Spagat zwischen Social Impact und Gewinn

Shownotes

Spielekonsolen im Pflege- oder Altersheim? Gaming als Medizinprodukt im Gesundheitssektor? Die RetroBrain R & D GmbH in Hamburg entwickelt therapeutisch wirksame Videospiele für ältere Menschen und Pflegebedürftige wie Parkinson- und Demenzkranke. Doch wer ein Sozialunternehmen gründen will, muss die Besonderheiten von Markt und Rechtsformen sowie die Finanzierungsmöglichkeiten genau kennen. Auch der Digital Health Bereich hat seine Tücken, erläutern Mitgründer Manouchehr Shamsrizi und Geschäftsführer Adalbert Pakura in dieser Folge von „Ungeschönt“.

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RetroBrain R & D GmbH

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KfW Podcast „Ungeschönt“

RetroBrain R&D GmbH

mit Manouchehr Shamsrizi und Adalbert Pakura

Transkript

Gründerinnen und Gründer brauchen sich da glaube ich auch gar nicht viel vorzumachen, dass das nur am Anfang, in der Gründungszeit, so ist. Also das ist nicht so, dass man irgendwie am Anfang das erste halbe Jahr, das erste Jahr die Leute zusammenbringt, das dann hinbekommt und danach läuft alles wie am Schnürchen. Ganz im Gegenteil!

Das hat auch gewaltig was mit Demut zu tun. Man kann das nicht alles wissen! Das System lässt einen sehr schnell glauben, als Gründer kann man ganz, ganz viel. Man bekommt ganz, ganz viel Bestätigung. Aber es ist so oft so viel wichtiger und klüger, dann demütig zu sagen: „Das kann ich nicht! Andere können es viel besser.“

In der vergangenen Folge haben wir uns mit Keimster und gesunder Ernährung durch angekeimtes Getreide befasst. Gesundheit, körperlich wie geistig, steht auch im Fokus dieser Folge: Die RetroBrain R&D GmbH entwickelt und vertreibt eine digitale Spielekonsole mit Spielen, die ältere Menschen zu körperlicher Bewegung einladen und auch geistig fit halten. Interessant besonders für Pflegebetriebe mit Parkinson- oder Demenzkranken, aber auch natürlich zur Prävention solcher Krankheiten. Ein Sozialunternehmen im Digital-Health-Bereich zu gründen, hat aber seine ganz eigenen Tücken – von der Finanzierung über die Vermarktung bis hin zum Recruiting. Und darüber spreche ich mit einem Gründer von RetroBrain, Manouchehr Shamsrizi, und dem Geschäftsführer Adalbert Pakura. Hallo sagt Holger Thurm.

Herzlich willkommen, Herr Shamsrizi und Herr Pakura!

Moin Herr Thurm! Schöne Grüße aus Hamburg!

Auch von meiner Seite ein herzliches Hallo!

Ja, Ihr Produkt ist eine durch Gesten gesteuerte Spielekonsole für digitales Gesundheitstraining namens memoreBox. Aber eh wir ins Gespräch einsteigen, stellen wir RetroBrain und memore einmal ganz kurz vor.

Sie hat eine Spielekonsole namens memoreBox entwickelt, die Seniorinnen und Senioren sowie Pflegebedürftige spielerisch unterstützt, körperlich fit und geistig rege zu bleiben. Entwickelt mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Pflegepraxis und Gaming-Industrie, gehen die Spiele auf die Bedürfnisse der älteren Menschen ein, fördern Kommunikation und bringen Spaß und Abwechslung. Gesteuert werden die Spiele ganz einfach durch intuitive Gesten und Körperbewegungen. Die therapeutische Wirkung der memoreBox ist wissenschaftlich belegt. Darum ist sie auch als Medizinprodukt anerkannt und wird von Pflegekassen gefördert.

Ja, wie kam es denn zu der Idee, therapeutische digitale Spiele für Ältere, für Parkinson- und Demenzkranke zu entwickeln? Hatten Sie da persönlich eine Affinität zum Gaming-Sektor oder Erfahrungen im medizinischen oder im Pflegebereich?

Ja, das war die Gleichzeitigkeit, wenn man so will, von Eindrücken aus dem persönlichen Umfeld und akademischer Beschäftigung mit dem Thema. Also zum einen gab es tatsächlich bei uns im Freundeskreis bei einem Elternteil einen Alzheimer-Fall und wir waren, wenn man so will, mit Mitte zwanzig erstmals damit konfrontiert, wie denn die Lebensrealität in Pflege und Pflegebedürftigkeit und Pflegeheimen, wie das alles funktioniert und auch was da gut funktioniert und sehr engagiert [getan wird], was aber auch sehr problematisch und schwierig ist. Und dieser persönliche Eindruck, den man plötzlich erstmals bekam, der traf gleichzeitig auf unser Game Lab Berlin an der Humboldt-Universität. Das hatten zwei Freunde und ich 2014 gemeinsam gegründet; und das Game Lab beschäftigt sich bis heute mit der Frage, wie Gaming als Kulturtechnik eigentlich Gesellschaft verändert. Auch das war dann die Folie, vor der die Frage aufkam: Kann man nicht bei all den Schwierigkeiten, die es in der Pflege gibt, möglicherweise mit all den Potenzialen, die es aus dem Gaming gibt, etwas tun? Und damit waren wir dann bei der Schering Stiftung, die uns damals noch als kleines Forschungsvorhaben an der Humboldt-Uni den Kauf von ein paar Xbox-Spielekonsolen finanziert hat, um damit mal ganz feldforschungspragmatisch in Altenheime zu fahren. Und wir haben daraus dann die Idee mitgenommen: Da geht eine Menge – aber man müsste es grundsätzlich völlig anders machen, als das die Spieleindustrie tut.

