Duffner

Transkript

Trotzdem hatten wir eigentlich keine Ahnung und sind hochgradig naiv an die Sache herangegangen. Das Feedback war: „Das könnt ihr total vergessen! Viel zu teuer! Das zahlt euch keiner!“ Im ersten Moment war das ein kurzer Schock, weil es sozusagen erst mal so komplett unsere Euphorie gebremst hat. Und als wir dann rausgegangen sind, haben wir gemerkt, das ist genial, weil alle Gründe, die uns da genannt wurden, hatten nichts mit dem Konsumenten eigentlich zu tun. Aber wir machen Produkte, die besser schmecken. Dann werden wir es auch verkauft kriegen. Rückblickend kann ich sagen: Zum Glück haben wir nicht gewusst, was da alles droht, weil ich nicht weiß, ob ich dann diese Entscheidung getroffen hätte.

Wir haben in der vergangenen Folge zwei Nachfolgerinnen in Unternehmen vorgestellt, die beide als Quereinsteigerinnen quasi keine Vorkenntnisse in ihren Branchen hatten. Den drei Gründern der sozialen Müslirösterei HEYHO GmbH in Lüneburg ging es ganz ähnlich. Erst als Trio ergänzten sich ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Ich spreche mit einem der Gründer von HEYHO, der uns „ungeschönt“ erläutert, warum Unternehmertum mit hohem sozial-ökologischen Anspruch auf eine Vielzahl von Hindernissen stößt, aber dennoch eine Zukunft hat. Herzlich willkommen, sagt Holger Thurm!

Ich begrüße Timm Duffner, einen der drei Gründer der HEYHO GmbH. Hallo Herr Duffner!

Hallo!

„Treffen sich drei Typen in einem Café und beschließen, gemeinsame Sache zu machen.“ So heißt es jedenfalls auf Ihrer Webseite zur Geschichte von HEYHO. Das war 2015. Die Idee, Müsli zu rösten, hatten aber zwei von Ihnen schon länger. Wie kam es denn zu HEYHO und warum mussten Sie dafür drei Gründer sein?

Ja, einer von den drei Typen, Christian Schmidt, und ich haben uns bei unserer gemeinsamen Arbeit für „Ben & Jerry’s“ kennengelernt und haben dort erlebt, wie man wertebasiert eine Firma aufbauen und leiten kann. Auf der Erfahrung aufbauend, wollten wir dann noch einen Schritt weitergehen und eine Firma gründen und aufbauen, die in ihrer Gesamtheit eine positive Wirkung auf die Gesellschaft und die Welt hat. Und als wir darüber nachgesinnt haben, da kam Stefan Buchholz, der Dritte, ins Spiel. Stefan hat 15 Jahre in Lüneburg die Wohnungslosen-Einrichtung, den Herbergsverein, geleitet und hat in seiner Arbeit dort erlebt, dass es für Menschen mit Suchterkrankungen, Depressionen, Gefängnis-Historien nahezu unmöglich ist, einen Job zu bekommen, und gleichzeitig ohne einen Job es aber nahezu unmöglich ist, aus den alten Mustern und Strukturen wieder herauszufinden. Und als wir zu dritt zusammensaßen, haben wir erst mal festgestellt, dass wir grundsätzlich alle an das Gute im Menschen glauben und fest der Meinung sind, dass jede Person eine zweite, dritte und vielleicht sogar eine vierte Chance verdient hat. Und wir haben einfach gesagt: Lasst uns doch eine Firma gründen, die Menschen eine Chance bietet! Und alles, was es dazu braucht, ist ein herausragendes Produkt. Und dann haben wir losgelegt.

Ehe wir weiterreden, schauen wir uns HEYHO und die herausragenden Produkte von HEYHO vielleicht erst einmal etwas genauer an. Was stellt HEYHO überhaupt her? Und wer macht das?

