Lebensmittel neu gedacht

Shownotes

Milena Glimbovski, Zero-Waste-Ikone und Gründerin von „Original Unverpackt“, und Sebastian Däuwel, Quereinsteiger ins Backhandwerk und Gründer von „Die Brotpuristen“, haben einiges gemeinsam: Beide bieten ursprüngliche und nachhaltige Produkte an, bringen eine Menge Idealismus mit und haben private Schicksalsschläge durchgemacht, die sie beim Gründen und Führen ihrer Unternehmen zurückgeworfen haben. Beide sind heute wieder erfolgreich. Wie sie das geschafft haben und aus ihren Krisen sogar noch gestärkt hervorgegangen sind, verraten sie gemeinsam in dieser Spezialfolge von „Ungeschönt“.

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Die Brotpuristen

Original Unverpackt

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KfW Podcast „Ungeschönt“

Lebensmittel neu gedacht

Die Brotpuristen + Original Unverpackt

Transkript

Wir haben den Laden eröffnet im September, im Dezember habe ich das halbe Team entlassen, zwei, drei Wochen später ist meine Mitgründerin ausgewandert, und alles ging gefühlt damals den Bach runter.

Ich war mal bei so einer Medienagentur auf so einem Sommer-Grillfest. Und da hat einer zu mir gesagt: Du fragst die falschen Leute! Ja also, du musst dich mit anderen Leuten über das Thema unterhalten, die selbst gegründet haben.

Ich kenne niemanden, der einfach was gestartet hatte und ohne Probleme zum Erfolg führte. Das funktioniert so nicht. Und sich rechtzeitig Unterstützung zu holen, ist das A und O.

Die vergangene Folge von „Ungeschönt“ stand ganz im Zeichen von Female Empowerment und Nachhaltigkeit. Nachhaltiger Konsum steht auch im Fokus der zwei Unternehmen, um die es in dieser Episode geht. Ein Gründer und eine Gründerin berichten von ihren Rückschlägen in der Lebensmittel- und Einzelhandelsbranche. Herzlich willkommen zu „Ungeschönt“ sagt Holger Thurm!

Ja, ich freue mich, dass ich heute eine Unternehmerin und einen Unternehmer begrüßen darf, die sich beide mit Nachhaltigkeit und nachhaltigen Produkten befassen. Ich würde sagen, beide sind Idealisten und beide sind auf ihre Art auch Puristen. Milena Glimbovski, Gründerin von „Original Unverpackt“ in Berlin, dem weltweit ersten verpackungsfreien Supermarkt. Heute sind Sie weithin bekanntes Vorbild der Zero-Waste-Bewegung, Keynote-Speakerin und außerdem Verlagsgründerin. Und Sebastian Däuwel von den „Brotpuristen“ in Speyer, Unternehmer und Bäcker aus Leidenschaft. Und wie der Name „Brotpuristen“ schon aussagt, lassen Sie alles weg, was heutzutage so in Brot gemischt wird, und reduzieren die Zutaten wirklich auf das Wesentliche, was traditionell in ein Brot gehört. Hallo und herzlich willkommen bei „Ungeschönt“!

Hallo!

Hallo! Ja, vielen Dank für die Einladung!

Ja, ich habe jetzt ein paar Parallelen zwischen Ihnen gezogen. Aber natürlich sind „Original Unverpackt“ und „Die Brotpuristen“ zwei Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Angeboten. Und damit wir da ein besseres Bild haben, stellen wir zu Beginn erst mal beide Unternehmen kurz vor.

Weniger ist mehr. Dieses Motto gilt für die Bäckerei „Die Brotpuristen“ in Speyer genauso wie für den ersten Zero-Waste-Supermarkt, „Original Unverpackt“ in Berlin. „Die Brotpuristen“ verzichten auf sämtliche industrielle Zutaten und backen Brot wie zu Urgroßelterns Zeiten: In ihre handgemachten Brotlaibe kommt nichts außer der selbst angesetzte Sauerteig, Mehl und Salz. Gründer Sebastian Däuwel ist eigentlich Betriebswirt. Als Quereinsteiger machte er sein Hobby zum Beruf und gründete „Die Brotpuristen“. Verkauft werden Brote und Baguettes – und das nur nachmittags. Gebacken wird vormittags. So gibt es keine Nachtschichten. Und das Brot kommt immer frisch aus dem Ofen.

