Ein Stück Australien in Hamburg
Shownotes
Australische Frühstückskultur nach Hamburg bringen mit selbstgeröstetem Specialty Coffee – das war der Traum von Marie Kotte und ihrem australischen Freund Tristan Garrett. Doch rasch mussten die beiden erfahren: Zwischen „Down under“ und Binnenalster können Welten liegen, zumindest wenn es um Finanzierung, Bauvorschriften und behördliche Auflagen geht. Auch der eigene Lieferservice stellte sich als komplizierter heraus als gedacht. In der aktuellen Folge von „Ungeschönt“ verrät das Paar, wie es die harten Anfangsmonate finanziell und mental überstand und ihr Café „Marshall Street Coffee“ trotz erheblicher Verzögerungen doch noch erfolgreich an den Start brachte.
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KfW Podcast „Ungeschönt“
Marshall Street Coffee UG
Transkript
Es war einfach sehr viel Druck, muss man sagen. So, so viel Druck! Und zwischendurch war oft der Punkt da: Was machen wir hier eigentlich? Ist es das Richtige? Haben wir uns das gut überlegt? Also, es kommen natürlich immer wieder Zweifel auf. Zeitweise haben wir wirklich gedacht, wir schmeißen jetzt alles hin.
Wenn du nicht selbstbewusst bist und Angst hast, zu viel Angst, dass das nicht funktionieren wird – das wird nicht funktionieren.
In der vergangenen Folge haben wir neben dem Zero-Waste-Supermarkt »Original Unverpackt« auch die Brotpuristen aus Speyer vorgestellt. Gründer und Bäcker Sebastian Däuwel mag sein Brot am liebsten mit etwas Butter und Salz. Das Gründerpaar in dieser Folge hat da mehr im Sortiment. Aber die Eröffnung ihres Cafés gestaltete sich zunächst sehr viel schwieriger, als die beiden gedacht hatten. Warum, hören Sie jetzt in unserer neuen Folge von »Ungeschönt« mit mir, Holger Thurm, sowie Marie Kotte und Tristan Garrett aus Hamburg.
Hallo Frau Kotte und Hallo Herr Garrett, herzlich willkommen bei »Ungeschönt«!
Hallo!
Hi!
Sie führen beide zusammen das Café »Marshall Street Coffee« in der Hamburger Innenstadt. In einer Marshall Street liegt das Café aber gar nicht. Woher denn der Name? Und wo kann man Sie in Hamburg finden?
Ja, Marshall Street ist eigentlich in Australien, in Sydney. Ich komme ursprünglich aus Australien, und wir haben den Laden »Marshall Street« gegründet in 2020 in der Hamburger Innenstadt.
Okay, also die Marshall Street liegt in Sydney. Sind Sie da auch aufgewachsen?
Genau, das ist die erste Straße, wo ich gewohnt habe in Australien. Und ich habe so eine große Verbindung mit Marshall Street. Weil das liegt nicht so weit vom Krankenhaus, wo ich geboren war, und (weil) meine Eltern da gewohnt haben. Und mein Papa wollte mich eigentlich »Marshall« nennen nach der Straße.
Hat er sich offenbar noch einmal anders überlegt. Jetzt heißt aber zumindest Ihr gemeinsames Café so. Wir gucken uns Marshall Street Coffee und das Konzept dahinter aber noch einmal kurz genauer an.
Australische Frühstückskultur unweit der Binnenalster? Gab es bislang nicht. Deswegen wollten der gebürtige Australier Tristan Garrett und seine Freundin Marie Kotte genau diese Lücke schließen. Monatelang hatten die beiden an ihrem Konzept gefeilt. Schließlich hatten Marie und Tristan schon viele Jahre Erfahrung in der Gastronomie und mit Kaffeekultur gesammelt. Gemeinsam nahmen sie einen Kredit auf und verwirklichten ihren Traum. Mitten in der Hamburger Innenstadt an der Domwiese eröffneten die beiden ihr Café »Marshall Street Coffee«, hell und minimalistisch eingerichtet. Die Speisekarte liest sich exotisch und gesund: Zitronen-Hummus-Bowl oder Feta und Avocado auf Sauerteigbrot mit pochierten Eiern, Pastrami Burger, Lachs mit Radieschen und Frischkäse, Buttermilch Pancakes – und das alles mit selbst geröstetem Specialty Coffee aus Australien. Übrigens: Die australische Frühstückskultur bringen sie ihren Kunden auch nach Hause – mit einem eigenen Lieferservice.