„Wir glauben an das Gute“, heißt es bei der HEYHO GmbH. Das gilt für die Produkte wie für die Menschen, die sie fertigen. Bei der sozialen Müslirösterei in Lüneburg stellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit teils bewegter Vergangenheit vegane Granolas, also Knuspermüslis, her. Und das in Handarbeit und Bioqualität – nachhaltig verpackt im Glas. Menschen, die in Haft saßen, Suchtkranke oder psychisch Beeinträchtigte, die auf dem ersten Arbeitsmarkt oft wenig Chancen haben, stellen ausgefallene Kombinationen zusammen: wie etwa Granola mit Schokobrezeln, mit karamellisierten Nüssen und Salz oder mit ganzen Himbeeren und Kokos-Chunks. Die HEYHO-Gründer Timm Duffner, Christian Schmidt und Stefan Buchholz wollten mit ihrer Firmengründung ein Zeichen setzen gegen Ausgrenzung und Vorurteile. Sie glauben an die positive Energie der zweiten Chance. Und erleben sie jeden Tag in ihrer Müslimanufaktur. Doch warum „HEYHO“? Wie kommt man auf so einen ausgefallenen Namen?

Ja, Herr Duffner, die Frage ist berechtigt. Woher stammt denn der Name HEYHO?

Ja, als wir angefangen haben, über die Idee nachzudenken, da hat Christian in den Präsentationen, die wir geschrieben haben, unten in den Abbinder immer „Heyho, let’s go!“ geschrieben – so der Refrain aus dem Lied „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones, einer der großen Punk-Hymnen. Und das sozusagen … die Energie hat uns in der ganzen Anfangsphase getragen. Und als es dann darum ging, wie wir heißen sollten, habe ich dann gesagt: „Komm, du hast den Namen doch schon eigentlich immer da unten stehen. Wir heißen HEYHO.“

Jetzt war also der Name und auch die Produktidee geboren. Sie hatten bei HEYHO von Anfang an diese gesellschaftliche Vorstellung von Unternehmertum – gewissermaßen eine Mission, Menschen mit bewegten Biografien eine Chance zu geben, die ihnen der erste Arbeitsmarkt meist verwehrt. Wo liegen denn da die Probleme? Inwiefern sind Sie da auch als Arbeitgeber dieser Menschen besonders gefordert? Und was haben Sie dazugelernt?

Ja, wir wollten nicht den vielleicht so offensichtlichen Weg gehen und sagen, wir machen was Typisches, was in einem Knast zum Beispiel hergestellt wird, irgendwie: Wir schweißen Grills zusammen. Weil wir glauben, dass sozusagen alle Menschen auch wirklich deutlich mehr können als so die Schubladen, in die sie gesteckt werden. Und ja, das Besondere war, dass ich schon vorher auch größere Teams geführt habe und mit der Erwartung in den Job gegangen bin, dass hier sozusagen die … ich sage jetzt mal, die alltäglichen Probleme, die man in Teams hat, nur etwas stärker sein werden. Und dass da eben aufgrund der Vergangenheiten der Menschen das noch stärker den Alltag bestimmen wird. Und viele der Vorurteile, die ich da hatte, sind eigentlich gar nicht eingetreten, weil ich mit so einer … oder weil wir gemeinsam mit dem starken Fokus auf die Menschen an die Arbeit gegangen sind. Und haben dann im Laufe der Zeit gemerkt, dass viele unserer Mitarbeiter in schwierigen Situationen häufig viel resilienter sind, weil sie viel mehr Lebenserfahrung haben. Das waren Dinge, da haben wir überhaupt nicht mit gerechnet. Tatsächlich dachten wir, es sei eher umgekehrt. Wir lernen immer noch jeden Tag dazu. Auch jetzt, wo wir deutlich größer werden, verändert sich die Dynamik wieder. Also, es ist eigentlich ein ständiges Lernen und auch ein ständiges Verändern.

Wie schafft man es, sich in die schwierige Situation zu versetzen, aus der diese Leute kommen? Kann man das überhaupt?

Das fällt natürlich jemandem, der lange Zeit auch Erfahrungen mit Menschen in dem Bereich hat, leichter. Da ist Stefan auf jeden Fall für uns derjenige, der im Team da vielleicht so einen anderen Zugang hat. Gleichzeitig haben wir festgestellt: Wenn Menschen empathisch sind, dann ist das eigentlich die wichtigste Grundlage für diese Zusammenarbeit. Das bedeutet nicht, dass man die Lebenshintergründe und die Umstände wirklich versteht. Und das ist tatsächlich etwas, wo man dann über die Zeit immer mehr auch erfährt über die Menschen.

Wie schwer ist es, diese Menschen als Mitarbeitende auch zu halten?