„Original Unverpackt“ bietet ökologisch und fair produzierte Produkte an und lässt das Unwesentliche weg: die Verpackung. Die Kundschaft bringt Füllbehälter mit. Diese werden vorab gewogen, und dann wird plastik- und verpackungsfrei eingekauft. Gründerin Milena Glimbovski eröffnete den Zero-Waste-Supermarkt während ihres Studiums. Zwei Jahre nach der Gründung kam ein Onlineshop dazu, vergangenes Jahr ein Lieferservice. „Original Unverpackt“ trat eine Welle für nachhaltigen Konsum los und wurde zum Vorbild vieler weiterer Unverpackt-Läden. Milena Glimbovski gründete außerdem den Verlag „Ein Guter Verlag“ und hält Vorträge und Onlinekurse zu Nachhaltigkeit, Zero Waste und Gründen.

Herr Däuwel, Sie waren ja zur Zeit Ihrer Gründung in einer sicheren Führungsposition festangestellt im Controlling eines Energieversorgers. Und Frau Glimbovski, Sie waren in Ihren Zwanzigerjahren – also die Zeit, in der Menschen gemeinhin ja erst mal Berufserfahrung sammeln. Was war denn überhaupt Ihrer beider Motivation zum Gründen?

Was mich damals zur Gründung bewogen hat, war … Ich war ehrlicherweise im Studium und hatte das erste Mal Zeit in meinem Leben. Ich habe vorher eine Ausbildung gemacht zur Mediengestalterin, hatte eine 40-Stunden-Woche und mehr. Und dachte: Geil, endlich mal Zeit, diese eine Idee, die mich schon ein bisschen länger hat, zu realisieren oder mal durchzudenken. Ich habe einen Businessplan geschrieben, und so kam ich wie die Jungfrau zum Kinde. Und plötzlich hatte ich da ein Unternehmen mit Mitarbeitenden und eine Vision und eine Idee, die ich da umgesetzt hatte. Und es war alles sehr aufregend und sehr toll. Aber … es hat mich so ein bisschen überrannt, muss ich sagen.

Ja, bei mir war das ein Stück weit ähnlich. Also ich bin da auch irgendwie so ein bisschen reingestolpert, reingerutscht. Und die letzten fünf Jahre sind auch wirklich wie im Flug vorbeigegangen. Bei mir hat alles damit angefangen, dass ich 2012 mein erstes Sauerteigbrot gebacken habe zu Hause mit meinem selbst gezüchteten Sauerteig. Und der Duft war so was Besonderes. Es hat mich direkt in den ganz besonderen Bann gezogen, dieses Brotbacken; der Brotvirus war auf einmal in mir und hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Und ja, zwei, drei Jahre später, 2015, habe ich dann meinen Job gekündigt, um mich selbstständig zu machen als Quereinsteiger mit einer eigenen kleinen Bäckerei. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass sich das mal so entwickelt. Es war ein Hobby gewesen, wo ich einfach Lust hatte, gutes Brot zu backen. Das war so der Ursprung. Ich hatte auch damals, 2012, natürlich noch lange nicht daran gedacht, mich mal selbstständig zu machen, denn ich hatte ja einen Job beim Energieversorger, war angestellt. Und es war wirklich nur mein Hobby. Irgendwie kam dann aber eins zum anderen und die Leidenschaft wurde immer größer und immer größer. Und 2015 war es so weit, dass ich gesagt habe: Wenn nicht jetzt, wann dann? Will ich jetzt noch bis zum Renteneintritt im Büro sitzen vor Excel-Tabellen? Oder will ich jetzt mal noch was Anständiges machen?

Frau Glimbovski, bei Ihnen war das ja jetzt nicht unbedingt ein Hobby, einen Unverpackt-Laden zu gründen. Wie kamen Sie auf die Idee?

