Nachfolge-Special: Der Quereinstieg

Shownotes

Zwei Quereinsteigerinnen, die spontan und ungeplant in Unternehmen nachfolgen, deren Branche ihnen völlig fremd ist: Die zweifache Mutter Janine Kordes erbt nach dem frühen Tod des Vaters unerwartet den Familienbetrieb in Kiel, der industrielle Reinigungsmittel herstellt. Sie entschließt sich, die Firma SCHULZ Industriereiniger – PRODUKTION & HANDEL weiterzuführen und mit der Kieler Seifen GmbH eine weitere Firma zu gründen. Auch Birgit Hövener in Münster ist Mutter von zwei Kindern und übernimmt mit Jalall D’or einen Online-Shop für Nüsse und Trockenfrüchte – ohne Vorkenntnisse im Online-Vertrieb. Für beide Unternehmerinnen wird die Nachfolge zu einer verantwortungsvollen Aufgabe, an der sie persönlich wachsen, die sie aber familiär und finanziell vor große Herausforderungen stellt. Wie die beiden Frauen Ihre Unternehmen durch teils widrige Fahrwasser steuern, berichten sie in dieser Folge von „Ungeschönt“.

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Jalall D'or GmbH Online Shop

SCHULZ Industriereiniger – PRODUKTION & HANDEL

Kieler Seifen GmbH

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KfW Podcast „Ungeschönt“

Jalall D’or GmbH und SCHULZ Industriereiniger – PRODUKTION & HANDEL / Kieler Seifen GmbH

mit Birgit Hövener und Janine Kordes

Transkript

Ich bin teilweise erpresst worden. Ich bin bedroht worden von Mitbewerbern. Also, ich bin teilweise Rotz und Wasser heulend aus Gesprächen rausgegangen, wenn ich im Auto saß. Jeder muss sich beweisen auf der Position, auf der er ist. Ich glaube, das kannst du auch einfach nicht erwarten, dass man irgendwo reinkommt und sagt: „Hallo, da bin ich, und ich habe das hier alles geerbt. Und nun seid mal alle nett zu mir. Ich bin hier die neue Chefin!“ Die hatten ja gar keinen Grund, mir zu vertrauen.

Das ist auch sicher ein Learning für mich, auch die Grenzen zu ziehen: „Jetzt hast du dich so entschieden, mich zu unterstützen. Dann vertraue mir auch, dass ich es gut mache.“ Das hat auch was natürlich mit Abgrenzung zu tun: „Ich gehe meinen Weg. Lass mir die Zeit!“

In unserem Unternehmensnachfolge-Special von „Ungeschönt“ stellen wir dieses Mal zwei Unternehmerinnen vor, die aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus die Nachfolge in ihren Unternehmen angetreten haben. Wir beleuchten aus zwei verschiedenen Perspektiven, wie es ist, als externe Quereinsteigerin ein Unternehmen zu übernehmen beziehungsweise als Tochter die interne Nachfolge im Familienbetrieb anzutreten. Und dabei tauchen an vielen verschiedenen Punkten Schwierigkeiten auf, die wir ganz „ungeschönt“ zur Sprache bringen. Herzlich willkommen, sagt Holger Thurm!

Ich begrüße ganz herzlich Frau Hövener von Jalall D’or und Frau Kordes von SCHULZ Industriereiniger! Hallo!

Moin!

Guten Morgen!

Ja, Frau Hövener, Sie betreiben mit der Jalall D’or GmbH einen Online-Shop für Nüsse und Trockenfrüchte. Und Frau Kordes, Sie haben die Firma SCHULZ Industriereiniger – PRODUKTION & HANDEL von Ihrem Vater nach dessen Tod übernommen und außerdem noch die Tochterfirma Kieler Seifen GmbH gegründet. Bitte schildern Sie doch ganz kurz, wann und warum Sie plötzlich Unternehmerinnen in für Sie ganz fremden Branchen und Märkten wurden.

Bei mir war es so, dass mein Vater im Oktober, Ende Oktober 2014, relativ überraschend verstorben ist und ich somit über Nacht Unternehmerin wurde und auch sofort entschlossen habe, das Unternehmen weiterzuführen. Ich war zwar bis dahin nicht im Unternehmen tätig beziehungsweise nur nebenbei in der Buchhaltung. Ich habe mich dann aber der Herausforderung gestellt.

Wie war das bei Ihnen, Frau Hövener?

Ja, also bei mir war das so, dass ich im März 2019 mit einigen Damen aus einem Unternehmernetzwerk zusammensaß, und eine berichtete, sie würde gerne ihren Online-Shop für Trockenfrüchte und Nüsse veräußern. Und weil ich schon Unternehmerin war und mir eine neue Aufgabe vorstellen konnte, ist mir dann eingefallen, dass ich das eventuell sogar selber tun könnte. Und ja, so sind wir dann ins Gespräch gekommen, und im November 2019 bin ich dann wirklich die Unternehmensnachfolge angegangen.

Ja, wir beleuchten die besondere Situation Ihrer Unternehmensnachfolge gleich noch etwas näher. Zunächst aber wollen wir Jalall D’or und SCHULZ Industriereiniger beziehungsweise Kieler Seifen ganz kurz vorstellen.

Trockenobst, Kerne und Nüsse in Bioqualität, schonend verarbeitet und zu kreativen Mischungen zusammengestellt – das bietet die Jalall D’or GmbH aus Münster. Birgit Hövener hat den Online-Shop 2019 in einer spontanen Entscheidung übernommen und umgestaltet. Der technisch notwendige Shop-Relaunch war für die Münsteranerin eine harte Nuss. Denn vom Online-Geschäft hatte sie bis dato kaum Ahnung. Jalall D’or betreibt die Mutter zweier Kinder als Familienbetrieb mit einer engagierten Truppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Janine Kordes erbte 2014 unerwartet früh den väterlichen Betrieb in Kiel-Wittland, der Industriereiniger für Küchenhygiene und Objektreinigung herstellt. Ihr Lebenstraum war das nicht. Aber für die Wahlberlinerin und zweifache Mutter stand außer Frage, dass sie das Lebenswerk ihres Vaters fortführen würde – heute unter dem Namen SCHULZ Industriereiniger – PRODUKTION & HANDEL. 2017 ist sie deshalb in ihre Heimatstadt Kiel zurückgezogen. Um sich breiter und unabhängig von industriellen Kunden aufzustellen, gründete Janine Kordes außerdem die Kieler Seifen GmbH mit Spezial-Reinigern für jeden Reinigungsbedarf in privaten Haushalten – vom Handdesinfektionsgel über Schmuckschaum bis zu „Oma’s Grüner Seife“.