Ja, am Anfang hatte ich gedacht, dieser erste Moment, das Vertrauen zu geben, dass jemand wieder die Chance bekommt, nach zehn Jahren, nach 13 Jahren ohne Job wieder eine ganz normale Anstellung mit fairem Gehalt bekommt, dass das sozusagen das initiale Moment ist. Und da haben wir gelernt, dass das eigentlich nur sozusagen so ein kleiner Vorschuss ist. Aber viele Mitarbeiter kommen bei uns rein und fangen ab der ersten Sekunde an, Vollgas zu geben – und teilweise deutlich über das, was sie körperlich und geistig in dem Moment fähig sind zu leisten oder leisten sollten, weil es auch vielleicht mehr als normal wäre. Dadurch kommen sie dann zwangsläufig an einen Punkt, wo es zu viel wird. Und das heißt, im Grunde sozusagen gibt es dann nach irgendeiner Zeit so den ersten Einbruch. Und ich glaube, dass da das erste Mal eigentlich ein Moment liegt, der ganz zentral ist oder der sozusagen wirklich dann das Vertrauen bestätigt, weil in dem Moment dann da zu sein und zu sagen: „Wir wollen, dass du bei uns auch in fünf oder zehn Jahren noch arbeitest, auch wenn du jetzt gerade in alte Suchtmuster [verfällst] oder deine Depression sich irgendwie besonders zeigt und du vielleicht nicht die Person bist, die du eigentlich bei uns sonst sein kannst.“ Das ist so ein Moment, wo man das erste Mal so ein tieferes Vertrauen auch aufbauen kann. Dann haben wir die Erfahrung gemacht, dass die späteren Einbrüche seltener werden und vielleicht weniger und idealerweise irgendwann ganz verschwinden.

Am Anfang einer jeden Gründung steht ja meist die Finanzierungsfrage. Wie war das bei HEYHO? Wie sind Sie vorgegangen?

Wir hatten die Art, wie wir das Unternehmen aufbauen, so gestaltet und von Anfang an so geplant, dass wir in der gesamten Gründungsphase, auch in den ersten Jahren, dass wir einen höheren Kapitalbedarf haben als das, was wir erwirtschaften können. Und wir hatten die glückliche Situation, dass wir die ersten Jahre tatsächlich privat finanzieren konnten, aus dem Familienkreis und mit eigenen Mitteln, und dann erst der erste Test funktioniert hatte und wir gezeigt haben, dass das funktionieren kann, sowohl die Produkte am Markt als auch die soziale Grundidee, dass wir dann erst uns auf die Suche begeben mussten nach Investoren. Und wir haben Ende letzten Jahres ein Family Office als Investoren gewinnen können, die uns jetzt begleiten.

Hatten Sie Angst, dass Sie auch mal scheitern und das ganze private Geld verbrennen könnten?

Angst nein, aber die Befürchtung ja. Furcht und Angst sind sehr nah beieinander. Aber dass wir scheitern, das ist tatsächlich … schwingt immer mit. Wir hatten auch durchaus, bevor die Investoren mit reingekommen sind, eine längere Phase, wo wir mit sehr, sehr dünnem Kontostand gesegelt sind. Und das war insofern eine sehr herausfordernde Phase, weil wir uns geschworen haben, dass wir unsere Werte bei der Investorensuche in der Entscheidung, dass wir überhaupt Investoren reinnehmen, dass wir unsere Werte nicht verkaufen wollen.

Haben Sie auch einmal mit Banken gesprochen in dieser schwierigen Phase, wo sie sozusagen „auf Kante genäht“ finanziert waren, zum Beispiel über Gründungs- oder Förderkredite?

Ja, auf jeden Fall. Also, wir haben tatsächlich sehr, sehr breit Gespräche geführt, einfach um nicht irgendwann dazustehen und den Laden dichtmachen zu müssen und im Nachhinein zu hören: Okay, es hätte da noch Wege gegeben. Die Entscheidung, dass wir nicht über Banken finanzieren, hat verschiedene Gründe. Ein Grund war tatsächlich, dass die Prozesse bei uns zu viele Ressourcen geschluckt hätten. Also, das war sozusagen ein Weg, wo wir gesagt haben: Na ja, es gibt Gelder, die schneller verfügbar sind, die uns ermöglichen, den Fokus auf das operative Geschäft zu legen. Das heißt aber nicht, dass Banken, Förderung, Darlehen et cetera nicht auch für Gründer eine wichtige Rolle spielen können.