Es war aber auch eine Leidenschaft, das haben Herr Däuwel und ich dann doch gemein, nämlich die Leidenschaft zum nachhaltigen Leben. Ich war schon immer ein kleiner Öko und habe das immer versucht, in meinen Lebensalltag mit einzubringen, habe wenig gebadet, hab geduscht, bin sehr, sehr selten geflogen und später gar nicht mehr. Und der Müll, das war das Einzige, woran ich aber damals nichts ändern konnte und war damals auch noch auf einziger Spur. Also im Supermarkt gab es keine Alternativen. Das war halt eben alles vor der Unverpackt-Revolution. Genau, und da ich keine Alternative hatte, habe ich sie mir halt versucht, selber zu machen, und dann auf dem Weg festgestellt: Mensch, ich bin ja nicht alleine! Da gibt es ja schon viele Leute, die keinen Bock mehr haben auf diesen Verpackungsmüll. Ja, und heute gibt es über 200 Unverpackt-Läden bundesweit. Das sind nicht meine Läden, aber es sind Läden von ähnlichen Gründerinnen und Gründern wie ich mit ähnlicher Vision.

Ja, über diese Zero-Waste-Bewegung wollen wir natürlich auch reden, aber Sie sind beide – das wurde ja schon deutlich – im Grunde genommen Quereinsteiger in Ihren Branchen. Also sowohl eine Bäckerei als auch einen Unverpackt-Supermarkt zu führen mit wenigen Vorkenntnissen, wie schwer ist das oder waren Sie schon so gut informiert? Wussten Sie schon alles, was Sie wissen mussten?

Das ist tatsächlich … Ich bin ja auch Quereinsteigerin, und ich habe … ich habe das gemacht, was ich früher immer gemacht habe: Ich bin erst mal in die Bücherei gegangen und habe geguckt: Was gibt’s eigentlich zum Thema Lebensmitteleinzelhandel? Das, wovon ich gar keine Ahnung hatte. Und habe Bücher gefunden, bin in die Buchhandlung gegangen, habe noch einmal Bücher gefunden, habe mir die Lehrbücher geholt, die sonst Menschen erhalten, wenn sie eine Ausbildung machen, und habe mich wirklich Stück für Stück reingefuchst, habe ein Praktikum gemacht. Habe dann angefangen, bei Veganz, einer veganen Supermarktkette, zu arbeiten im Marketing. Und als ich dann das Gefühl hatte, okay, jetzt habe ich so die Basics verstanden, was natürlich nicht annähernd die Basics waren … Ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung. Und als ich merkte … ich habe … erst später hab ich gemerkt, dass ich immer noch gar keine Ahnung hatte, was ich tat. Nämlich als wir dann irgendwann einen Filialleiter mit Erfahrung eingestellt hatten, merkte ich: Okay, krass, ich habe solche Sachen, die ganz banal sind, wie zum Beispiel wöchentlich die Obst- und Gemüsepreise zu checken und die Preise gegebenenfalls anzupassen, nicht gemacht. Wir hatten einfach wochenlang oder vielleicht sogar monatelang die gleichen Preise für das Obst und Gemüse. Also kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass das passieren kann. Aber ja: viele, viele Fehler, habe viele teure Fehler gemacht, die man so als Quereinsteiger macht. Herr Däuwel, ging es Ihnen auch so mit Quereinsteiger-Fehlern, die nicht ganz so billig waren?

Also bei mir war es – ich will nicht sagen noch krasser. Aber es war so, dass ich lange Zeit in dem Glauben war, ich darf gar keine Bäckerei eröffnen. Also das war wirklich ein glücklicher Zufall, dass ich überhaupt dazu gekommen bin, die Bäckerei zu gründen. Denn ich war mal auf so einer Existenzgründermesse und bin dann zum Stand der Handwerkskammer und habe von meinem Vorhaben erzählt und habe gesagt: Ach, ich würde gern ein bisschen Brot verkaufen und so. Und da wurde mir damals gesagt: Nein, du musst einen Meister einstellen oder selbst ein Bäckermeister sein. Und auch auf meine Frage, ob dann der Bäckermeister als Minijobber arbeiten kann, wurde mir gesagt: Nein, er muss mindestens 20 Stunden die Woche arbeiten. Und da war für mich die Idee erst mal gestorben. So. Bis ich dann zufällig erfahren habe, dass es doch die Möglichkeit gibt, einen Quereinstieg hinzubekommen im Handwerk, im Bäckerhandwerk. Es gibt Ausnahmeregelungen. In der Handwerksordnung steht das sogar drin. Das heißt – das war in der Tat sehr witzig –, die Angestellten der Handwerkskammer wussten selbst nicht über ihre Gesetze Bescheid. Und dann bin ich eben noch mal zur Handwerkskammer und habe sie mit diesen Gesetzen konfrontiert und habe gesagt: Hier, Paragraf 7, Paragraf 8 steht das doch drin, dass es eine Möglichkeit gibt. Und erst dann ist langsam der Stein ins Rollen gekommen, und ich war dann sehr hartnäckig. Aber ich habe dann auch auf einmal so eine Vision gehabt: Oh, es könnte ja doch klappen! Auf einmal habe ich dann wieder diese Kraft bekommen, daran weiterzuarbeiten. Und dann hat es zum Glück auch geklappt. Und ich habe dann ja die Ausnahmegenehmigung bekommen und durfte dann als Quereinsteiger, der das Handwerk nie gelernt hat, trotzdem gewerblich Brot verkaufen. Das war natürlich genial! Aber ja, rückblickend war da ein bisschen Glück auch dabei, dass ich diese Info überhaupt bekommen habe.