Ja, Frau Kordes, Sie haben das ja gerade eindrücklich geschildert: Als Ihr Vater starb, da war die Übernahme des Familienunternehmens für Sie quasi ohne Alternative. Auf welche Hindernisse sind Sie gestoßen?

Das größte Hindernis für mich war, dass mein Vater ein Einzelunternehmen hinterlassen hat. Was bedeutet, dass ich zunächst eine Gewerbeanmeldung machen musste. Und dann jeder einzelne Vertrag, der jemals für das vorherige Unternehmen geschlossen wurde, noch mal neu auf meinen Namen abgestimmt werden musste. Das ging über Mietverträge, Arbeitsverträge, Leasingverträge und viele weitere Verträge noch. Bankkonten mussten neu eingerichtet werden. Alle Kunden mussten nicht nur über die Nachfolge, sondern auch über neue Vertragsmodalitäten in dem Fall informiert werden. Das Zweite war, dass natürlich die Mitarbeiter mich als „Kleine“ kannten und ich mich dort erst mal etablieren musste.

Also, das ist ja eine Situation, in der man auch in gewisser Weise funktionieren muss und viele rechtliche und administrative Dinge zu erledigen hat. Wie war das denn menschlich für Sie in der Situation?

Sehr schwierig. Wir wussten, wie gesagt, nicht, dass mein Vater so schnell versterben würde. Man hatte auf der einen Seite wirklich große Trauer. Ich bin Mutter von zwei Kindern. Meine Tochter war zu dem Zeitpunkt zwei Jahre alt. Die Kinder hatten ihren Großvater verloren, ich meinen Vater, meine Mutter ihren Mann. Mein Vater war Anfang sechzig. Das war wirklich ein Jahr lang ganz harter Kampf, viel Organisation, viel Zusammenreißen, damit nicht auch noch die Mitarbeiter ihren Job verlieren.

Frau Hövener, mit Nüssen und Trockenfrüchten hatten Sie bis dahin ja höchstens mal als Konsumentin Kontakt. Wo lagen denn bei Ihnen die Schwierigkeiten bei der Übernahme von Jalall D’or?

Ja, Sie haben vollkommen recht. Ich war Fan von Jalall D’or, weil ich immer schon Kundin auf dem Wochenmarkt war. Aber die Herausforderungen lagen da ganz klar in dem Online-Geschäft, denn das kannte ich in dem Maße natürlich nicht. All die Voraussetzungen, die man dafür braucht, waren mir nicht bekannt. Und zudem waren natürlich auch Produktkenntnisse schon vorhanden, aber natürlich auch nicht in der Tiefe und in der Vielfalt, wie ich sie mir jetzt erworben habe in der Zwischenzeit.

Frau Kordes, Sie haben zwar Betriebswirtschaftslehre studiert, hatten aber weder als Unternehmerin noch in dem Bereich Chemie gearbeitet. Wie sind Sie denn vorgegangen, als Sie quasi auf dem Stuhl Ihres Vaters saßen? Wie konnten Sie sich einarbeiten? Sie sagten ja schon, Sie hätten ab und zu ein bisschen mit in dem Unternehmen in der Buchhaltung geholfen.

Schwierige Frage, ja. Ich hatte Betriebswirtschaft studiert, von daher war mir Unternehmensführung in der Theorie schon klar. Tatsächlich muss ich heute zugeben, dass das erste Jahr wirklich teilweise ein „schwarzes Loch“ ist für mich. Und es ist schwer, sich an so Details zu erinnern. Ich weiß, dass ich mich am Anfang ganz unwohl gefühlt habe auf dem Stuhl meines Vaters. Ich habe dann erst mal das Büro umgebaut und einen neuen Schreibtisch eingebaut und mir einen neuen Stuhl besorgt, um mich so ein bisschen emotional von dieser Situation zu lösen. Und dann habe ich einfach nur gearbeitet. Ich kann mich an gar nicht viele andere Sachen erinnern. Immer wenn ich im Büro war, habe ich gearbeitet. Zu Hause habe ich gearbeitet. Ich habe mich mit den Produkten auseinandergesetzt. Ich habe mich mit den Mitarbeitern auseinandergesetzt, und irgendwann war plötzlich ein Jahr vorbei.

Sie hatten ja auch mit Geschäftspartnern Ihres Vaters zu tun. Wie war da die Situation?

Die war sehr unterschiedlich. Da habe ich sehr harte Erfahrungen gemacht. Ich bin teilweise erpresst worden. Ich bin bedroht worden von Mitbewerbern. Nicht jedes Gespräch ist einfach gelaufen. Ich bin teilweise Rotz und Wasser heulend aus Gesprächen rausgegangen. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt: Je mehr ich bei mir bleibe, desto besser laufen solche Gespräche. Und vor allen Dingen habe ich auch gelernt, in Gesprächen zu sagen: „Ich brauche jetzt eine Pause, und wir müssen einen neuen Termin machen. Ich möchte jetzt nicht weiterreden.“

Sie hatten vorhin ja auch gesagt, Sie seien bei der Mitarbeiterschaft eher so als „die Kleine“ bekannt gewesen, die Tochter des verstorbenen Chefs. Wie konnten Sie die Akzeptanz als neue Chefin schließlich erreichen beziehungsweise sich auch bei diesen Geschäftspartnern den Respekt verschaffen?

Also der Respekt kam nach und nach. Ich glaube aber, das hat so etwa anderthalb Jahre gedauert. Und ich muss sagen, eigentlich war die Gründung von Kieler Seifen dafür der Auslöser, dass ich die Anerkennung erfuhr. Es war dann nicht mehr nur das Fortführen des Ursprungsbetriebs, sondern ich habe selber etwas geschaffen, was dann relativ schnell durch gute Maßnahmen, die ich ergriffen habe, zum Erfolg führte. Und genau so, wie ich es wollte. Die Ideen, die ich zu den Produkten hatte, die fanden auch nicht von Anfang an den Anklang bei den Mitarbeitern. Aber der Erfolg hat gezeigt, dass mein Riecher gut war, und es wurden Produkte verkauft. Und damit haben die Mitarbeiter das Zutrauen bekommen, okay, die kann vielleicht doch was. Und die Zeit ging ins Land, und alle hatten immer noch ihre Arbeitsplätze.