Herr Pakura, Sie sind jetzt nicht Gründungsmitglied, aber Sie sind seit drei Jahren Geschäftsführer von RetroBrain. Haben Sie denn eine Affinität zu diesem Gaming-Sektor oder etwa zum Medizin- und Pflegebereich?

Ja natürlich, Gaming hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Also ich bin selbst vielleicht nicht der aktivste Gamer. Auch das lässt natürlich mit der Zeit manchmal ein bisschen nach. Aber [geblieben ist] die Faszination für Videospiele als Medium und wie sie in den letzten 40 Jahren eigentlich die Gesellschaft geprägt haben und dass wir sozusagen noch am Anfang stehen, behaupte ich, was Videospiele, was Games eigentlich noch können. Ich glaube, da kratzen wir immer noch an der Oberfläche. Und deswegen war es halt superspannend, als ich dann gefragt wurde, ob ich zu RetroBrain kommen möchte, war das eigentlich keine lange Überlegung. Da habe ich natürlich gerne zugesagt, weil das wirklich die Möglichkeit bietet, einfach dieses immer noch neue Medium in einen Bereich reinzubringen, der wirklich auf Innovation angewiesen ist. Wo wirklich auch jetzt, sechs Jahre nach Gründung, es immer noch genug Herausforderungen gibt und sich die Grundprobleme eigentlich nicht groß verändert haben. Das heißt, wir sind immer noch sehr nah an den Herausforderungen, am Zahn der Zeit sozusagen, mit unseren Lösungen.

Herr Shamsrizi, Sie haben es ja schon angesprochen: Humboldt-Universität Berlin. RetroBrain ist ein Spin-off der HU. War denn damit bereits so eine Art wissenschaftliche Fundierung des Geschäftsmodells vorgezeichnet?

War es und das war gewollt. Weil wir, und das ist ja dann Teil der sozialunternehmerischen Identität, dieses Projekt ja angestoßen haben, um Probleme zu lösen. Was im Umkehrschluss heißt, es macht auch nur Sinn, wenn man eine Lösung entwickelt hat, die tatsächlich funktioniert. Und dafür brauche ich die Wissenschaftlichkeit, das stand nie zur Debatte. Das Projekt wäre einzustampfen gewesen, wenn wir gesehen hätten, es hat nicht die Wirkung, die wir uns erhoffen – also sowohl medizinisch, therapeutisch, präventiv als auch, dass es in die Lebensrealität der stationären Pflege und der Krankenhäuser und wo auch immer das im Einsatz ist oder sein wird, dass es da quasi integrierbar ist. Das ist alles nur durch Wissenschaftlichkeit zu erreichen. Und wir wollten ja auch den Weg in Richtung Medizinprodukt gehen, auch wenn uns damals mehr Menschen sagten, das wird auf gar keinen Fall funktionieren, ein Videospiel als Medizinprodukt. Aber für uns war das von Anfang an klares Ziel, weil ich nur, im ersten Gesundheitsmarkt zumindest, meinen Social Impact erreichen kann, wenn ich auch Kostenübernahme habe. Insofern, wir waren eine Gruppe junger Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen. Für uns war es ganz klar, das soll wissenschaftlich fundiert sein. Deshalb haben wir uns früh auch Partner aus Theorie und Praxis dazugeholt, um Studien machen zu können. Also die Status Medizinprodukt und so weiter, was da jetzt in der Zwischenzeit passiert ist, gibt dem auch glaube ich recht, dass das der lange, anstrengendere, fehleranfälligere, aber lohnendere Pfad war, den wir da eingeschlagen haben.

Sie sind ja ein Gründer, Herr Shamsrizi, und Herr Pakura, Sie sind Geschäftsführer. Wie sind denn heute Ihre jeweiligen Aufgaben bei RetroBrain?

Ja, also ich habe mehr oder weniger den Staffelstab übernommen von Manuchehr damals unter anderem, also auch von den anderen Gründern. Und habe mich jetzt in den letzten drei Jahren wirklich intensiv mit genau diesen Themen Kostenübernahme, Regulatorik beschäftigt. Also sozusagen die Grundidee, die damals aus diesem Impact-Gedanken heraus entstanden ist, haben wir jetzt einfach transformiert wirklich in die Lebensrealität. Seit letztem Jahr sind wir auch auf dem Markt aktiv, seit Anfang 2020. Und da ist sozusagen die Aufteilung klar auch mit dem zweiten Geschäftsführer bei uns. Also wir sind zu zweit da in der Führungsspitze, in der operativen Geschäftsführung; mit dem Dr. Christian Goergen, der sich mehr um die finanziellen Aspekte kümmert, war meine Aufgabe mehr und ist es auch weiterhin, sich mehr um das Produkt operativ mit zu verantworten. Und diese ganzen regulatorischen Herausforderungen, die wir immer noch haben, zu bewerkstelligen und das halt im operativen Tagesgeschäft de facto.