Also war sozusagen die Motivation wiederhergestellt, nachdem Sie das erfahren hatten. Gab es dann aber auch demotivierende Momente rund ums Gründen, also Ängste, dass man das Ganze vielleicht nicht schaffen würde? Oder Stimmen, die sagen: „Na, lass das mal lieber! Bleib mal in Deinem Job!“

Ja klar! Also ich meine, es ist leider so: Ich habe schon die Wahrnehmung, dass Deutschland immer noch kein gründerfreundliches Land ist, leider! Und jetzt war es bei mir ja so: Ich war damals angestellt beim Energieversorger – ein Unternehmen, das gibt es schon seit über hundert Jahren. Du bist da jeden Tag im Büro und hast dann halt auch mit anderen Angestellten zu tun. Und auch da, wenn man jemandem von der Idee erzählt, man will sein Hobby zum Beruf machen, ist es jetzt nicht unbedingt so, dass dann alle kommen und sagen: Oh geil, super Idee, ja, mach mal! Sondern man wird eher so ein bisschen kritisch beäugt. Wie hast du das genau vorgestellt? Ja, und guck mal, überall schließen doch Bäckereien. Und wie soll das denn funktionieren? Aber nicht nur auf der Arbeit, auch in meiner Tennismannschaft kamen ganz viele, die gesagt haben: Oh, hast du dir das gut überlegt? Willst du das wirklich machen? Also das demotiviert einen dann schon, muss man schon auch sagen. Aber ich habe ein Schlüsselerlebnis gehabt: Ich war mal bei so einer Medienagentur auf so einem Sommer-Grillfest. Und da waren ganz viele Kreativköpfe. Und da hat einer zu mir gesagt, das war 2015 im Sommer: Sebastian, du fragst die falschen Leute! Ja also, du musst dich mit anderen Leuten über das Thema unterhalten, die selbst gegründet haben, die selbst sich selbstständig gemacht haben. Und das war für mich auch so ein erhellendes Erlebnis. Und von da an habe ich dann auch mal andere Leute gefragt und nicht eben die Angestellten, Tenniskollegen, die das nicht verstehen. Und ja, ich habe mich auch mal mit Selbstständigen und Kreativmenschen, nenne ich es jetzt mal, unterhalten. Und die haben meine Idee sofort verstanden. Ja klar, macht doch Sinn, super! Wenn du da Bock drauf hast, klar, mach doch! Und das hat mich dann auch wieder motiviert. Also die letzten Jahre waren immer geprägt von Höhen und Tiefen. Das ist einfach so, und man muss dann einfach an sich selbst und an die Idee glauben, das habe ich jetzt verstanden, und muss einfach eine große Portion Selbstvertrauen haben. Und dann wird es auch gut!