Das heißt also, es hat nicht gereicht, dass Sie die Nachfolge eines Unternehmens antraten. Sie mussten sozusagen der Belegschaft durch die Neugründung eines Tochterunternehmens erst beweisen, dass Sie Unternehmerinnen-Gene haben?

Jeder muss sich beweisen auf der Position, auf der er ist. Ich glaube, das kannst du auch einfach nicht erwarten, dass man irgendwo reinkommt und sagt: „Hallo, da bin ich, und ich habe das hier alles geerbt. Und nun seid mal alle nett zu mir. Ich bin hier die neue Chefin!“ Die hatten ja gar keinen Grund, mir zu vertrauen. Und ich würde jemandem, der mein Unternehmen kaufen würde oder mein neuer Chef werden würde, auch nicht einfach blind vertrauen, wenn der von irgendwo anders herkommt.

Frau Hövener, Sie hatten ja erwähnt, dass Jalall D’or ursprünglich ein Marktstand war, aber eben auch schon über einen Online-Vertrieb verfügte. Sie konnten den bestehenden Online-Shop Ihrer Vorgänger aber nicht übernehmen. Woran lag das?

Also, es war schon möglich, den Shop zu übernehmen. Aber es war von vornherein klar, dass die Technik, auf der dieser Shop basierte, nicht zukunftsfähig sein würde. Somit musste ich mich sehr kurzfristig mit einem neuen Shop-System auseinandersetzen, und das war herausfordernd, weil ich auch nicht so technikinteressiert bin und mich dann vielmehr mit dem Vertrieb, mit dem Produkt, mit dem Design beschäftigen wollte, aber natürlich das die Basis für alles war. Und somit bin ich dann zur Shop-Mitentwicklerin geworden in 2020.

Und Ihr Online-Vertrieb läuft?

Ja, es ist schon so, dass wir im September 2020 dann das neue System übernommen haben. Und dadurch, dass es ein System war, das ganz neu auf dem Markt war, hatte es sehr viele Kinderkrankheiten. Und wir sind dann erst einmal im Ranking sehr stark gefallen. Also der September war schon noch mal so ein sehr schwarzer Monat, um dann hoffentlich das Ganze wieder aufzubauen. Ich kann schon sagen, es läuft jetzt definitiv viel besser. Wir haben 2021 sehr viele Vertriebsaktivitäten aufgenommen, und wir sind auf dem Weg, so würde ich das vielleicht mal sagen. Aber da ist noch Luft nach oben.

Sie haben ja beide – und das ist oft ein Knackpunkt, wenn Unternehmen gegründet oder übernommen werden – keinen Bedarf an Fremdkapital gehabt. SCHULZ Industriereiniger war und ist ein solides Unternehmen, und auch die Gründung Ihres Tochterunternehmens Kieler Seifen, Frau Kordes, ließ sich ja mit Eigenmitteln bestreiten. Aber wie war das bei Jalall D’or, Frau Hövener?

Ja, wir haben halt so die Finanzierung aus dem Familienkreis bewerkstelligt, was ja wiederum neue Probleme erst hervorgerufen hat. Im Familienverbund zu finanzieren hat natürlich einmal den Vorteil, dass man unabhängig ist von Fremdkapitalgebern. Aber es hat natürlich den enormen emotionalen Druck, auch erfolgreich zu sein oder eben die Entscheidungen so zu treffen, wie die Finanzgeber es auch getan hätten. Und da gibt es ja auch innerfamiliär unterschiedliche Schwerpunkte, Sichtweisen, Vertriebsstrategien. Und da gab es dann schon auch Auseinandersetzungen, die mich sehr belastet haben emotional.

Also kann man sagen: Dadurch, dass die Gelder aus dem Familienumfeld kommen, regieren Familienmitglieder in die Unternehmensführung mit hinein?

Ja, so kann man es sagen. Also das ist auch sicher ein Learning für mich, auch die Grenzen zu ziehen: „Jetzt hast du dich so entschieden, mich zu unterstützen. Dann vertraue mir auch, dass ich es gut mache, und schaue nicht auf jede kleine Aktion und gib mir das Vertrauen!“ Und ich kann mir auch selber vertrauen, das jetzt auf die richtige Bahn zu bringen. Das ist sicher auch … hat auch was natürlich mit Abgrenzung zu tun, was ich auch jetzt mehr gelernt habe, auch mit Klarheit zu sagen: „Ich gehe meinen Weg. Jetzt hast du die Entscheidung getroffen, lass mir die Zeit!“

Das ist aber wirklich ein schwieriges Learning. Also ich glaube, die Kurve zu kriegen, ist nicht einfach.

Ja, das stimmt. Aber auch da: Klarheit ist eine Devise, die ich mir sehr auf die Fahne geschrieben habe, sowohl im Privatleben als auch geschäftlich. Und meine Erfahrung ist einfach auch: Je klarer ich selber bin und das auch, ich sage mal, immer respektvoll und nett dem Gegenüber deutlich mache, umso einfacher ist es auch für denjenigen, denn dann weiß er, woran er ist, und kann sich auch darauf einstellen.

Würden Sie denn Jalall D’or heute noch mal auf die gleiche Weise finanzieren, wenn Sie noch einmal am Anfang stünden und diese Entscheidung träfen?

Nein! Das, glaube ich, würde nicht noch mal so machen, ich würde zumindest einige Teile Fremdkapital reinholen und mich dann ein bisschen unabhängiger davon machen. Und dafür gibt es ja auch tolle Fördermöglichkeiten. Ja, auch die KfW bietet ja so Möglichkeiten für uns Gründer an – habe ich mich einfach viel zu wenig mit auseinandergesetzt.

Frau Kordes, bislang kam Ihr Unternehmen oder kamen Ihre beiden Unternehmen mit Eigenmitteln aus. Haben Sie sich denn jemals Gedanken darüber gemacht, eventuell in irgendeiner Art und Weise Fremdkapital aufzunehmen?

Also, bis jetzt sind wir ohne großartige Fremdmittel ausgekommen. Nichtsdestotrotz bin ich im regelmäßigen Austausch mit der Investitionsbank Schleswig-Holstein und auch mit meinen Hausbanken, weil so ein Betrieb erfordert ja auch nicht nur, dass man wächst, sondern auch, dass die Bestände instand gehalten werden. Und ich weiß, dass mein Betriebsgebäude, das irgendwie aus den Achtzigern ist, irgendwann mal saniert werden muss und da Umwelt- und Energiespartechniken eingebaut werden sollten. Und da ist es natürlich für mich das Einfachste, auf mögliche staatliche Förderung wie die KfW-Bank zurückzugreifen.