Sie haben dann eine eigene Produktionsstätte bezogen in Lüneburg – die Suche war glaube ich schwer genug – und auch entsprechende Kosten natürlich dadurch gehabt. Wie haben Sie das finanziert?

Die ersten Maschinen konnten wir eben noch aus dem eigenen Kapital oder den eigenen Geldern finanzieren und haben mit dem Bezug der Immobilie aber natürlich auch eine sehr hohe Fixkostenbasis geschaffen. Und zu dem Zeitpunkt, als dann unsere Investoren mit an Bord kamen, konnten wir im Grunde von einem kleinen Zehn-Mann-Betrieb, der einfach mal macht, uns weiterentwickeln hin zu einer professionellen Produktionsstruktur und haben dementsprechend auch dann erst den Maschinenpark aufrüsten können.

Wie gestaltete sich die Suche nach diesen Investoren denn? Was waren das für Investoren?

Ja, wir haben sehr viele Gespräche geführt, und wie angedeutet wollten wir unsere Werte nicht verkaufen. Und das heißt, wir haben Investoren gesucht, die ernsthaft bereit sind, den sozialen Impact gleichwertig mindestens zu betrachten. Auf der Suche sind uns im Grunde nur Investoren begegnet, die beteuert haben, dass ihnen Nachhaltigkeit und soziales Engagement extrem wichtig sind. Und es kam dann immer zu dem Punkt, dass wir gefragt haben: Ja, wie viel Wert geben sie dem Ganzen denn monetär? Wir sind von Anfang an da reingegangen und haben gesagt: Wir suchen einen Investor, der sozusagen dieser sozialen Idee einen Wert gibt. Und das bedeutet, dass sie eine höhere Bewertung tragen sollten. Und auf der ganzen Reise oder bei den ganzen Gesprächen mit Investoren gab es genau eine einzige Investorengruppe, die das als selbstverständlich erachtet hat. Und das sind die Personen, mit denen wir jetzt zusammenarbeiten.

Würden Ihnen auch noch eventuell Finanzierungsalternativen zur Verfügung stehen? Beziehungsweise welche Finanzierungsalternativen für Gründerinnen und Gründer halten Sie noch für geeignet?

Gerade im Bereich soziale Innovation ist es, glaube ich, noch ein viel zu dünnes Spektrum an Alternativen. Es gibt in Deutschland sicher einen sehr starken Fokus auf Technologie. Und in dem Bereich ist es sicherlich einfacher, und da gibt es ein breiteres Spektrum. Für uns sind tatsächlich Investorengelder sicher ein Weg. Es gibt viele, viele andere, die wir auch gehen könnten. Crowdfunding, Crowdinvestment ist was, was uns aufgrund des positiven Feedbacks auch der Menschen, das wir bekommen, sicherlich eine Alternative wäre, die für uns sinnvoll wäre. Wir scheuen im Moment tatsächlich den Ressourcenaufwand. Wir sind heute 27 Mitarbeiter*innen in verschiedenen Zeitmodellen, aber nur vier Leute im Bürobetrieb – also sehr, sehr dünn aufgestellt auf der Büroseite. Und deswegen haben wir so ein bisschen Angst vor zu aufwendigen Finanzierungswegen.

Als wir eingangs über die Geschichte von HEYHO sprachen, klang ja schon heraus, dass Christian Schmidt und Sie zumindest durch den vorherigen Arbeitgeber, eine Eiscrememarke, „Ben & Jerry’s“, erste Einblicke in die Lebensmittelindustrie hatten. Aber hat das Know-how denn auch gereicht, um eine eigene Lebensmittelproduktion aufzubauen? Wo lagen da die Schwierigkeiten?

Wir haben zwar beide für eine Eiscremefirma gearbeitet, und ich habe auch diverse Male Fabriken besucht und das Ganze vor Ort erlebt. Und trotzdem hatten wir eigentlich keine Ahnung und sind hochgradig naiv an die Sache herangegangen. Wir hatten HEYHO so strukturiert, dass wir relativ langsam wachsen können und damit dann auch in die Dinge reinwachsen konnten. Rückblickend kann ich sagen: Zum Glück haben wir nicht gewusst, was da alles droht, weil ich nicht weiß, ob ich dann diese Entscheidung getroffen hätte. Und so kämpft man sich sozusagen immer wieder von Herausforderung zu Herausforderung. Und was ich auf dem ganzen Weg gelernt habe, ist, dass die größten Herausforderungen eigentlich den Unterschied machen, die das Geschäftsmodell differenzieren später. Also, wenn man die großen Herausforderungen löst, dann sind die Lösungen meistens Dinge, die einen unterscheiden von dem gesamten Markt. Insofern hat das vielleicht auch so ein bisschen unsere Denke, unser Mindset verändert dahin, dass man zumindest es versucht immer wieder, die großen Herausforderungen als Geschenk zu sehen.