Ja, ich kann dem nur zustimmen. Also es hilft, ein Netzwerk von Menschen um sich herum zu haben, das einen motiviert. Aber es hilft auch vor allem zu sehen, dass man nicht alleine ist – wie mit den Schwierigkeiten, die man so hat, so ein bisschen wie es auch darum geht, welche Herausforderungen man hat. So geht’s ja allen Unternehmern. Ich kenne niemanden, der einfach was gestartet hatte und ohne Probleme zum Erfolg führte. Das funktioniert so nicht. Und wenn man dann mal ehrlich ist und lernt, darüber zu sprechen, kommen ganz spannende Geschichten bei rum. Und man lernt aus diesen Geschichten, und man merkt einfach, man ist nicht alleine in diesem Struggle. Es gibt einen ganz tolles Buch, das ist eines meiner Lieblingsbücher von Ben Horowitz. Das heißt „The Hard Thing About Hard Things“. Und das war das erste Buch, wo es darum ging: Was sind eigentlich die harten Sachen? Wo sind die Probleme? Und wie geht man damit um? Und ich habe das damals sehr oft gelesen, mehrfach bestimmte Kapitel auch, als ich immer schwierigere Zeiten hatte, weil ich mir jedes Mal was daraus rausziehen konnte. Das war wie meine Bibel. Aber eigentlich wollte ich sagen: mit Leuten um sich herum. Ich habe auch meine Leute um mich herum.

Ich wollte gerade fragen, welche Leute sind das denn, die Ihnen beim Gründen geholfen haben? Beziehungsweise auf wessen Hilfe würden Sie künftig eher verzichten?

Was mir geholfen hat beim Gründen, war einerseits das Social Impact Lab, da war ich in einem Accelerator. Aber später … Ich finde, zum Gründen gibt es eigentlich gerade in Berlin total viele Anlaufstellen. Man weiß gar nicht, wo man als Erstes hingehen soll. Ich finde aber, wenn man den zweiten Schritt gehen will, des Wachsens: Das Wachstum ist schwierig, das Skalieren ist schwierig. Da gibt es eher weniger Anlaufstellen. Und mir hat es geholfen … Ich war damals im Accelerator von der Entrepreneurs’ Organization und wurde später auch volles Mitglied. Und dieser Austausch mit den anderen Unternehmer*innen in meinem Forum, der einmal im Monat regelmäßig stattfindet, auf einer sehr vertraulichen Ebene, wo wir über die guten, aber halt auch die schlechten Dinge sprechen, das ist meine Therapie. Das ist so eine Unternehmer-Therapiegruppe für mich geworden. Und ich lerne unglaublich viel, und das ist mit das Wertvollste, was ich eigentlich tue für meine eigene Entwicklung und insofern auch für meine Firma.

Ja, über die harten Dinge wollen wir genau auch in dieser Podcast-Serie „Ungeschönt“ sprechen. Wie ist das in Speyer mit den Angeboten an Netzwerken oder Gründerinnen- und Gründerforen?

Gibt’s auch, ja, aber man muss natürlich auch eins sagen: Bäckerei ist schon noch mal ein bisschen was anderes. Das ist jetzt nicht das typische Start-up-Business. Und dann kommt hinzu: Das, was ich gemacht habe, das gibt’s super selten. Also entweder gibt’s einen Nachfolger, einen familiären, also der Sohn oder die Tochter von einer bestehenden Bäckerei. Oder, ja, es gibt irgendwelche Großbäckereien. Aber dass jetzt eine Bäckerei wirklich gegründet wird auf der Wiese, noch dazu von einem Quereinsteiger, da gab’s nur ganz wenig Anlaufstellen, wo ich mich mal austauschen konnte, weil die Probleme, die ich am Anfang hatte, waren weniger die digital Themen, sondern wirklich ganz handfest die Dinge: Was muss jetzt für ein Kamin in den Ofenraum? Was heißt das überhaupt? Da tat ich mich schon auch schwer, muss ich sagen.

Und wer hat dann geholfen? Also wen konnten Sie dann fragen?

Ich versuche überall anzurufen. Ich versuche einfach, ja, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ich recherchiere viel, ich besorge mir dann Unterlagen. Ich versuche, es selbst zu verstehen, aber ich habe auch mit anderen Bäckern gesprochen. Aber als Quereinsteiger hat man ja auch nicht so viele Kontakte, also es war schon mühselig. Aber hier und da habe ich dann so meine Mosaiksteinchen zusammensetzen können. Habe dann vieles einfach nach bestem Wissen und Gewissen gemacht und bei manchen Dingen auch Fehler gemacht. Klar, das gehört dazu.

Dann sind Sie ja quasi beide Autodidakten?