Und das gibt mir wiederum die Freiheit, mich um die Themen zu kümmern, die mir eigentlich von Anfang an am meisten Spaß gemacht haben, nämlich eher strategische Fragen: Wie internationalisiert man? Wie weitet man den Impact aus in Krankheitsbilder wie Parkinson, Schlaganfall? Was könnte Tele-Reha für eine Rolle spielen? Also all die Themen, zu denen man dann ehrlicherweise parallel zu einer operativen Geschäftsführung, zumal wenn einen darauf niemand vorbereitet hat, nicht wirklich kommt. Insofern bin ich da sehr dankbar, dass ich den Staffelstab habe abgeben dürfen. Und ich glaube auch, das würde mancher Gründerin und vor allen Dingen manchem Gründer ganz gut zu Gesicht stehen, häufiger darüber nachzudenken, ob man eigentlich noch dauerhaft in der Rolle richtig ist, mit der man gestartet ist – auch wenn das manchen schmerzen mag. Aber wenn einem quasi die Organisationsentwicklung am Herzen liegt, dann lohnt es manchmal, darüber nachzudenken, ob es nicht doch einen Staffellauf ist.

Also darauf will ich später auf jeden Fall noch mit Ihnen zu sprechen kommen. Ich wollte jetzt zunächst einmal die Tatsache beleuchten, dass Sie ja von der Rechtsform her eine GmbH sind, aber auch ein Sozialunternehmen. Also Ihr Geschäftsmodell vereint gewissermaßen soziales Engagement mit unternehmerischem Handeln. Warum haben Sie sich für diese Rechtsform entschieden und zum Beispiel gegen Gemeinnützigkeit?

Ich persönlich habe jetzt seit über einem Jahrzehnt Zusammenarbeit mit dem Team und der Person Muhammad Yunus, dem Friedensnobelpreisträger, der ja so ein bisschen hinter der Idee von Social Business steht. Und eine der Grundannahmen von Social Business ist ja, dass man ein Geschäftsmodell finden sollte, das von sich aus trägt, um so den Impact zu maximieren, um eben nicht auf Spenden angewiesen zu sein, um eben nicht auf Ehrenamt angewiesen zu sein. Das hat alles seine absolute Legitimation. Genauso wie jedes Geschäftsmodell natürlich seine Legitimation hat innerhalb einer sozialen Marktwirtschaft, das quasi sagt, ich will hier primär Geld verdienen. Aber diese Unterform von Sozialunternehmertum, die man als Social Business kennt, die geht eben davon aus, dass ich den größtmöglichen Impact haben kann, wenn es ein funktionierendes Geschäftsmodell gibt. Und dafür haben wir uns entschieden. Man könnte es aber auch noch mal pragmatischer beantworten und sagen: Es ist kaum möglich, wenn man sozialunternehmerisch eine Technologie wie die, an der wir arbeiten, die dann Medizinprodukt-Status erreichen sollte und so weiter, entwickeln möchte. Es ist kaum möglich, das mit den klassischen Finanzierungsinstrumenten des Social Entrepreneurship zu machen. Ich brauche Investoren, ich brauche Forschungsförderung. Und gemeinnützige Entitäten tun sich oft schwer damit. Ich bin inzwischen großer Fan von sogenannten hybriden Rechtsformen, bei denen man also sagt – und einige Projekte gibt es, die in die Richtung gehen –: Ich gründe eine For-Profit-Kapitalgesellschaft wie beispielsweise eine GmbH; ich habe aber dann auch noch eine gemeinnützige Stiftung, einen gemeinnützigen Verein dazu, um halt eben beide Möglichkeiten abzudecken. Aber für unseren Fall Wissenstransfer, Technologietransfer, der kostspielig ist, der ein großes Team erfordert, das geht nicht ohne Investoren mit Renditeerwartungen, jedenfalls im Augenblick nicht. Und deshalb eine GmbH. Und das Sozialunternehmerische, das ist ja dann keine Rechtsform, sondern ein Mindset und eine Selbstverpflichtung.

Jetzt sind wir schon mitten im Thema Finanzierung und auch Investoren. Wir haben ja festgestellt: Sie sind ein Spin-off einer Universität. Wie sind Sie da bei der Finanzierung vorgegangen?

Na ja, auch da quasi erst mal klassischer, als man es bei einem Sozialunternehmertum oft vermuten würde. Und darauf quasi sind wir lange auch oft angesprochen worden, wie uns das gelungen ist. Aber in den Augen des Spin-off-Prozesses waren wir ein Technologie-Start-up wie jedes andere auch, also ganz unabhängig vom Impact-Gedanken dahinter. Sprich: Wir sind gestartet noch in der Forschung mit einem kleinen Grant der Schering Stiftung und sind dann quasi darauf aufbauend in der Lage gewesen, ein Exist-Gründerstipendium einzuwerben. Drei der sechs Gründer konnten dann über Exist in Vollzeit anfangen, an dem Vorhaben zu arbeiten.

Exist ist eine Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums?

Genau! Das ist ein fantastisches Programm, um das der Gründungsstandort hier auch weltweit tatsächlich beneidet wird. Zu Recht, wie ich finde, weil es halt eben toll – zumindest für den Fall wissensbasierte Gründung hervorragend – funktioniert. Wir haben das dann zusammen mit dem Institut für Rehabilitationswissenschaften quasi vorantreiben können. Da ist man dann ja als Exist-Stipendiat quasi an der Uni, genau, und kann sich ins Abenteuer stürzen, wird auch ausgebildet ein bisschen. Von uns war ja keiner auf Unternehmertum wirklich vorbereitet. Und wir sind dann relativ schnell nach Hamburg gekommen. Ermöglicht hat uns das Ganze dann ein – und das war der zweite Baustein unserer Finanzierungshistorie –, ein tolles Förderprogramm, das die Hamburgische Investitions- und Förderbank gemeinsam mit der KfW in ihrem Portfolio hat, nämlich das InnoRampUp-Programm. Anders als bei Exist werden dabei nicht Gründerinnen und Gründer finanziert, sondern tatsächlich Innovationsvorhaben. Und dafür konnten wir uns dann qualifizieren. Und damit haben wir dann angefangen, quasi das Spin-off in Hamburg richtig aufzubauen und sind auch sehr glücklich seitdem in Hamburg, würde ich sagen.