Ja, es klang eingangs ja schon an, für Sie beide war diese Unternehmensnachfolge auch mit Spannungen im familiären Umfeld verbunden. Sie sind beide Mütter mit minderjährigen Kindern. Da ist die Leitung eines Unternehmens allein ja schon zeitlich eine Herausforderung. Wie haben Sie beide das jeweils erlebt?

Als Mutter von Kindern ein Unternehmen zu übernehmen ist schon eine Frage auch des Alters. Also, ich habe meine erste Gründung vollzogen, da waren die Kinder ja noch im Babyalteroder noch gar nicht geboren. Jetzt waren sie ja schon etwas älter, und das hatte dann für mich den Vorteil, dass ich mit ihnen auch darüber sprechen konnte. Auch heute ist es noch so, dass wir immer mehr im Austausch sind, denn Trockenfrüchte-und-Nüsse-Vertrieb auch in Hofläden ist für die Kinder ja sehr greifbar. Und da waren sie dann in Corona auch teilweise bei Terminen dabei. Es ist halt so, und Familienunternehmen empfinde ich aber auch als authentisch und sympathisch, dass man die Kinder jetzt nicht verstecken muss oder sich irgendwelche Ausreden einfallen lassen muss. Gerade eben habe ich noch einem Geschäftskontakt gesagt, dass ich am Mittwoch unser Kind einschulen werde und dass ich deshalb keine Zeit habe.

Also, ich muss rückblickend sagen, die Unternehmensnachfolge anzutreten als Mutter ist einfacher, als als Mutter zu gründen. Wenn man Gründerin ist, dann ist man irgendwie doch unter Dauerstrom. Da ist eine Unternehmensübernahme deutlich einfacher, also, aus meiner Sicht rückblickend, weil es gibt feste Strukturen, die sind schon da, und es ist einem selber überlassen, ob und inwieweit man diese Strukturen ändern möchte. Oder man kann zumindest sein eigenes Tempo vorgeben, inwieweit man dort eingreift oder nicht. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich als Mutter ein System schafft, bei dem man sich aus dem Unternehmen rausziehen kann, um sich um die Kinder zu kümmern, insofern man alleine dafür verantwortlich ist. So wie ich in meinem Fall zum Beispiel … ich habe, glaube ich, mehr Personal, als ich es eigentlich haben müsste, wäre ich Vollzeit in der Firma. Das ist für mich mein Schlüssel. Meine Kinder sind inzwischen 9 und 13 Jahre alt. Die verstehen auch, dass ich arbeiten muss. Und die verstehen auch, wenn nachmittags das Telefon klingelt und ich Geschäftstelefonate führe.

Ich finde, dass eben auch die Kinder dadurch, dass wir Mütter jetzt oder ich dann als Mutter berufstätig bin und auch selbstständig bin, eine ganz eigene Selbstständigkeit entwickeln – entwickeln müssen manchmal auch. Aber für mich ist es sehr positiv, dass ich sie nicht dauerbeglucken kann. Dadurch können sie jetzt schon Dinge, die andere in dem Alter selten machen: Wäsche zusammenlegen, kochen. Und wenn wir in der Familie über zukünftige Berufsbilder sprechen, sind auch sehr häufig Selbstständigkeiten dabei, ohne dass wir das gezielt ansprechen. Und das freut mich auch.

So ist das bei uns auch. Also meine Kinder haben, wenn sie über Berufswünsche sprechen, überwiegend selbstständige Berufe im Kopf. Plus, mein Sohn, der jetzt im November 14 wird, überlegt jetzt schon, womit er Geld verdienen kann. Und er kocht sehr gerne. Wir haben zusammen einen Instagram-Kochblog. Und er hat letztens überlegt, ob er nicht selber Schokolade machen kann und gesagt: „Mama, du hast doch die Kontakte zu dem und dem, vielleicht können wir das ja dann dort verkaufen?“ Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, mit Kindern ein Unternehmen zu gründen. Aber auch das zeigt, glaube ich, dass für unsere Kinder das total normal ist, dass man selbstständig sein Geld verdient. Sie haben, glaube ich, ein bisschen eine andere Lebenseinstellung. Und sie sind auch sehr, sehr umsichtig. Also auch, was mich angeht. Nun leben wir halt auch zu dritt. Bei uns ist es normal, dass mein Sohn vor mir zu Hause ist und dann schon mal eine Suppe kocht.

Nun haben Sie aber auch die Perspektive von Nachfolgerin und Gründerin, weil Sie sagten, es sei einfacher, nachzufolgen in so einer Situation mit Familie und Kindern. Aber Sie haben ja auch noch gegründet. Und hat das jetzt irgendwelche Auswirkungen auf Ihren familiären Zusammenhalt gehabt?

Ich glaube auch, dass meine Kinder sich mehr mit der Gründung identifizieren können als mit dem Ursprungsunternehmen. Grundsätzlich ist es bei mir so, dass meine Ehe über mein Unternehmertum zerbrochen ist. Ich glaube, da hätte die Nachfolge schon gereicht. Da musste ich nicht auch noch neu gründen, um da einen Scherbenhaufen zu hinterlassen. Also, ich glaube, der Punkt war, dass ich mich als Unternehmerin sehr stark verändert habe. Ich bin persönlich gewachsen. Ich bin von der Mutter, die zwar immer eine gute Ausbildung hatte, plötzlich zu einer Entscheiderin geworden, zu einer Frau, die Gabelstapler kauft, zu jemandem, der sich anderen Menschen in Führungsetagen gegenüber durchsetzen muss, der Mitarbeiter führt. Ich glaube, dass das eine Familiensituation sehr, sehr stark belasten kann. Und wenn dann die Ehe nicht total stabil ist und alle mit sich fein und im Reinen sind, dann ist so eine Transformation, wie ich sie durchlaufen habe, wirklich schwer zu tragen für jede Ehe.

Sie haben also sozusagen gemerkt, wie Sie sich als Unternehmerinnen-Persönlichkeit verändert haben. Sie sind ja auch alleinige Inhaberin von SCHULZ Industriereiniger und Kieler Seifen. Wie einsam ist es da, Entscheidungen von mitunter sehr großer Tragweite immer allein treffen zu müssen? Wer oder was hat sich da gerade in der Anfangsphase als hilfreich erwiesen?