Ja, das greife ich gleich auf. Was ist denn das Spezielle an australischem Specialty Coffee oder an australischer Frühstückskultur?
Ja, die Kultur in Australien ist ein riesiges Thema. Du gehst immer zum Café zum Frühstücken, das ist so eine große Kultur. Du frühstückst also nie zu Hause. Es ist immer mit Freunden verbunden. Und die Specialty Kultur mit Kaffee ist: Da gibt es so viele verschiedene Röstereien und die Qualität von Kaffee und den Rohbohnen ist richtig hochwertig. Und jede Person, sagt man in Australien, ist so ein Coffee Nerd oder Coffee Snob und sucht immer die besten Cafés raus, wo sie hingehen kann und was kaufen kann.
Jetzt haben Sie ja beide schon acht bzw. zwölf Jahre Gastronomie-Erfahrung und sich auch in einem Café kennengelernt. Wie kam es dazu, dass Sie gesagt haben, jetzt machen wir unser eigenes Café auf?
Ja, also wir haben uns in einem Café kennengelernt, und da haben wir natürlich auch nie gedacht, dass wir irgendwie mal gemeinsam ein Café starten werden. Ich habe damals in dem Café gearbeitet, und Tristan kam als Gast rein. Wir haben selbst schnell gemerkt, dass wir beide die Liebe zum Kaffee teilen. Und Tristan hat mit mir dann seinen Traum geteilt, dass er, ja, gerne irgendwann mal ein Café eröffnen möchte. Und ich konnte mir das dann eben auch vorstellen. Und das sollte wahrscheinlich einfach so sein.
In der Gastronomie zu gründen wird von vielen als schwierig empfunden. Denn ein Unternehmen zu führen ist noch mal etwas ganz anderes, als in der Gastronomie zu arbeiten. Ganz ungeschönt gefragt: War das eine einfache Entscheidung?
Ja, natürlich hatten wir sehr viel Angst auch. Also die Vorfreude war da. Aber es war auch sehr viel mit Angst verbunden, weil natürlich die Angst (kam) vorm Scheitern, dass es doch nicht so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben. Man muss ja auch sagen, wir haben die Fläche in der Innenstadt. Die Innenstadt kennen wir eigentlich nicht so gut, weil es eigentlich nicht so das Viertel ist, wo wir wohnen oder uns viel aufhalten. Und deshalb war es für uns auch ein bisschen schwer, das einzuschätzen, ob das da nun läuft oder nicht. Und, ja, das war natürlich immer mit ein bisschen Angst verbunden. Aber wir haben uns da irgendwie gegenseitig immer bestärkt und trotzdem irgendwie nach vorne geguckt. Und es halt gewagt.
Okay, also der Standort war für Sie schwer einzuschätzen. Ein Hindernis im Gründungsprozess. Gab es denn weitere Situationen in dieser Planungsphase, die Sie unterschätzt haben und woraus andere Gründerinnen und Gründer lernen können?
Ja, das ist (lacht) unsere kleine Drama-Story. Ja, genau. Man muss sagen, als wir die Fläche übernommen haben, war sie einfach komplett im Rohbau. Das heißt, das ganze Gebäude sollte kernsaniert werden, und wir konnten uns das natürlich noch gar nicht so richtig vorstellen: Wann soll das eigentlich mal fertig werden? Wie sieht das überhaupt aus, wenn das fertig wird? Und dadurch, dass das alles mit einer Baufirma zusammenhing, wo wir nicht so viel Einfluss darauf hatten, hat sich das leider immer weiter verzögert. Wir sollten die Fläche eigentlich mal im Juni bekommen und haben Sie dann letztendlich … ja, wir haben im Februar eröffnet. Also es hat sich peu à peu immer weiter verzögert. Es kamen auch noch weitere Dinge hinzu, da die Fläche vorab natürlich nicht ein Cafe war, sondern es war, soweit ich weiß, ein Kiosk; (deshalb) mussten wir eine Nutzungsänderungsgenehmigung beim Bauamt einreichen. Und wir wussten auch nicht – sind da ein bisschen blind reingegangen –, dass es auch mit einem Architekten verbunden sein muss. Und ja, das Bauamt hat uns dann da auch noch mal ein bisschen Steine in den Weg gelegt, weil wir dann eine barrierefreie Toilette bauen lassen mussten, was wir auch vorher nicht geplant hatten. Und dadurch hat sich das natürlich auch noch mal verzögert.