In der Regel sucht man sich ja dann auch recht früh Partner in der Industrie. Wie war da das Feedback auf Ihren Plan, möglichst vielfältige, bunte Müslisorten mit ja auch durchaus ausgefallenen Zutaten nachhaltig zu produzieren?

Ja, das war vielleicht sogar eine der allerersten großen Herausforderungen. Wir haben bei uns zu Hause in der Küche angefangen, Rezepturen zu mischen; und dann sind wir, voller Stolz sozusagen, sind wir zu befreundeten Unternehmer*innen gegangen, die teilweise sehr, sehr viel Erfahrung in der Müslibranche zum Beispiel haben. Und ich erinnere mich noch, als wir dort saßen bei befreundeten großen mittelständischen Unternehmen und diese Gläser auf den Tisch gestellt haben voller Begeisterung. Und das Feedback war: „Das könnt ihr total vergessen! Das könnt ihr aus zwei Gründen vergessen: Erstens sind die Rohstoffe, die ihr da reinschmeißen wollt, viel zu teuer. Das zahlt euch keiner. Und zweitens funktionieren von euren vier Rezepturen drei nicht auf den Maschinen, die man üblicherweise für Granola-Produktion benutzt. Das eine funktioniert nicht, weil die Brezeln, die ihr da reinschmeißen wollt, viel zu groß sind. Das kriegt kein Füller richtig abgefüllt.“ Das andere war: Da haben wir ganz viel Kurkuma drin. Da hieß es: Der Reinigungsaufwand von dem Kurkuma, wie wir das so machen wollen, sei viel zu hoch. Das kann nicht funktionieren! Ähnliches galt dann für die Riesen-Kokosstücke, die wir da reinschmeißen wollten. Im ersten Moment war das ein kurzer Schock, weil es sozusagen erst mal so komplett unsere Euphorie gebremst hat. Und als wir dann rausgegangen sind, haben wir gemerkt, das ist genial, weil alle Gründe, die uns da genannt wurden, hatten nichts mit dem Konsumenten eigentlich zu tun – außer vielleicht, dass es eben ein bisschen teurer wird. Aber wir machen Produkte, die besser schmecken. Dann werden wir es auch verkauft kriegen. Da war ich überzeugt, weil ich das eben auch im Eiscreme-Bereich schon mal kennengelernt habe. Und wir machen Produkte, die in der Industrie nicht hergestellt werden können. Und wir wollen ja sowieso handwerkliche Jobs schaffen. Und das war die erste große Differenzierung. Das war sozusagen der erste, ja, Gegenwind, den wir gespürt haben mit der großen „Das könnt ihr vergessen!“-Botschaft. Und was daraus geworden ist, war so ein gewisser Stolz, Produkte zu haben, die sich differenzieren.

Sie haben ja auch erzählt, Sie produzieren in Handarbeit, bezeichnen sich auch als „soziale Manufaktur“. Ist das von Anfang an wirtschaftlich darstellbar gewesen?

Nein, wir waren uns bewusst … oder die Art, wie wir das aufgebaut haben, hat für uns klargemacht, dass wir auf jeden Fall so etwas wie eine Vorfinanzierung über ein paar Jahre machen müssen. Das heißt, wir haben einfach sehr hohe Ineffizienzen gehabt. Wir werden so Stück für Stück ein bisschen effizienter. Und trotzdem suchen wir eine sehr vielschichtige Arbeit. Das heißt, wir haben ganz bewusst bei uns im Prozess Arbeitsschritte, die teilweise niedrigschwellig sind für Menschen, die sehr lange nicht mehr gearbeitet haben, die auch erst mal ankommen sollen mit einfachen Arbeiten, die auf gar keinen Fall überfordern, und behalten uns sozusagen so ein breites Spektrum ganz bewusst in der Produktion. Das heißt, es geht nicht immer um Effizienz, es geht zuallererst um die Menschen. Direkt danach geht es um eine sehr, sehr hohe handwerkliche Qualität. Und im dritten Zuge versuchen wir dann eben am Ende wirtschaftlich zu werden.