Also, das ist natürlich unglaublich schwierig, Entscheidungen alleine zu treffen. Wenn Maschinen angeschafft werden müssen, klar, sagt mein Betriebsleiter: „Du, wir brauchen eine Maschine!“ Wir reden dann aber auch irgendwie über Werte von, keine Ahnung, 150.000 Euro. Ich hatte das Glück, dass ich von Anfang an einen Mentor hatte, und habe dann aber relativ schnell mit dem Aufbau eines eigenen Netzwerkes begonnen, weil man sich ja … also erst mal möchte man seine Freundschaften nicht mit solchen Themen belasten. Zweitens ist nicht jeder in der Lage aus den Freundschaften, diese Entscheidung zu sehen und zu verstehen. Und so habe ich mir jetzt über die letzten drei Jahre ein Netzwerk aus anderen Unternehmern und Unternehmerinnen geschaffen, die meine Probleme verstehen, wo man auf Augenhöhe sich unterhalten kann und einen Ratschlag bekommt, der auch so valide ist, dass ich mich darauf verlassen kann, um dann meine eigenen Schlüsse zu ziehen.

Sie sagten, Sie hatten einen Mentor. Wer war das?

Das war der Nachfolger eines großen Unternehmens hier in Kiel, der meinen ersten Beitrag in der aktuellen Tageszeitung gelesen hat und gesagt hat: „Das finde ich ja toll!“ Mit dem bin ich dann erst fürchterlich aneinandergeraten. Und ich glaube aber, ich hatte von Anfang an seinen Respekt, weil ich mich der Situation gestellt habe und er aber sehr gute Kontakte hier in Schleswig-Holstein hat. Und der hat mich nachher an die Hand genommen und ist mit mir überall hingegangen und hat gesagt: „Hier, das ist die Frau Kordes! Und es wäre schön, wenn ihr mit ihr zusammenarbeitet.“ Und so bin ich da langsam reingewachsen.

Frau Hövener, Sie hatten ja auch nicht die Absicht, Jalall D’or allein zu übernehmen. Sie wollten das mit einer sehr guten Freundin tun. Das ist aber gescheitert. Woran ist es denn gescheitert? Und wie hat Sie diese Situation danach gefordert? Also geschäftlich wie menschlich?

Ja, genau. Ich wollte mit meiner Schulfreundin zusammen, ja, so die Fäden in der Hand halten. Und dann war es halt so, dass wir in Münster sitzen und meine Freundin der Liebe wegen nach Würzburg gegangen ist und sie dann irgendwann merkte, auch als Mutter von zwei Kindern: „Ich brauche Kollegen um mich herum, damit ich auch mal rauskomme, damit ich auch anderen Input habe. Ich kann nicht nur zu Hause in meinem Homeoffice arbeiten.“ Das war alles noch vor Corona. Danach hat sich ja vieles auch verändert, und sie brauchte so die Dynamik. Und das konnte ich nachvollziehen. Das war trotz allem unglaublich schwer für mich. Auch für unsere Freundschaft. Auch darüber haben wir sehr klar gesprochen. Und trotzdem, in meinem Herzen hat es einfach sehr wehgetan. Und heute ist es so, dass sie nach wie vor als Minijobberin bei uns ist und so auch noch ein Stück weit den Kontakt beruflich zu mir hält. Privat, klar, sind wir weiterhin auch gut befreundet, und das hat mir sehr viel bedeutet. Und trotzdem war ich dann mehr allein. Allein sein heißt natürlich dann weniger Korrektiv, aber auch weniger Abstimmung. In dem Fall habe ich dann ganz klar meinen Pfad verfolgt, und das hatte auch Vorteile in der Geschwindigkeit. Ich brauchte mich ja nicht abzustimmen, und somit habe ich erst mal mein Ding gemacht. Da ging es insbesondere auch um Design und um Verpackung und auch um den Shop. Es war dann so, ich habe die Situation angenommen und habe aber daraufhin auch verändert, dass wir Vertriebssitzungen haben mit dem kompletten Team, dass wir uns gegenseitig abstimmen. Das ist übrigens einer der wichtigsten Punkte, empfinde ich, die Kommunikation, auch die interne Kommunikation.

Wenn Sie zurückschauen, gab es in den letzten Jahren irgendwann mal Punkte, an denen Sie beide so weit waren zu sagen „Also jetzt gebe ich auf, ich schaffe das nicht!“?

Ja, ehrlicherweise sogar am Beginn dieses Jahres, weil ich da noch mal einmal die komplette Finanzierung mir vor Augen geführt hatte. Ich war durchaus manches Mal sehr im operativen Geschäft und weniger eben strategisch unterwegs. Und da hatte ich schon Sorge: Wie könnte ich je das Geld wieder zurückführen? Und auch da war dann wieder dieser familiäre Aspekt. Es gab sogar ein Gespräch mit dem Steuerberater; und das war für mich total wertvoll, weil ich erfuhr, was passiert, wenn ich jetzt aufgebe. UEr hat mir die Möglichkeiten aufgezeigt, und es war irgendwie entlastend zu wissen, wie viel ich verlieren würde, was passieren würde. Und dann hat er irgendwann in dem Gespräch gesagt: „Ja aber Frau Hövener, Sie könnten doch jetzt auch mal die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass es richtig gut läuft.“ Er kennt mich ja schon länger. Dann habe ich gesagt: „Ja, ich weiß, die Möglichkeit gibt es!“ Und eigentlich gibt es auch nur die. Aber es ist trotzdem gut, manchmal sich, glaube ich, den Worst Case vor Augen zu führen.

Man muss halt auch kämpfen! Also für mich kommt aufgeben nicht infrage. Und ich glaube, ich habe auch noch nie wirklich den Punkt gehabt, wo ich gesagt habe: „Jetzt schmeiße ich hin, ich mache jetzt nicht mehr weiter!“ Sehr wohl habe ich öfter Situationen, wo es mir wirklich schlecht geht und ich tagelang schlecht schlafe und mir Gedanken mache über das Was, Wann, Wo oder Wie. Auch Corona war natürlich jetzt eine Zeit, wo bei mir im Betrieb nichts los war. Aber bei mir ist es tatsächlich so: Je enger es wird, desto schneller fange ich an zu laufen. Und je schneller ich laufe, passiert plötzlich irgendetwas. Und dann kommt doch wieder eine Hoffnung um die Ecke. Aufgeben würde ich nicht! Wenn irgendwann etwas passieren sollte, dann fahre ich das Unternehmen mit 100 km/h an die Wand. Nein, also vorher würde ich noch tausend andere Sachen machen, bevor ich irgendwie den Stift hinschmeißen würde.