Und hatten Sie diese Kosten vorab einkalkuliert oder hat Sie das quasi kalt erwischt?
Ja, nicht für alles. Wir haben so gedacht: Okay, ja, vielleicht 3.000 Euro oder so was, dass so Kleinigkeiten gemacht werden müssen. Angeschlossen so eine Spülmaschine und vielleicht ein paar Lampen oder so was. Aber dann waren das von 3.000 Euro, was wir geplant haben, bis 8.000 Euro. Und das sind so diese 5.000 Euro Unterschied, die wir überhaupt nicht geplant haben.
Ja, genau, das ist ja eigentlich alles im Businessplan eingeplant gewesen bei uns, was wir auch der Bank vorlegen mussten. Und wenn dann da noch irgendwie unvorhergesehene Kosten hinzukommen, das ist natürlich dann schwierig, und damit haben wir nicht gerechnet in dem Bereich.
Was würden Sie mit dem Wissen von heute anders machen?
Also ich würde sagen: Kontakte nutzen. Also vielleicht … wäre ja ideal, wenn man vielleicht Freunde oder Bekannte hat oder vielleicht, wenn man plant, ein Café aufzumachen, und ein nettes Café nebenan hat, wo man immer hingeht und Kaffee trinkt, vielleicht mal mit denen in Kontakt treten und mal nach deren Erfahrungen fragen, was man (tun kann) … oder Tipps einholen und Ratschläge. Vielleicht kennen die auch schon gute Handwerker, die das für die gemacht haben. Also ich denke, das wäre ein großer Pluspunkt, dass man da dann mal irgendwie sich erkundigt und Ratschläge einholt.
Waren Sie trotz der Hürden beim Umbau der Location immer optimistisch oder haben Sie auch mal daran gedacht, aufzugeben?
Ja, also zeitweise haben wir wirklich gedacht, wir schmeißen jetzt alles hin. Weil unsere Fläche ist auch nicht riesig, muss man sagen. Und wir hatten den Bereich, wo die barrierefreie Toilette jetzt ist, ganz anders geplant. Wir hatten gedacht, dass wir schon eine größere Küche da reinplanen und einen größeren Tresen. Das mussten wir alles verwerfen. Und, ja, der Tresen wurde viel, viel kleiner, die Küche wurde viel, viel kleiner – alles für die barrierefreie Toilette. Und wir haben eigentlich zeitweise gedacht, so wird das nix mehr. Wir können niemals dieses Konzept, was wir uns für diese Fläche eigentlich gedacht haben, so erbringen. Und das war schon, ja, schwierig an diesem Punkt, muss ich sagen. Also ich war echt kurz davor, alles hinzuschmeißen.
Stichwort Finanzierung: Wie sind Sie denn vorgegangen, ehe Sie Ihr Café eröffnen konnten?
Ja, ich habe ich glaube so vor fünf Jahren angefangen mit dem Plan, (also) den Businessplan zu schreiben, und, ja, immer nebenbei so geguckt: Okay, ja, was kostet eine neue Kaffeemaschine? Was kostet eine neue Mühle? Kühlschränke? Und ich hatte eigentlich die ganze Finanzierung und Businessplan geschrieben, alles auf Englisch. Das war auch ein Akt, dass wir das umstellen mussten auf Deutsch. Aber ja, wir haben uns zusammen hingesetzt, und ein Freund hat uns geholfen ...