Bis hierhin, vielen Dank, Herr Duffner! An dieser Stelle haben wir eine Rubrik namens „Mantra Mantra“. Hier fragen wir unsere Gäste immer ihr Mantra, also ihre Leitsätze, ab, die sie durch den beruflichen Alltag führen.

Welches Mindset sollten Gründerinnen und Gründer von Unternehmen allgemein und von sozialen Unternehmen im Speziellen mitbringen?

Man sollte große Hürden und Herausforderungen als dankbare Geschenke annehmen.

Sind soziale Unternehmensausrichtung und Profitorientierung ein Gegensatz?

Ich muss gestehen, dass ich den Satz eigentlich fast nicht mehr hören kann, weil ich der Meinung bin, dass wir dringend davon als Gesellschaft wegkommen müssen. Wir müssen die Frage anders stellen.

Wie müssten wir sie denn stellen?

Wir müssen dahin kommen, dass die soziale und ökologische Verantwortung Grundvoraussetzungen sind. Und wir müssen die Frage deshalb stellen: Warum gibt es noch Unternehmen, die das nicht als Kern ihres Daseins haben?

Was ist das Erfolgsrezept für Unternehmen bei der Finanzierung?

Breit suchen und den eigenen Werten treu bleiben.

Worauf sollten Unternehmen mit sozialem Fokus achten, wenn sie Personal einstellen?

Auf Kompetenz. Meine Erfahrung ist, dass es im Grunde keine Menschen gibt, die nicht gerne sich sozial engagieren und einen positiven Beitrag für die Welt leisten. Deshalb sollte bei der Suche nach Personal der Fokus auf inhaltliche und fachliche Kompetenz liegen.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Menschenführung und Unternehmenserfolg?

Das ist ein interessantes Spannungsfeld, weil man gerade in der Gründungsphase vor den Tausenden Herausforderungen, die man jeden Tag zu meistern hat, ganz schnell die Menschenführung so ein bisschen vernachlässigt. Und das zahlt sich hintenraus nicht aus. Und deswegen ist meine Empfehlung, sich ganz bewusst die Zeit zu nehmen, Menschen und ihre Interessen, ihre Leidenschaften kennenzulernen und danach die Menschen zu führen.

Welchen Anspruch sollten Gründerinnen und Gründer stets an ihr Produkt oder ihre Dienstleistung stellen?

Sie sollten einen positiven Beitrag für die Welt liefern.

Herzlichen Dank, Herr Duffner! Vervollständigen Sie uns doch bitte noch ganz schnell und ohne nachzudenken die folgenden Sätze: Soziales, werteorientiertes Unternehmertum braucht vor allem …?

Spaß!

Ich wollte nie alleine gründen, weil …?

Ich Angst vor mir selbst hatte und ich rückblickend sehr froh bin, dass ich nicht alleine gegründet habe, weil drei Menschen bedeutet, dass fast immer einer Vollgas geben kann.

Mein ursprünglicher Berufswunsch war …?

Ich wollte mal Designer werden, obwohl ich eine Sache überhaupt nicht kann, und das ist Zeichnen.

Mein absolutes Lieblingsprodukt bei HEYHO ist …?

„Saltcity Original“ mit karamellisierten Nüssen und einer Prise Lüneburger Salz, das wir aus dem Salzmuseum in Lüneburg gesiedet bekommen.

Vielen Dank, Herr Duffner von der sozialen Müslirösterei HEYHO in Lüneburg, und natürlich ganz viel Erfolg für Sie und für Ihr ganzes Team!

Vielen, vielen Dank!

Auch das Unternehmen der kommenden Folge steht ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit und von Produkten, die sich von der Masse absetzen. fritz-kola ist die Alternative für alle, die es weniger süß und vielleicht auch etwas gesünder mögen. Und auch dieser Gründer sagt: „Sozial ist Muss!“ Dass er dabei nicht immer auf Gegenliebe stieß und warum seine Gründung anfangs finanziell „auf Kante genäht“ war, darüber sprechen wir in der kommenden Folge von „Ungeschönt“!

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.