Ich würde das für mich auf jeden Fall so sagen. Ich meine, ich habe mir das Brotbacken ja auch weitestgehend selbst beigebracht. Ja, insofern schon. Aber es macht auch Spaß. Also ich bin gerne Autodidakt, weil ich probiere gerne selbst Dinge aus und gucke, was dabei rauskommt, ja.

Ja, da geht’s mir genauso. Ich bin auch Autodidakt, und ich bin sehr neugierig. Und ich glaube, das macht auch eine gute Unternehmerin oder einen guten Unternehmer aus, dieses „sich ständig entwickeln wollen“. Lernen wollen, das gehört dazu.

Am Anfang jeder Gründung steht die Frage der Finanzierung. Wie sind Sie da jeweils vorgegangen? Auf welche Hindernisse sind Sie gestoßen?

Ja, also, ich habe mein Erspartes zusammengekratzt und habe wirklich gebrauchte Maschinen gekauft, habe nicht viel investiert in meinen Laden. Also, der Ladenbau war alles self-made mit Freunden zusammen, weil ich mir nicht darüber im Klaren war, ob es eben funktioniert. Das Konzept war ja auch ein besonderes damals – nur nachmittags geöffnet, keine Brötchen, keine Snacks, kein Kaffee, nur Brot –, dass ich gesagt habe: Ich will auf keinen Fall mich jetzt in eine Abhängigkeit begeben und ein Darlehen aufnehmen. Also das hatte so auch seine Schattenseite, diese Entscheidung, weil ich natürlich dann auf dem Konto immer nur einen Geldabgang hatte, weil mein ganzes erspartes Geld immer weniger wurde. Und die Eröffnung hat sich immer weiter rausgeschoben, und es kam kein Geld mehr rein, sodass der psychische Druck irgendwann auch da war. Also, ich glaube, rückblickend, ja – keine Ahnung, schwer zu sagen –, hätte ich vielleicht doch ein kleines Darlehen aufgenommen.

Später haben Sie aber Darlehen aufgenommen. Warum war das dann nötig?

Genau, da gibt es ja auch echt tolle Angebote, von der KfW natürlich auch. Weil wir umgezogen sind 2018, also wir sind … 2016, ja, haben wir gegründet und 2018 schon umgezogen, relativ früh, weil wir mehr Platz brauchten, weil die Nachfrage nach unserem Brot einfach gestiegen ist. Und da habe ich dann schon ein Darlehen aufgenommen, weil dann standen richtig große Investitionen an. Und ich müsste ja noch sagen: Nach den zwei Jahren war mir klar: Jawohl, es macht Spaß! Jawohl, es funktioniert! Es ist etabliert. Wir haben Stammkunden. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, auch größer zu investieren und langfristig zu planen – mit einem Horizont von mindestens zehn Jahren. Das war ja 2016 ganz, ganz anders: Da war mein Horizont halbes Jahr bis Jahr.

Frau Glimbovski, Sie sind bei „Original Unverpackt“ einen ganz typischen Start-up-Weg gegangen, richtig?