Aber ganz ohne Venture Capital ging es jetzt auch bei RetroBrain nicht, oder?

Nein, man braucht den Mix, wenn man so will, weil auch diese verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten … Auch das muss man jetzt im Kontext „Ungeschönt“ sagen – das klingt im Nachhinein so locker dahergesagt, wenn ich das jetzt formuliere –: Es war natürlich alles sehr anstrengend. Aber diese verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten haben ja alle ihre großen Vor- und natürlich auch Nachteile. Einer der Vorteile an öffentlicher Förderung, meine ich, ist eben dieser Reputationsgewinn, weil es kein Investor ist wie andere und weil es keine Hidden Agenda gibt oder ungeprüfte Fälle. Aber gleichzeitig reicht das nicht. In unserem Fall kam dann eine Business-Angel-Runde dazu. Wir hatten dann einen sehr namhaften habilitierten Steuerberater beispielsweise, der natürlich auch Expertise mitbringt. Wir hatten Investoren aus der Schweiz, die sehr erfahrene Unternehmer und Tech-Entrepreneure sind.

Aber war das Geschäftsmodell Sozialunternehmen, vor allen Dingen dann noch mit einem therapeutischen Produkt, dabei jetzt hilfreich oder hinderlich? Ich stelle mir es schwierig vor, auf diese Weise Business Angel zu gewinnen.

Es war auch schwierig. Ich könnte jetzt berichten hier aus dem Hamburger Nordosten. Da hatte ich eines meiner erinnerungswürdigsten Gespräche, die zu nichts geführt haben – ja, Hashtag „Ungeschönt“ –, mit einem Hamburger Reeder. Und ich werde nicht vergessen, wie der dann sich das anhörte und nach einer Stunde sagte: „Herr Shamsrizi, habe ich verstanden. Toller Markt, tolles Produkt, tolles Team.“ – Quasi: Das wird bestimmt funktionieren und den Menschen guttun. – „Was ich nicht verstanden habe, ist, ob Sie ein Investment haben wollen, weil Sie damit Geld verdienen möchten, oder ob Sie eine Spende haben möchten, weil Sie damit Gutes tun möchten.“ Beides zusammen, das sei ihm noch nicht untergekommen. Vielleicht auch ein Generationsthema, weil manche Generation von Unternehmern das so gewöhnt ist, dass man auf der einen Seite Geld verdient mit seinem Geschäftsmodell und auf der anderen Seite dann spendet, um Gutes zu tun. Aber unsere Generation an Social Entrepreneuren will das ja anders machen und will ja sagen: Mit meinem Geschäftsmodell tue ich Gutes! Ich glaube, unser Business-Angel-Kreis, der bildet diesen Generationsunterschied auch gut ab.

Was müssen Gründerinnen und Gründer denn im Digital-Health-Bereich allgemein so im Umgang mit Investoren und Business Angels beachten? Herr Pakura, da können Sie ja jetzt auch aus Ihrer laufenden Erfahrung sicher etwas beitragen?

Ja, auch die Situation, in der man sich befindet im Digital-Health-Markt, ist ja auch anders als in anderen Märkten. Das heißt, ich kann weniger leicht „bootstrappen“, wie ich es vielleicht anderswo könnte. Ich kann nicht sozusagen ein Produkt entwickeln, das direkt auf den Markt werfen und gucken, ob das Leuten gefällt oder nicht. Das heißt, auch dafür brauche ich natürlich irgendwie dieses Kapital von außen. Sonst könnte ich sozusagen gar nicht das Team aufbauen, um das Produkt erst mal zu entwickeln, die Regulatorik einzuhalten, also im Digital-Health-Bereich zum Beispiel eine Medizinprodukt-Zertifizierung anzustreben, mich um Reimbursement, also Kostenübernahme durch gesetzliche Kranken- oder Pflegekassen, zu kümmern. Also all diese Dinge, bevor ich wirklich ernsthaft überhaupt in den Markt komme, muss ich ja im Prinzip vorfinanzieren mehr oder weniger. Das heißt, auf der einen Seite brauche ich an der Stelle schon das erste Geld, um mir das leisten zu können, da hinzukommen in die Situation, dass ich endlich Geld verdienen kann, wenn ich evaluiert bin, wenn irgendwie die Kostenübernahme da ist und so weiter und so weiter. Und gleichzeitig habe ich dann sogar noch einen kleinen Nachteil, weil ich dann erklären muss, obwohl ich mehr oder weniger alles richtig gemacht habe und all diese Erfolge vorzuweisen habe, warum das denn so lange gedauert hat, dass man endlich mal Geld verdient als Unternehmen. Und das ist so ein bisschen teilweise eine paradoxe Situation, wenn man in diesem Markt unterwegs ist. Auf der einen Seite kommt man gar nicht darum herum, auch da irgendwie extern Geld einzusammeln, um es in den Markt zu schaffen. Wenn man es dann geschafft hat, ist das natürlich super. Weil dann hat man natürlich diese ganzen Türen überwunden. Und das wiederum führt aber zu anderen Herausforderungen, wenn es darum geht, dann weitere Mittel einzusammeln. Also ich glaube, das sollten sich vor allem Gründerinnen und Gründer im Digital-Health-Bereich zu Herzen nehmen: einerseits diese Kooperation mit externen Partner*innen und auf der anderen Seite aber trotzdem irgendwie die finanzielle Stabilität zu verschaffen, weil ich weiß, dass ich ein langen Atem brauchen werde in dem Bereich.