Ja gut, das wünschen wir Ihnen natürlich nicht! Sie hatten vorhin Netzwerke erwähnt, Netzwerke, die Sie aufgebaut haben. Sie sind beide heute sehr aktiv in solchen Netzwerken. Frau Hövener, Sie sind im Frauennetzwerk Münster. Sie waren da sogar zeitweise im Vorstand. Warum und wie hat Ihnen das geholfen?

Ja, das ist genau das, was Frau Kordes eben angesprochen hat: Es ist die Vernetzung mit Gleichgesinnten und Gespräche auf Augenhöhe. Da braucht man nicht viel zu erklären, sofort weiß der oder die Gesprächspartnerin, worum es geht, insbesondere wenn man ein Geschäft führt und auch noch gleichzeitig Familie hat. Aber es gibt auch Themen wie Personalsuche oder Qualifikation von Bewerbern. Das betrifft ja andere dann ähnlich. Oder Unternehmensnachfolge aus der anderen Sicht. Also, da gibt es ja auch schon Damen, die dann die 6 da vorne stehen haben, wie die das denn jetzt sehen? Und das ist dann ja so ein Zwanzig-Jahres-Unterschied. Wie sehen die das? Also, das immer aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, ist für mich unglaublich hilfreich. Und ich kann auch sagen, dass natürlich durch das Netzwerk sehr viele Kontakte entstehen. Ich persönlich bin auch jemand, der gerne Menschen zusammenbringt, wenn ich denke: „Ah, die beiden müssten sich mal kennenlernen!“ Und genauso passiert das manchmal auch, dass Menschen auf mich zukommen. Und dann passieren neue Dinge, genau wie Frau Kordes gesagt hat. Dann geht es irgendwie weiter, und manchmal kommen auch richtig spannende Sachen, Kooperationen, die dann entstehen, von denen man eigentlich denken würde: Wie passt das zueinander?

Frau Kordes, Sie hatten ja nicht unbedingt damit gerechnet, ein Netzwerk zu brauchen, weil Sie ganz unerwartet in die Nachfolge-Situation gekommen sind. Sie wollten das dann aber dringend ändern.

Ja, also, ich bin tatsächlich irgendwann mal zum Handball hier in Kiel eingeladen gewesen, habe dort einen Kunden von mir kennengelernt, den ich noch nicht kannte. Und der war dann natürlich auch genauso überrascht wie ich, dass er mein Kunde ist. Und wir kannten uns nicht. Und dann sagte er: „Du kennst aber hier auch echt keinen, oder?“ Da habe ich gesagt: „Nein, ich bin ja gerade aus Berlin zurück nach Kiel gekommen. Ich war zwanzig Jahre nicht in Kiel. Ich muss jetzt erst mal anfangen, Leute kennenzulernen.“ So, und der hat dann gesagt: „Pass auf, wenn du dir hier in Kiel ein Netzwerk aufbauen möchtest, dann musst du Sponsor bei Holstein Kiel werden.“ Dann bin ich also als Frau Sponsor beim Fußballverein geworden. So habe ich die ersten Leute kennengelernt. Dann bin ich irgendwann auf die IHK gestoßen. Die sind bei mir zur Tür hereingekommen auf ihrer Sommerreise. Das macht der IHK-Geschäftsführer hier, er besucht Betriebe und sagt: „Mensch, und das ist ja toll, dass Sie jetzt auch hier sind!“ Und dann stand ich auf der Liste von der IHK, die mich dann auch immer wieder zu Veranstaltungen eingeladen hat. Mir war dann aber ziemlich schnell klar, dass es nichts bringt, auf diese Veranstaltungen zu gehen und meinen Betriebsleiter dabei zu haben, sondern dass es alles Termine sind, dieman allein wahrnehmen muss. Und so bin ich die letzten zwei Jahre auf sämtliche Einladungen gegangen, die ich kriegen konnte und die mit dem Unternehmertum hier in der Region zu tun haben und habe dort Menschen kennengelernt und Visitenkarten gesammelt, sozusagen, und auch ausgeteilt. Das war sehr schwierig. Jeder weiß, wie unwohl man sich fühlt, wenn man in einen Raum voller Menschen geht, die man nicht kennt. Und alle unterhalten sich, und man steht in der Ecke und zuppelt mit seinen Fingern an seinem Jäckchen herum. Ich habe mir dann überlegt, dass es am besten funktioniert, wenn ich mich ein bisschen abhebe. Ich bin dann immer in orangenen Oberteilen hingegangen, und irgendwann haben die Leute mich wiedererkannt und haben dann gesagt: „Oh guck mal, da kommt ja die Frau Kordes!“ Und so ging das dann nachher relativ schnell. Und wenn man dann ein gutes Gesprächsthema hat, lernt man natürlich auch schnell Menschen kennen.

Frau Hövener, Sie hatten ja schon ein bisschen die Vorteile von Netzwerken erwähnt. Gibt es Vorteile, speziell was Frauennetzwerke betrifft? Können Frauen untereinander sich besser helfen als in allgemeinen Netzwerken?

Ja, das ist immer wieder eine Frage, die bei uns auch diskutiert wird. Inwieweit braucht es eigene Frauennetzwerke? Ist das denn nicht antiquiert in der heutigen Zeit? Also ich glaube, generell funktioniert es nur, wenn wir mit Männern und Frauen zusammenarbeiten. Allerdings, das Frauennetzwerk macht trotzdem Sinn, weil Frauen untereinander sich anders öffnen können. Das habe ich erlebt, und das versuche ich auch immer weiterzugeben in Frauennetzwerken, dieses Sich-gegenseitig-Sstützenund-Helfen. Und da habe ich in dem Frauennetzwerk eben sehr viel Positives erlebt. Und dann auch eine Öffnung in Bezug auf Probleme, Herausforderungen. Wir sind sofort immer eher beim tiefen Punkt unter den Frauen. Das ist für mich dann unglaublich bereichernd. Und so komme ich dann auch viel einfacher an den Kern des Menschen oder vielleicht auch des Themas, was uns gerade bewegt. Und dadurch sind auch schon wirklich viele größere Kooperationen oder eben auch Hilfestellungen oder Verbindungen entstanden. Nur redenden Menschen kann geholfen werden, sagt meine Schwiegermutter immer. Und das ist wirklich ein Motto, das ich mir auf die Fahne geschrieben habe.