Ach, das würde ich so gar nicht sagen. Auf jeden Fall mit viel weniger Bedacht und viel naiver als Herr Däuwel, muss ich sagen im Nachhinein. Ich sage immer gerne: Der Berg vor der Gründung war so hoch, dass ich die Spitze nicht sah und mich deswegen traute, den Berg zu erklimmen. Ansonsten hätte ich es vielleicht nicht gemacht. Es war wirklich … Einen Einzelhandel zu eröffnen – vor allem einen Lebensmitteleinzelhandel, mit einem neuartigen Konzept –, ist schon an sich riskant, aber es ist auch eine Heidenarbeit. Und wir haben damals ein Crowdfunding gemacht, weil es viral ging – das meinen Sie vielleicht mit „klassisch“, das stimmt. Damals war das gar nicht „klassisch“, damals war es noch etwas Neues. Und wenn man so 10.000 bis 15.000 Euro zusammenbekam, war da schon eine ordentliche Summe. Das war auch unser Ziel tatsächlich. Wir wollten 20.000 Euro zusammenbekommen, das war unser großes Ziel. Damit hätten wir genug Eigenkapital für einen Kredit gehabt. Am Ende bekamen wir diese Summe auch zusammen nach einem Tag und hatten am Ende der Crowdfunding-Kampagne fast 110.000 Euro von über 4.000 Menschen aus ganz Deutschland eingesammelt. Das war damals, zu dem Zeitpunkt, die Kampagne mit den meisten teilnehmenden Unterstützer*innen aus ganz Deutschland. Das war sehr verrückt, sehr überraschend, sehr überwältigend! Wir haben trotzdem einen Kredit aufgenommen, weil das Geld hat auch so nicht gereicht, weil beim Crowdfunding geht ja auch ganz schön viel ab für Dankeschöns. Und wir mussten auch noch ein bisschen mehr haben für die Liquidität der ersten Jahre. Man macht ja nicht irgendwie Plus ab dem ersten Tag. Ich habe ja gar keinen BWL-Hintergrund. Ich bin ja eigentlich Mediengestalterin und habe dann irgendwie Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Aber Excel war noch nie mein Freund, bis ich einen zweistündigen Workshop besucht habe in Berlin. Und danach war ich voll der Hack. Ich hab’s drauf – bis heute, muss ich einfach sagen. Ich habe schon sehr viele Finanzpläne geschrieben, seit diesem einen Workshop. Und der hat uns auch geholfen, dass ich damals die Finanzplanung für den Kredit machen konnte, dann auch verstand, was ich da eigentlich tat, und den einreichen konnte. Und ich glaube, das hat dann am Ende auch die Bank überzeugt. Wir haben dann auch mit unserer Hausbank zusammen bei der KfW einen Kredit beantragt, den bekommen und damit den ersten Laden aufgemacht. Das war ganz schön krass, auch gerade in meinem jungen Alter, mit 24 Jahren einen ganz schön hohen Kredit aufzunehmen. Aber ich habe damals daran geglaubt und wusste: Wenn die Menschen an uns glauben, dann werden diese Menschen hoffentlich auch einkaufen kommen. Und das taten sie auch. Ich habe mich am Ende immer wieder für einen Kredit entschieden, weil mir die Unabhängigkeit so wichtig war. Ich wollte immer das letzte Wort haben und bestimmen, was wir eigentlich machen, wie wir es machen, in welchem Tempo. Und das bereue ich auch nicht. Das war wirklich etwas, was mir sehr wichtig war, um die Firma meinen Werten entsprechend zu entwickeln.

Herr Däuwel, für Sie war Eigenkapital die Unabhängigkeit, wenn ich Sie richtig verstanden habe.

Ja, interessant! Also ich habe jetzt Frau Glimbovski sehr aufmerksam zugehört. Also ich verstehe schon, was sie meint. Aber ich war schon immer jemand, wenn ich mir was gekauft habe, habe ich vorher sparen müssen. Natürlich, bei einer Unternehmensgründung ist das ab einem gewissen Punkt nicht mehr machbar. Gerade auch wenn man wachsen will, wenn man skalieren will, versteh ich schon auch. Aber ja, bei mir gab es ja, noch gar nicht so lange her, auch einen privaten Schicksalsschlag. Und da habe ich gemerkt: Ja, wenn man von heute auf morgen aus der Bahn geworfen wird, ist es gut, wenn man nicht zu viele Abhängigkeiten von Investoren, Geldgebern, Dritten hat. Das ist so meine Denke ein Stück weit. Aber klar, ich habe auch ein Darlehen aufgenommen beim Umzug. Weil ab einem gewissen Punkt geht’s nicht mehr. Und es war auch die richtige Entscheidung, definitiv. Weil wir mussten gewisse Dinge anschaffen zum Produzieren, Kühlhaus, Ofen et cetera, aber mit Bedacht und nicht übers Ziel hinausschießen.

Ich finde, das ist ein total spannender Punkt, den Sie da ansprechen, weil ich musste auch in meinem Inneren erst mal voll die Überwindung übergehen, überhaupt einen Kredit aufzunehmen, weil ich aus meinem Elternhaus gelernt habe: Nimm keinen Kredit auf! Also, man muss auch mal lernen, man muss lernen, zu reflektieren: Woher kommen eigentlich diese Finanzgrundsätze, die man in seinem Kopf hat, und was bedeuten sie? Und wie wirken sie sich auf die Finanzierung, Liquidität der Firma aus? Ich habe sehr lange gebraucht zu lernen, dass das eigentlich bestimmte Grundsätze wie dieses gewisse gesunde Wachstum, was Sie angesprochen haben, Bootstrapping, wie man es ja so schön im Start-up-Denglisch sagt, nur für … genau, für bestimmte Unternehmen funktioniert, für bestimmte aber nicht, wenn man bestimmte Entwicklungssprünge zum Beispiel machen will oder eine gewisse Geschwindigkeit hinlegen muss. Deswegen, das muss man tatsächlich unterscheiden. Und nicht alles gilt für jedes Unternehmen. Das war echt eine wichtige Lektion.