Und welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es da für Sozialunternehmen außerdem? Also können Sie vielleicht an der Stelle Tipps geben, wie ich als Gründerin oder Gründer eines Sozialunternehmens am besten vorgehen kann?

So breit wie möglich zu suchen und zu denken und dabei auch zu berücksichtigen, dass möglicherweise Geldgeber*innen auf meinen Impact einzahlen und das auch können und ich auch gut mit denen arbeiten kann, selbst wenn sie nicht groß voranstellen, dass sie Impact-getrieben sind. Alles, was hilft, damit man den Impact erreicht, ist auch auch legitim. Und man muss bereit sein, als Sozialunternehmen dann tatsächlich auch seinen Impact unterzuordnen und auch mit Partnerschaften zu arbeiten, die vielleicht nicht zu 100 Prozent den eigenen Anspruch an Impact erfüllen. Ich darf auf gar keinen Fall, um das mal zu konkretisieren, nur schauen nach Förderprogrammen, die sich dediziert an Sozialunternehmen richten. Es gibt da draußen ganz viele Förderprogramme.

Ein weiterer schwieriger Punkt glaube ich in der Firmengeschichte von RetroBrain war es, die ganz vielen unterschiedlichen Stakeholder unter einen Hut zu bekommen, etwa bei der Produktentwicklung von memore. Da waren viele unterschiedliche Expertinnen und Experten beteiligt, interdisziplinäre Ärzteteams, Pflege- und Reha-Dienstleister. Wie haben Sie das immer alles unter einen Hut bekommen können? Oder ging das von Anfang an gut?

Das ging alles andere als gut. Also ich würde sagen, das war eine der Hauptherausforderungen, dann auch die jeder für sich sehr engagierten und sehr kompetenten Disziplinen und ihre Vertreter*innen quasi im Kosmos RetroBrain dazu zu bringen, miteinander zu sprechen, weil es halt eben nur interdisziplinär zu lösen ist. Also wer ein Videospiel als Medizinprodukt für Menschen, die an neurodegenerativen Erkrankungen leiden beispielsweise, entwickeln möchte, der braucht eben die Expertise aller beteiligten Gewerke, wie man früher so schön gesagt hat. Bloß dass die alle eben sehr unterschiedlich funktionieren und zum Teil auch noch nicht einmal die Begrifflichkeit miteinander teilen. Also selbst Produktentwicklung wird im Gaming völlig anders verstanden, in anderen Iterationen gedacht, mit anderer Flexibilität gedacht als im Medizintechnologie-Bereich. Wieso gehen die beteiligten Ärzte womöglich davon aus, dass das eigentlich nur eine Form von Website-Entwicklung ist, wenn man ein komplexes Spiel entwickelt? Warum gehen die Spieleentwickler vielleicht davon aus, dass man auch nicht so im Detail sich mit den Krankheitsbildern beschäftigen muss? Also Interdisziplinarität kommt nicht von nichts, das muss man sich auch erarbeiten als Kompetenz.

Ja, und ich würde da sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen: Gründerinnen und Gründer brauchen sich da glaube ich auch gar nicht viel vorzumachen, dass das nur am Anfang, in der Gründungszeit, so ist. Also das ist nicht so, dass man irgendwie am Anfang das erste halbe Jahr, das erste Jahr die Leute zusammenbringt, das dann hinbekommt, und danach läuft alles wie am Schnürchen. Und danach ist das „Produkt“ fertig, und danach kann ich sozusagen loslegen. Ganz im Gegenteil! Bis heute ist das quasi einer der Kernherausforderungen unseres Unternehmens.

Was ist denn dann jetzt Ihre Lösung, Ihr Geheimrezept? Wie kriegen Sie diese vielen Erwartungshaltungen und Motive bis runter zu den Spielenutzern denn unter einen Hut? Und ich frage mich auch: Ist es problematisch, diese Zielgruppe ältere Menschen überhaupt für das Thema Gaming, für Spiele zu gewinnen?

Na ja, zum einen, indem man berücksichtigt, dass das nie endet und quasi ein permanenter Aushandlungsprozess ist. Und [das ist] gerade wichtig, wenn man es mit einer Zielgruppe zu tun hat wie Seniorinnen und Senioren; das wissen wir jetzt ja aus Jahren der Forschung zum Thema partizipatives, inklusives Design von Technologien und Produkten. Das muss einfach auf Augenhöhe stattfinden. Das hat es oft industrieübergreifend nicht getan. Heute geht es nicht anders. Es geht ethisch nicht anders. Es hätte eigentlich nie anders sein dürfen ehrlicherweise. Und als Start-up hat man da dann auch die Möglichkeit, von vornherein zu sagen: Ich mache es anders. Wir waren zwei-, dreimal in der Woche im Altenheim in dieser allerersten Produktdefinitionsphase, wenn man so will, und haben gefragt: Funktioniert das für euch, bringt euch das Spaß? Und da war oft Feedback dabei, an das bei uns im Mitte-zwanzig-jährigen Team genauso wenig jemand gedacht hat wie im hochkarätigen wissenschaftlichen Beirat. Und deshalb muss man in die Praxis und sich oft feedbacken lassen.