Aber mit Männern kann man auch gut reden. Also ich zumindest.

Ja, auf jeden Fall!

Bei mir ist es zum Beispiel so: Ich bin in keinem einzigen reinen Frauennetzwerk, weil ich das genauso antiquiert finde wie reine Männernetzwerke. Ich glaube ja immer, Männer und Frauen befruchten sich wunderbar gegenseitig. Und ich finde auch, dass es im Geschäft so ist. Und ich kitzele das dann aus den Männern heraus. Also ich bin halt auch frisch und offen und frei und finde es immer sehr interessant, die männliche Denkweise zu sehen zu bestimmten Themen, und picke mir dann für mich das Beste heraus. Die weibliche habe ich ja selber an Bord. Das heißt, ich habe natürlich auch Freundinnen, die Unternehmerinnen sind, und mit denen tausche ich mich dann vielleicht auch tiefergehend aus. Aber ich habe persönlich gar nicht die Intention, mich tiefer mit jedem anderen Menschen in einem Raum auszutauschen, sondern möchte ja eigentlich wachsen durch Netzwerken.

Frau Kordes, Sie sind heute Mentorin an der Universität Flensburg. Sie sind beide Vorbild-Unternehmerinnen der Initiative „Frauen unternehmen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Und da wird jungen Frauen quasi das Berufsbild selbstständige Unternehmerinnen nahegebracht. Warum ist Ihnen diese Rolle als Mentorinnen so wichtig?

Ich glaube, dass man durch das authentische Vorleben, wie Unternehmertum funktionieren kann, andere Frauen, insbesondere jetzt auch die, die bei der Initiative auch noch vorhaben zu gründen, motivieren kann. Es kann funktionieren, wobei es nicht immer nur Sonntag ist, sondern auch anstrengend. Und man hat auch wirklich Zeiten, in denen es Regentage gibt. Es ist einfach so. Aber am Ende bin ich selbstbestimmt und kann mein Ding machen. Und das ist für mich persönlich ein riesiger Freiraum, der mich da jetzt so hält. Und diese Idee weiterzugeben, dass es auch für Frauen, die vielleicht nicht aus einem Unternehmerhaushalt kommen, die Möglichkeit gibt, so selbstbestimmt zu sein. Und das möchte ich sehr gerne weitergeben.

Für mich ist es so: Zum einen wurde mir auch geholfen, und es ist mir ein innerer Antrieb, das weiterzugeben, was ich bekommen habe. Also ich finde, das lebt halt auch von sich. Es gibt Menschen, die einem selber helfen. Und ich finde es für mein Karma wichtig, dass ich auch weiterhelfe. Das ist das eine. Und zum anderen ist es bei mir so: Ich treffe oft auf junge Mädchen, also zum Beispiel, wenn wir so einen „Girls' Day“ hier veranstalten, wo die Eltern auch einen Landschaftsbaubetrieb haben oder Gärtnereien. Und die Mädchen sagen: „Ja, aber ich bin doch ein Mädchen, und kann ich das denn als Frau?“ Also, das ist für mich ein innerer Antrieb, den Mädchen zu sagen: „Mädels, passt mal auf! Also, ich mach Kloreiniger. Und ja, erstens, es war auch nicht mein Lebenstraum, Kloreiniger zu produzieren. Und zweitens führst du aber dann etwas fort, was deine Familie aufgebaut hat. Es ist ein Teil deiner DNA. Und natürlich kannst du das, wenn du es denn auch möchtest. Aber man muss es wollen.“ Und es ist mir dann auch so wichtig, den Mädels zu zeigen, dass es nicht nur weibliche Berufe im Unternehmertum gibt, sondern dass man auch wirklich glücklich werden kann, wenn man andere Wege beschreitet, und dass man sich auch trauen soll. Wenn man sich als Frau als Kfz-Mechanikerin selbstständig machen möchte, dann muss man das tun. Und dann sollte man das tun. Und dann ist man auch gut darin.

Sie treffen ja nun auch durch Ihre Mentorinnen-Tätigkeit auf junge Unternehmerinnen. Stoßen Sie da schon auf die Mentalität, die es braucht, um unternehmerisch erfolgreich zu sein?

Ja, ich treffe öfter auf junge Damen, die so, ich sag mal, eine Generation jünger sind als ich jetzt. Die wollen Unternehmer sein, weil es sich inzwischen durchgesetzt hat, dass Unternehmer sein doch irgendwie cool ist. Also, das war ja vor fünf Jahren, sage ich mal, immer noch eine Hürde! Im „Tatort“ ist der Mörder immer der Unternehmer. Das hat sich mittlerweile mit dieser Start-up-Kultur in Deutschland so ein bisschen geändert. Also Unternehmer sein ist cool. Aber was ich so wahrnehme, dass oft die Anspruchshaltung der jungen Unternehmerinnen eine andere ist, als es meine vielleicht noch war. Also ich finde, ich muss etwas leisten, um anerkannt zu werden. Und heute, in dieser ganzen Debatte über den „weißen alten Mann“, der in der Bank sitzt und die Kredite vergibt, ermöglicht es vielen, sich darauf zurückzuziehen und zu sagen: „Ja, aber jetzt habe ich den Kredit nicht bekommen, weil ich eine junge Dame bin.“ Und das ist dann schon so ein Punkt, wo ich einhake, wo ich mich auch tatsächlich oft unbeliebt mache und sage: „Ja, Mädchen, aber dann überlege doch mal, wie bist du dann zur Bank gegangen? Hast du dich denn da tough hingestellt und dein System vorgestellt? Oder hast du deine blonden Locken gedreht?“ Das ist der Punkt, wo dann doch die eine oder andere mal so ein bisschen in sich geht und sagt: „Ja, also vielleicht bin ich nicht tough genug gewesen.“ Und dann muss man halt auch einfach mal offen aussprechen: Nicht jeder junge Mann, der Unternehmer sein möchte, bekommt bei der Bank einen Kredit. Also ich finde, es ist immer wichtig, dort auch so ein bisschen Realität herzustellen und zu sagen: „Leiste erst mal was, dann wird auch mit dir gespielt!“

Frau Hövener, Frau Kordes, vielen Dank erst mal an dieser Stelle. Wir haben bei „Ungeschönt“ auch eine Rubrik, die nennt sich „Mantra Mantra“. Hier wollen wir kurz und knackig zusammenfassen, was Sie sozusagen als innerer Business-Kompass leitet.