Ja, unser Freund hat halt selber schon sehr viel Erfahrungen gesammelt, weil er eben selber auch gegründet hat, und hatte da einfach viele Tipps und Ratschläge, wie wir uns vor einer Bank präsentieren können, hat uns den Finanzierungsplan erklärt und hat mit uns zusammen den Liquiditätsplan erstellt. Das haben wir auf jeden Fall ganz gut gewuppt. Genau, aber dieses Thema Finanzierung und diese Liquiditätspläne, das war schon ein bisschen komplizierter, sage ich mal, und wir mussten natürlich halt dann auch vor der Bank Ahnung davon haben, was wir da präsentieren.
Ja, wenn die so eine Frage stellen: »Okay, was bedeutet die, die und die Summe?«, dann musst du, ja, confident beantworten, dass es nicht wirkt, als ob du gar keine Ahnung hast, ne? Das wäre eine Katastrophe für uns.
Jetzt sind Sie auch nicht unbedingt immer auf Gegenliebe gestoßen mit Ihrem Café-Konzept. Wie ist denn die Ausgangslage für Gastronomen aus Ihrer Sicht allgemein, wenn sie bei Banken vorsprechen?
Ja, wie soll man das gut ausdrücken? Sehr abhängig (davon), wer da vor einem sitzt. Also wir haben uns vorab nicht nur bei einer Bank beworben, sondern wir haben uns bei zwei Banken beworben und, ja …
Drei.
Drei sogar.
Ja, drei Banken.
Also, als wir dieses Gespräch hatten, war es sehr schwierig. Ja, der eine war total begeistert, da er selber irgendwie in seinem Freundeskreis jemanden hat, der einfach so ein Konzept, so ein ähnliches Konzept entwickelt hat und auch eröffnet hat. Und der andere sitzt da und fragt, ja, schwierige Fragen und kann sich das so gar nicht vorstellen. Und wir haben ein australisches Konzept. Wir haben eine andere Frühstückskultur vorgestellt und haben natürlich damit, ja, unsere Bankberater und -beraterinnen halt konfrontiert. Und dann hat einer natürlich gefragt: »Okay, warum machen Sie denn nicht ein deutsches Frühstück mit Brötchen, Käse, Wurst?« Das ist natürlich komplett anders als bei uns. Und, ja, zumal wurde dann auch der Standort kritisiert, und es war schwierig manchmal.
Wie haben Sie es denn am Ende dann geschafft, eine Bank zu überzeugen und einen Kredit zu bekommen?
Also wir hatten natürlich dann nicht nur … man hat sich ja dann auch verschiedene Finanzierungsmodelle angeguckt. Da waren wir natürlich auch noch ein bisschen unwissend. Also zum Beispiel wusste ich durch meinen Studienkredit, den ich halt damals auch mal beantragt hatte, dass es auch zum Beispiel von der KfW generell viele Finanzierungsmodelle gibt. Das war so das Einzige, was ich persönlich kannte. Und wir haben zusammen mit unseren Bankberatern geschaut, die sich dann natürlich auch für uns entschieden haben. Wir haben einfach sehr viel Glück gehabt, muss man einfach sagen, weil unser Bankberater, den wir da hatten bei der Bank, hat sich sehr für uns eingesetzt. Ich denke, auch unsere Erfahrung hat da eine Rolle gespielt, die ja auch wirklich groß ist. Und wir waren schon eigentlich sehr gut in dem, wenn uns Fragen gestellt wurden, dass wir halt sehr gut antworten konnten, auch bezüglich unseres Liquiditätsplans. Genau, dann haben wir zusammen geschaut, welche Finanzierung für uns passt. Und haben dann alles Weitere besprochen. Es war natürlich alles auch sehr risikoreich, weil wir auch schon die Ladenfläche hatten und dann noch auf die Finanzierung gewartet haben. Und da hatten wir schon sehr viel Druck und sehr viel Angst, ob das jetzt überhaupt durchgeht mit unserer Finanzierung.
Ja, wie haben Sie diese Zeit denn erlebt, in der Sie auf die Finanzierungszusage gewartet haben?