Ja, und vor allem Multiplikator*innen etablieren. Also Menschen, die wie in unserem Bereich dann halt nicht die direkten Spielenden sind, sondern halt die Pflegefachkräfte, die begeistert sind, die sagen: „Hey, ich finde das total super! Das hilft!“ Und wenn man es schafft, dass vor Ort dann die Menschen schon eine Begeisterung haben, die Pflegefachkräfte irgendwie das toll finden, dann strahlt das auch automatisch auf die tatsächlichen Bewohner*innen, auf die tatsächlich Spielenden ab. Also das, habe ich das Gefühl, hat uns ganz oft sehr geholfen, auch in der Weiterentwicklung des Produkts.

Und um das noch mal auf den Hashtag „Ungeschönt“ zurückzubringen und noch mal zu paraphrasieren: Das hat auch gewaltig was mit Demut zu tun. Man kann das nicht alles wissen! Aber die Gründungslandschaft ist sehr gut darin, einen das, wenn man nicht aufpasst, glauben zu lassen. Das System lässt einen sehr schnell glauben, als Gründer kann man ganz, ganz viel. Man bekommt ganz, ganz viel Bestätigung. Aber es ist so oft so viel wichtiger und klüger, dann demütig zu sagen: „Das kann ich nicht!“ Und immer dann, wenn wir das getan haben, als RetroBrain, meine ich, und gerade als Sozialunternehmertum gibt es total viele Akteure, die einen unterstützen wollen. Nur dafür muss ich bereit sein und anerkennen: Ich kann das nicht alles. Andere können es viel besser. Das Team muss bereit sein, so einen Input wahrzunehmen und nicht zu sagen quasi: Wir können das doch alles selbst. Und insofern: Demut ist glaube ich eine ganz gute Grundhaltung. Aber auch das ist im Nachhinein leichter gesagt. In die Falle bin ich zumindest irgendwie ganz oft reingelaufen, das nicht zu tun.

Demut ist sicher ein gutes Stichwort. Auch wenn man ein sechsköpfiges Gründungsteam ist wie Sie. In der Zusammensetzung führen Sie das Unternehmen ja nicht mehr, sondern Sie haben mit Herrn Pakura jetzt einen Geschäftsführer. Warum das? Und wieso sind Sie als Gründer überhaupt in die zweite Reihe getreten?

Weil ich glaube, dass es unterschiedlicher Kompetenzen bedarf, um ein Flugzeug zum Starten zu bringen versus es stabil trotz Turbulenzen in der Luft zu halten. Das hat zum Beispiel ganz klassische Organisationsentwicklungs-Herausforderungen. Natürlich funktioniert das ganz anders, zu sechst per Pizzabestellung eine Organisation am Leben zu halten, als ein 30-köpfiges Team zu gestalten und quasi auf das Ziel hin auszurichten. Ich war glücklich damit, so etwas anzustoßen. Und ich war genauso glücklich damit zu sagen: Jetzt kann ich mich wieder aufs Anstoßen konzentrieren, nämlich auf die strategischen Themen, die wir eingangs schon hatten. Ich glaube tatsächlich, dass es manchem guttun würde, in die zweite Reihe zurückzugehen. Genauso wie es manchem in der zweiten Reihe guttun würde, den Schritt in die Geschäftsführung oder ins Selber-Gründen zu machen. Und deshalb ist mir das so ein Anliegen zu sagen: Ich glaube schon, dass sehr, sehr viele zum Gründen prinzipiell befähigt sind und dass oft da einfach ein Impostor-Syndrom vorherrscht, weil die Start-up-Szene halt aus bestimmten, immer den gleichen Typen, quasi bestehenden Bildern … weil einem diese Bilder vorgestellt werden: Das ist dann der BWL-Absolvent, der mit anderen BWL-Absolventen, alle in Anführungsstrichen „weiß“, alle bildungsbürgerlicher Hintergrund, dann anfängt, ein Start-up zu gründen. Aber das macht weder volkswirtschaftlich Sinn noch ist das irgendwie gerechtigkeitstheoretisch zu rechtfertigen. Die Gründungs-Community ist viel diverser, als sie sich darstellt.

War es denn einfach, für Ihr Produkt die richtigen Entwickler beziehungsweise Programmierer, Coder, zu finden? Oder mussten Sie da auch Überzeugungsarbeit leisten, weil Gaming in der Gesundheit, es ist ein therapeutisches Produkt, ist das für die Gaming-Szene überhaupt interessant?

Ja, das merken wir aktuell, dass das wirklich ein wesentliches Thema ist, ganz oft. Also wir haben natürlich da immer die Herausforderung, neue Mitarbeiter*innen zu finden. Der Markt ist einfach da wirklich sehr klein und hart umkämpft, wenn es um wirklich gute Programmierer*innen geht oder anderes Fachpersonal. Also das heißt, da haben wir natürlich allgemein eine Herausforderung, wenn wir vor allem jetzt auch irgendwie wachsen möchten. Aber auf der anderen Seite bekommt man gerade das als Feedback von Bewerber*innen, die sagen: „Hey, ich habe jetzt die letzten Jahre irgendwo Backend-Entwicklung bei irgendeinem Finanz-Start-up oder einer Bank oder sonstwo gemacht. Das ist aber irgendwie … auf lange Sicht befriedigt das nicht meinen Anspruch auf das, was ich mit meinem Leben machen möchte.“ Und dann kommen Menschen zu uns und sagen: „Hey, hier kann ich auch, Beispiel: irgendwie im Backend arbeiten.“ Aber hier weiß ich und sehe ich, wie happy einfach die Spielenden sind bei der memoreBox. Die sind natürlich aber trotzdem am Ende des Tages eine geringe Grundgesamtheit, weil einfach der Markt sehr umkämpft ist. Und wir da teilweise wirklich intensiv und lange suchen müssen. Aber genau zu wissen, was suche ich eigentlich für Positionen, was für Kompetenzen brauche ich da, was für Typen brauche ich da? Auch Diversität, einfach darauf zu achten. Fast 50 Prozent des Unternehmens sind bei uns weiblich. Also wir achten da auch tatsächlich drauf. Ich glaube – da lehne ich mich mal aus dem Fenster –, das war am Anfang noch nicht so richtig der Fall, wo wir jetzt wie gesagt viel mehr Arbeit reinstecken, die richtigen Menschen für das Team zu bekommen.