Was macht eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge aus?

Das Gute, was da ist, zu bewahren und wirklich einfach auch Mut mitbringen, vieles neu zu machen, zu „meinem“ zu machen, das Unternehmen, ja, auf mich zuzuschneiden. Und keine Sorge haben zu scheitern – und authentisch bleiben.

Für mich ist es Mut, Flexibilität und um die Ecke denken können.

Was war denn Ihr größter Fehler bei der Nachfolge in Ihren Unternehmen? Was würden Sie heute anders machen?

Also, mein größter Fehler war sicher die Entscheidung, den Nuss-und-Trockenfrucht-Online-Shop zu übernehmen, ausschließlich emotional getroffen zu haben. Und diese Begeisterung hat wirklich viel überlappt, sodass ich mich dann an vielen Stellen nicht mehr genug mit den Herausforderungen auseinandergesetzt habe. Heute würde ich mir mehr Zeit nehmen.

Bei der Nachfolge warte ich noch auf meinen größten Fehler. Ich hoffe, der bleibt aber aus. An die Gründung bin ich tatsächlich etwas blauäugig rangegangen. Als ich mit Haushaltsreinigern gegründet habe, habe ich gedacht, die Welt wartet auf die „Grüne Seife“. Das war ein herber Rückschlag, als ich dann gemerkt habe, dass sie mir nicht aus den Händen gerissen wird. Aber ich habe daran gearbeitet. Und heute läuft es sehr gut.

Was oder wer hat Ihnen in schweren Unternehmenszeiten am besten geholfen?

Also, mir hat geholfen, dass ich die Begeisterung, die ich ja eben als möglichen Nachteil angeführt habe, jetzt zu einem Vorteil nutzen konnte. Denn die konnte ich an das Team, das sich dann mehr bei uns einstellte, weitergeben. Und hier schlummert wirklich richtig viel Expertise und auch Möglichkeit. Im regelmäßigen Austausch mit den Teammitgliedern kommen nämlich wirklich viele coole Ideen und natürlich auch Kritik, sodass wir uns dadurch immer wieder gegenseitig stützen. Trotz allem: In der Familie oder in Partnern starken Halt zu haben ist auch für mich jetzt persönlich sehr wichtig.

Bei mir war es auch das Team, das wusste, was es zu tun hatte, wenn ich es nicht wusste, auf das man sich dann verlassen konnte, weil die Leute ja alle schon sehr viel länger im Unternehmen waren als ich. Dann, einen guten Mentor und ein gutes Netzwerk zu haben, auf das ich mich verlassen kann.

Ihre besten drei Tipps speziell für Frauen, die gründen oder nachfolgen wollen?

Perfektion ablegen, Gelassenheit zulassen, Hilfe einkaufen bei Themen, die man nicht beherrscht, und interne Kommunikation auf Prio eins setzen.

Das waren, glaube ich, vier, aber das lassen wir gelten. Bei Frau Kordes?

Bei mir ist es auch: Es muss nicht immer perfekt sein. Durchhalten ist die Devise. Und „Machen!“ mit Ausrufezeichen.

Ganz herzlichen Dank, Frau Hövener und Frau Kordes! Am Ende unseres Podcasts angekommen, bitten wir unsere Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner immer noch darum, Sätze zu vervollständigen – natürlich kurz und knapp. Meine größte Kompetenz als Unternehmerin ist …

… gut zuhören zu können.

… immer wieder neue Ideen einzubringen.

Mein größtes Defizit als Unternehmerin ist oder war …

… meine Harmoniebedürftigkeit.

Oh, das ist aber eine gemeine Frage! Mein größtes Defizit ist … ich würde sagen, habe ich nicht. Aber das stimmt natürlich nicht. Ich glaube, mein größtes Defizit ist, dass ich manchmal einfach Sachen durchdrücken will.

Unternehmerinnen und Unternehmer sollten vor einer Gründung oder Nachfolge als Allererstes …

… sich einen Unterstützer oder eine Unterstützerin suchen.

… sich Gedanken um die Finanzierung machen.

Familie und Unternehmensführung passen perfekt zusammen, wenn …

Wenn auf allen Seiten Bereitschaft besteht, aufeinander zuzugehen und Verständnis füreinander aufzubringen.

Wenn man loslassen kann im Betrieb und zu Hause.

Eine völlig fremde Branche, die mich sehr interessiert, ist …

… Psychologie.

… Schmuck.

Frau Hövener, was aus Ihrem Sortiment sollte Frau Kordes unbedingt mal ausprobieren?

Dringend die Zimtmandeln!

Frau Kordes, welches Ihrer Produkte würden Sie Frau Hövener empfehlen?

Meine „Grüne Seife“!

Ich schicke Sie Ihnen, die Zimtmandeln!

Mach ich bei Ihnen auch. Habe ich mir heute Morgen schon überlegt. Sie kriegen ein Care-Paket von mir!

Ja, das find ich cool!

Ganz herzlichen Dank und viel Erfolg für Sie beide, Frau Hövener und Frau Kordes, und natürlich für Ihre Firmen Jalall D’or und SCHULZ Industriereiniger und Kieler Seifen. Vielen vielen Dank!

Vielen Dank, dass ich da sein durfte!

Vielen Dank auch!

Ja, Nüsse und Trockenfrüchte wie die von Jalall D’or könnten sich auch in den Produkten unseres nächsten Gastes wiederfinden. Denn die soziale Müslirösterei HEYHO verarbeitet ausschließlich Rohstoffe, die strenge ökologische und soziale Produktionsstandards erfüllen. HEYHO legt diesen hohen Anspruch auch an die eigenen Produktionsbedingungen an und beschäftigt gezielt Menschen mit bewegten Biografien, die wenig Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben – wie zum Beispiel ehemalige Strafgefangene oder auch Ex-Drogensüchtige. Ein spannendes soziales Geschäftsmodell, das auch im Hinblick auf Investorensuche und Vertrieb so seine Tücken hat. Davon berichten wir wie immer „ungeschönt“ in unserer nächsten Folge.

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