Turbulent – auf jeden Fall! Es war einfach sehr viel Druck, muss man sagen. So, so viel Druck! Und zwischendurch, ja, wie gesagt, war oft der Punkt da: Was machen wir hier eigentlich? Ist es das Richtige? Haben wir uns das gut überlegt? Also, es kommen natürlich immer wieder Zweifel auf. Man muss da echt versuchen, ruhig zu bleiben und bei sich zu bleiben und an sich zu glauben. Man bekommt halt als allererstes erst mal diese Ladenfläche. Und dann muss man natürlich schauen: Okay, jetzt muss ich mich um die Finanzierung kümmern. Und dann musste man sich aber schon um diese Ladenfläche kümmern, mit den Handwerkern, mit den Bauarbeiten. Die wollen natürlich alle ihr Geld sehen, was wir noch nicht hatten, und … ja, schwierig. Dann sollten wir zum Beispiel auch eine Maklerprovision schon zahlen im Wert von 5.000 Euro, wo wir noch nicht mal den Kredit hatten. Derjenige möchte ja auch sein Geld sehen. Und ich muss sagen, es war ein sehr großer Vorteil, weil wir zu zweit waren. Und ich glaube, alleine ist das schon schwieriger.
Das ist ein gutes Stichwort. Wenn man beruflich und privat ein Paar ist, wird das dann irgendwann zur Belastung – insbesondere in so einer Krise?
Wir machen das gegenseitig. Ich glaube, das hilft. Wir wohnen zusammen, wir arbeiten zusammen, wir haben ein Business zusammen. Ich weiß, wenn irgendetwas schwierig ist: Marie ist hinter mir – und ich könnte das auch für sie sagen. Und wir wissen: Okay, ja, wir können das immer zusammen schaffen.
Ja, wir sind ein sehr, sehr gutes Team, muss man sagen. Aber natürlich ist nicht immer alles schön, ne? Also, es ist auch bei uns … kommen wir einfach mal an Punkte, wo wir uns streiten. Das ist völlig normal. Aber wir wissen auch: Das, was wir machen, das könnte nicht jeder. Nicht jeder kann mit seinem Partner arbeiten, wohnen und sich nonstop sehen. Also das ist schon … das wissen wir, dass es schon was Besonderes ist, dass wir das zusammen können. Aber klar, wie gesagt, auch wir streiten uns mal, und das ist manchmal sehr schwierig – zum Beispiel in unserem Laden, weil wir eine sehr offene Fläche haben. Wir haben keinen abgetrennten Tresenbereich. Und wenn man sich dann mal streitet, dann ist es natürlich schwierig, aber ... ja.
Wie haben Sie denn Ihre Lieferanten gefunden? Da müssen ja auch Qualität und Kosten stimmen. Gab es da Probleme?
Hm, viele Lieferanten haben zu uns nicht geliefert, weil wir die Mindestbestellmenge nicht erreicht haben. Weil wir nicht so viel Lagerplatz haben, muss man auch sagen, weil wir einfach so klein sind. Und bei manchen Lieferanten muss man einen Mindestbestellwert von 500 Euro haben. Das wäre eigentlich kein Problem gewesen. Aber wir haben nicht genug Lagerplatz gehabt. Deswegen mussten wir teilweise selber immer noch – was wir immer noch machen – selber einkaufen.
Sie haben ja von Anfang an auch an einen Lieferservice gedacht, und in der Corona-Zeit wurde der dann sogar notwendig, sogar überlebensnotwendig. Aber so einen Lieferservice umzusetzen war nicht so leicht. Welche Schwierigkeiten gab es?