Vielen Dank, Herr Pakura und Herr Shamsrizi! Wir haben am Ende unserer „Ungeschönt“-Folgen immer eine Rubrik namens „Mantra Mantra“. Das ist der Ort, wo Gründerinnen und Gründer dann noch mal ganz komprimiert ihr Business-Mantra mitteilen können.

Wie würden Sie heute vorgehen, wenn Sie RetroBrain noch einmal gründen und finanzieren müssten?

Ich würde es mehr vom Ende her denken, mehr vom: „Was muss wann erledigt sein, damit wir in der Kostenübernahme im ersten Gesundheitsmarkt sind?“, und darauf fokussieren.

Strategisch und realistisch das Team und das, was das Team leisten kann, planen und entsprechend umsetzen. Also die Herausforderungen, die man angehen muss, einfach mit der richtigen Einschätzung für die Größe des Teams und auch für die Zusammenstellung des Teams planen.

Welche Tipps haben Sie für Sozialunternehmer und Sozialunternehmerinnen?

Kontext- und themenübergreifend gilt für Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmer: Da draußen sind Organisationen, die seit Jahrzehnten, zum Teil seit Jahrhunderten, die jeweiligen Probleme lösen, die wir jetzt mit Technologie und Innovation neu lösen wollen. Das sind keine Wettbewerber. Das sind Partner. Frühzeitig auf die großen Organisationen im eigenen Bereich zugehen und schauen, dass man es gemeinsam macht, weil alle am Impact interessiert sind.

Mit der tatsächlichen Zielgruppe sprechen. Also nicht nur aus der eigenen Bubble heraus, was man vielleicht mal im Internet gelesen hat, wo vielleicht soziale Herausforderungen, soziale Probleme schlummern könnten, und die dann versucht, irgendwie zu lösen. Sondern wirklich losgehen, sich „die Hände schmutzig machen“ und mit den Leuten reden, die die ernsthaften sozialen Probleme haben, und die dann pragmatisch versuchen zu lösen.

Ihre besten Tipps für alle, die jetzt speziell im Digital-Health-Bereich gründen wollen?

Also das fängt damit an, nicht beratungsresistent zu sein. Das ist ein schmaler Grat, weil man liebt sein Produkt, man liebt sein Team, man liebt seine Lösung und steckt da viel Energie rein. Aber man muss offen bleiben für Feedback von denjenigen, die in dem Bereich seit Langem unterwegs sind. Aber gleichzeitig auch quasi im Hinterkopf haben: Nicht jeder Ratschlag passt auch zur neuen Zeit. Zweitens: Man fokussiert natürlich automatisch auf die Dinge, die man erledigt haben möchte, weil sie einen voranbringen. Es ist aber gleichzeitig elementar notwendig, auch wenn man es nicht so auf dem Radar hat, die Dinge, aus dem Weg zu räumen, die verhindern können, dass man erfolgreich ist. Sprich: Kein Mensch hat wirklich Lust darauf, mit seiner Steuerberaterin, seiner Rechtsanwältin mehr als notwendig Termine zu machen. Ich kann aber aus eigener Erfahrung sagen, es lohnt sich, die am Anfang zu machen, sonst hat man hinterher nur noch viel mehr Probleme.

Herr Pakura, Ihre Tipps?

Vor allem im Digital-Health-Markt, glaube ich, ist es wichtig, richtig Fuß zu fassen mit seiner Lösung, bevor man irgendwelche neuen Baustellen aufmacht. Also einen Product Market Fit zu erreichen, wirklich ein Problem zu lösen und das dann „sauber“, ordentlich in die Praxis zu bringen, bevor man sich mit den 1.000 neuen Opportunities, die es gibt, beschäftigt. Sich wirklich fokussieren, Nein sagen zu all den schönen neuen, innovativen, tollen Dingen, die man noch machen könnte. Der zweite Punkt: Wirklich vor allem im Digital-Health-Bereich den Markt verstehen. Der ist anders als andere Märkte, der funktioniert anders, hat andere Gesetzmäßigkeiten. Und das Dritte wäre glaube ich wirklich, eine gewisse Resilienz aufbauen, verstehen, dass die Wege lang sind, die Komplexität hoch [ist], und sich nicht, ja, unterkriegen lassen. Also wirklich so ein bisschen auf die Zähne beißen, auch wennʼs hart ist, auch wenn die Tage lang und die Aufgaben schwierig [sind]. Es ist ein Marathon, es ist kein Sprint. Ich brauche den langen Atem, ich muss mir meine Kräfte einteilen. Und ich muss halt auch teilweise wirklich aushalten, bis es wirklich gut funktioniert.