Also wir haben erst mal am Anfang überlegt: Okay, wie machen wir das? Arbeiten wir mit jemandem zusammen oder machen wir das selber? Wenn wir mit jemandem zusammenarbeiten, muss man natürlich auch wieder gewisse Abgaben an denjenigen leisten. 30 Prozent muss man dann abgeben, das ist schon eine Menge. Also entweder müssten wir das obendrauf schlagen – was die Gäste oder Kunden dann halt zahlen müssten, was für uns nicht infrage kam. Oder von uns würde was weggehen. Und deswegen haben wir das versucht dann einfach selber zu starten. Dann haben wir uns auch überlegt: Okay, wie sollen die Leute denn bestellen? Weil wir können nicht extra jetzt eine Website bauen dafür. Das sind auch wieder Kosten. Dann haben wir überlegt: Okay, dann einfach irgendwie anrufen oder per E-Mail. Und so sollten die Leute natürlich idealerweise einen Tag vorher bestellen, per E-Mail. Ja, ich setze mich dann jeden Abend da dran, beantworte jede E-Mail persönlich – das ist super, super viel Aufwand – und muss dann halt abends immer die Routen noch planen. Also wie lange brauche ich dahin? Wie lange dauert das insgesamt? Also das ist sehr, sehr viel zeitlicher Aufwand und sehr viel Logistikkram, was dahintersteckt.
Und werden Sie diesen Lieferservice beibehalten?
Ja, das ist halt so das Thema. Darüber haben wir schon sehr viel diskutiert. Also es wäre natürlich super, den nebenbei weiterzuführen. Natürlich ist es ein super Umsatz, der da zusätzlich noch generiert wird. Aber man muss halt sagen, dann muss man natürlich alle anderen Faktoren wieder sehen. Man bräuchte mehr Personal. Es ist halt natürlich immer noch wieder dieser zeitliche Aufwand, den man da hat, dass man das alles selber beantworten muss, muss ich dafür vielleicht jemanden extra irgendwie einstellen, der das dann irgendwann macht, wenn ich das nicht mehr kann, wenn der Laden wieder normal läuft. Also da sind so viele Sachen verbunden. Wir sind da schon am Diskutieren und finden die Idee auf jeden Fall … also wir verwerfen die nicht. Es ist echt eigentlich eine super Sache. Aber es ist halt mit sehr vielen Aspekten verbunden, die man noch irgendwie klären muss und für die man da irgendwie Lösungen finden muss.
Wir fragen in »Ungeschönt« auch immer Glaubenssätze ab, die unsere Gründerinnen und Gründer leiten, sozusagen ihr »Business Mantra«. Oft sind das auch genau die Lehren, die sie aus ihren Erfahrungen gezogen haben. Da bin ich jetzt gespannt auf Ihre Antworten.
Was ist die wichtigste Eigenschaft von Unternehmerinnen und Unternehmern, die in der Gastro-Branche gründen wollen?
Ja, also es gibt da eigentlich viele Eigenschaften, die ein Unternehmer oder eine Unternehmerin mitbringen muss. Aber so die Kerndinge sind eigentlich: Durchhaltevermögen haben, Durchhaltevermögen und Geduld, sich nicht unterkriegen zu lassen. Dann finde ich auch: Kreativität.
Und selbstbewusst. Wenn du nicht selbstbewusst bist und Angst hast, zu viel Angst, dass das nicht funktionieren wird – das wird nicht funktionieren. Selbstbewusst, glaube ich, ist das Größte für mich.
Welche drei bis vier Dinge sollten Gründerinnen und Gründer Ihrer Meinung nach immer beachten, ehe sie gründen?
Also wichtig ist natürlich, sich vorher wirklich gute Ratschläge und Tipps einzuholen, vielleicht noch von anderen Gründern. Sich wirklich erkundigen – was wir vielleicht teilweise noch ein bisschen mehr hätten machen müssen –: Was kommt da auf mich zu? Was braucht meine Fläche, wie zum Beispiel eine Nutzungsänderungsgenehmigung oder andere Dinge? Was sind das für Extrakosten? Dann auch auf jeden Fall schlaumachen über verschiedene Finanzierungspläne oder auch dementsprechend viele Banken anschreiben – also nicht nur eine – und dann auch nicht gleich bei einer Absage irgendwie alles über Bord werfen, sondern unbedingt mehrere Banken einholen, da die Bankberater oder -beraterinnen einfach so unterschiedlich entscheiden, ja.
Handwerkerangebote – nicht immer das erste! Weil da gibt es immer bessere Angebote oder Handwerker mit mehr Erfahrung. Und immer neue Angebote holen! Das ist auch, was richtig wichtig ist.
Also, was ganz, ganz wichtig ist, woraus wir sehr sehr gelernt haben: Bloß nicht auf mündliche Zusagen verlassen! Alles muss man sich schriftlich geben lassen. Das haben wir im Laufe der Zeit dann auch gemacht. Aber viel zu spät, leider, mit manchen Dingen … Also egal, was es ist, auch wenn diejenigen sagen – was wir auch … ja, unsere Erfahrungen mit gemacht haben –, dass eine mündliche Aussage reichen würde, habe ich Nein gesagt. Ich brauche das alles schriftlich, weil, ja, man kann sich darauf nicht verlassen. Wenn dann irgendeine andere Behörde kommt und irgendetwas sehen möchte, dann hat man nichts in der Hand. Also das ist ganz ganz wichtig.
Vielen, vielen Dank! Ja, vervollständigen Sie uns doch bitte noch ganz kurz und knapp und ohne groß nachzudenken die folgenden Sätze: Wenn wir noch einmal ein Café eröffnen, achten wie als allererstes auf …
(lacht) Was benötigt diese Ladenfläche? Ist es wieder irgendeine Nutzungsänderungsgenehmigung? Welche Ämter brauche ich dafür? Dementsprechend: Wie viel Geld muss ich dafür einplanen?
Das Beste am australischen Frühstück ist …?
Avocado mit pochierten Eiern und Feta.
Okay, das kam wie aus der Pistole geschossen. Wir wollen Kaffee unbedingt selber rösten, weil …?
Selber rösten, weil da sind so verschiedene Arten von Kaffee und Geschmäckern.
Na ja, es ist günstiger. Man kann sehr viel mehr überblicken. Man hat einen viel größeren Einblick: Wo kommt der Kaffee her? Unter welchen Bedingungen wurde er angebaut? Wird er transportiert? Also man hat viel, viel, viel mehr Einfluss, als wenn man einfach irgendeinen Kaffee mit in sein Sortiment nimmt, was nicht der eigene ist. Und natürlich ist es auch irgendwie schöner, sagen zu können, dass es der eigene ist.
Herr Garrett: Typisch deutsch ist für mich als Australier …?
Wurst und Käse!
(lacht) Wirklich?
Also genau das, was es bei Ihnen nicht gibt. Frau Kotte: Besonders liebenswert an Tristan als Australier ist …?
Seine Gelassenheit. Also, ja, ich bin manchmal so ein kleiner Wirbelwind, sehr oft chaotisch. Und er bringt mich eigentlich immer wieder runter und ist super entspannt. Und das ist eigentlich auch so ganz typisch australisch, dass sie ein bisschen mehr Gelassenheit mitbringen. Und das ist wirklich toll! Also … ja.
Welches Gericht muss unbedingt noch auf unsere Karte?
Bacon!
(lacht) Nur Bacon? Mit was denn?
Bacon ist ein Gericht?
Ah, sorry! Bacon mit pochierten Eiern. Das ist auch ein richtig typisch australisches Gericht mit Hollandaise-Soße.
Also großartig! Ich sehe schon, in Sachen australisches Frühstück kann ich noch einiges dazulernen. Hunger habe ich jetzt auch bekommen. Vielen Dank an Sie beide, Frau Kotte und Herr Garrett! Und natürlich viel Erfolg mit Ihrem Marshall Street Coffee in Hamburg!
Ja, vielen Dank Ihnen!
Dankeschön! Danke!
Auch in der kommenden Folge geht es um gutes und gesundes Essen, vor allem aber um einwandfreie Qualität. Die Gründer der Keimster GmbH keimen Getreide an, um es gesünder zu machen, und verarbeiten es zu Müsli, Nudeln oder Mehl. Qualitativ, hygienisch, finanziell und durchaus auch als Geschäftsmodell eine Herausforderung! Wie die beiden Gründer ihre Startschwierigkeiten überwanden, erfahren Sie bei »Ungeschönt« in der gewohnten Offenheit. Bis zum nächsten Mal!
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