Das bringt einem ja keiner bei. Haben Sie da vielleicht einen konkreten Tipp, wie man Resilienz aufbauen kann?

Man braucht seine Freundschaften, man braucht seine Familie, man braucht Hobbys, ganz pragmatisch: Dinge, für die man sich Zeit nimmt. Und nicht irgendwie den ganzen Tag nur an den Job denkt, für den man dann diese Resilienz braucht. Das baue ich halt glaube ich nicht im Job auf. Sondern dafür muss ich halt irgendwie zusehen, dass ich meine freitagabendliche Spielrunde mit den Freunden habe, um sozusagen da einfach ein Outlet zu haben.

Und ich glaube, auf Resilienz zahlt auch ein, mit Menschen zu sprechen, die in vergleichbaren Situationen waren, und nicht nur die „Handelsblatt“-Coverstorys [zu lesen], bei denen dann alles erfolgreich war. Deshalb sind so „Ungeschönt“-Formate jetzt hier im Podcast [hilfreich] oder aber quasi auch ganz ernsthaft im eigenen Bekanntenkreis, im Netzwerk Gründerinnen und Gründer ansprechen und sagen: „Was lief nicht so gut? Wie baust du deine Resilienz auf?“ Jeder wird da gerne darüber reden, weil am Ende ist das ein dunkles Geheimnis der Start-up-Szene quasi, dass es diese Anstrengungen, auch diese Mental Health Issues gibt, und das lange verschwiegen wurde. Da waren wir alle. So, und dann reden wir auch alle drüber. Sie tun es nur nicht auf den großen Bühnen.

Ja, vielen Dank für die perfekte Zusammenfassung auch der Intention unseres Podcasts „Ungeschönt“. Am Schluss vervollständigen Sie bitte noch ganz kurz und knapp und ohne nachzudenken die folgenden Sätze. Die größte Erfüllung in meinem Job ist …?

Zu sehen, dass es doch gelungen ist mit Medizinprodukt und Kostenübernahme. Wer hat uns alles gesagt, dass das auf gar keinen Fall stattfinden wird!

Ein Team aufzubauen und zu formen, mit dem man das Gefühl hat, auch noch die nächsten Jahre zusammenzuarbeiten, weil man weiß, dass das gut zusammen funktioniert und weil man Spaß hat zusammenzuarbeiten und nicht einfach nur zusammengewürfelt ist.

Ein weit verbreitetes Vorurteil über Gaming lautet …?

Dass es Zeitverschwendung ist. Und genau das Gegenteil ist der Fall, in jeder Hinsicht.

Dass es nur für Kinder ist oder für Jugendliche, die ihre Zeit mit Gaming verbringen. Wir wissen genau, dass man über die gesamte Lebenszeit, über die gesamte Lebensspanne Videospiele spielt, nur halt in anderen Kontexten, manchmal am Handy, manchmal an der Konsole, manchmal am PC. Aber am Ende spielen wir alle gerne Videospiele.

Gaming und Gesundheit passen deswegen gut zusammen, weil …?

Beide an und für sich dasselbe Menschenbild teilen. Wir haben es mal den „Homo ludens“ genannt: die Vorstellung vom Menschen als verspieltem Wesen, als aktivem Wesen, als selbstbestimmtem Wesen. Im Gaming ist das selbstverständlich. In Gesundheit und Pflege sind wir da weit von abgerückt. Aber am Ende teilen beide Welten dasselbe Menschenbild. Deshalb passt es so gut zueinander.

Ich glaube, es ist ein bisschen „Gegensätze ziehen sich an“. Das Ernsthafte im Gesundheitswesen und das Spaßige im Spiel passt an manchen Stellen glaube ich wirklich einfach ganz gut zusammen.

Mein absolutes Lieblingsgame auf der memore-Konsole ist …?

Für mich das Motorrad-Spiel, weil es einfach Spaß bringt, das zu erleben, wie das Spiel sich einem anpasst. Und egal wie fit man ist oder auch nicht fit, man wird immer gefordert. Man muss alles gleichzeitig machen und man bewegt sich. Schöne Musik. Außerdem habe ich keinen Führerschein. Insofern kompensiere ich das vielleicht bei der Gelegenheit.

Ich fahre sonst nicht gerne Fahrrad, deswegen mag ich das Postboten-Modul ganz gerne. Da fährt man mit dem virtuellen Fahrrad durch die Nachbarschaft und wirft Briefe in Briefkästen am Straßenrand. Das ist recht anspruchsvoll. Es wird dann tatsächlich immer schwieriger. Und die Koordination hinzubekommen habe ich …also, da struggle ich manchmal schon.

Ja, vielen Dank, Manouchehr Shamsrizi, Mitgründer von RetroBrain, und auch an Sie, Adalbert Pakura, Geschäftsführer von RetroBrain. Vielen Dank an Sie beide und viel Erfolg für Sie und für RetroBrain!

Ganz lieben Dank, dass wir hier sein durften!

Gründen Sie alle!

(Lachen)

Ja, die kommende Folge steht ganz im Zeichen des Themas Unternehmensnachfolge. Wir beleuchten mit dem Online-Shop für Nüsse und Trockenfrüchte Jalall D’or, wie es ist, als Quereinsteigerin ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen, und mit Schulz Industriereiniger beziehungsweise Kieler Seifen, wie sich die interne Nachfolge von Tochter auf Vater im Familienbetrieb gestaltet und welche Schwierigkeiten hier jeweils auftauchen können. Die „ungeschönten“ Fakten gibt es in der nächsten Folge.

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