Jetzt haben Sie gesagt, Frau Glimbovski, Sie sind ein echter Excel-Pro geworden, haben Finanzpläne aufgestellt. Haben Sie die auch immer eingehalten oder, allgemein gefragt, gab es dicke Fehler in der Gründungs- und Finanzierungsphase, die Ihnen beiden unterlaufen sind vielleicht? Oder gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden?

Das ist eine sehr lustige Frage, weil tatsächlich Finanzpläne aufstellen macht mir Spaß und ist ganz einfach. Finanzpläne einhalten dagegen ist ein ganz anderer … steht auf einem anderen Blatt Papier. Und tatsächlich, gleich nach der Eröffnung des Ladens waren wir so motiviert und hatten so viele Ideen und haben so viel Geld in Personalkosten investiert, dass wir plötzlich auf dem Konto guckten – da war nicht mehr so viel, wie es sein sollte, wie eigentlich geplant war. Die Umsätze waren aber auch nicht so, wie sie sein sollten. Und das Controlling war damals gar nicht meins. Ich wusste, wie man es schreibt, aber nicht, wie man es macht. Und ja, das war echt eine Katastrophe eigentlich. Ich lache heute darüber, wobei es eigentlich gar nichts zu lachen war, weil es war damals der erste Tiefpunkt. Drei Monate nach Eröffnung habe ich das halbe Team entlassen müssen, weil ich einfach zu freudig eingestellt habe und zu optimistisch war und halt nicht auf die Zahlen geachtet habe. Und das war ein ganz schöner Rückschlag, weil es hat gut angefangen, aber es war unglaublich emotional, fertig und auch schrecklich, Leute im Stich zu lassen, die eigentlich, ja, sich auf uns eingestellt haben. Dann habe ich auch sehr lange gebraucht, mich von diesem Schock zu erholen, und habe seitdem gelernt, regelmäßig Controlling-Meetings einzuhalten und einzuberufen und die Zahlen nie aus den Augen zu lassen.

Das freut Sie sicher, Herr Däuwel, als gelernter Controller?

Ja, teils, teils. Also dadurch, dass ich ja jahrelang im Controlling gearbeitet habe, habe ich auch eine differenzierte Haltung dazu, weil ich einfach gemerkt habe, wenn man zu sehr zahlengetrieben ist und zu sehr nur auf die Kosten guckt und zu sehr an Plänen arbeitet und Prognosen, dass man logischerweise andere Dinge aus den Augen verliert, vielleicht auch manche Dinge macht nur der Zahlenwelt wegen und die Entscheidung nicht mehr eine ist, die man vielleicht aus dem Bauch oder gesunden Menschenverstand heraus treffen würde. Also was ich damit sagen will, ist, ob man es glaubt oder nicht: Ich habe die letzten fünf Jahre sehr wenig Controlling gemacht, weil ich einfach viel mehr Bock habe, ein geiles Brot zu backen, am Ofen zu stehen, Social Media zu machen, die Marke nach vorne zu bringen. Also ich habe so viel investiert in die Marke „Brotpuristen“, dass ich die Zeit und Lust für zu viel Controlling auch gar nicht hatte. Also ich hab da mal angefangen, habe auch meinen Plan gemacht und meinen Mittelfristplan und so weiter. Aber auch da, jede Branche ist anders. Natürlich muss man gucken. Man sollte schon die Zahlen im Blick behalten, das mache ich schon. Aber nicht im übertriebenen Maße, nein.

Gab’s denn in der Gründungs- und Finanzierungsphase auch echte Fehlentscheidungen? Also, Frau Glimbovski hat ja schon aus dem Nähkästchen geplaudert. Wie war es bei Ihnen, Herr Däuwel?

Ja, gut. Ich habe die eine oder andere Maschine gekauft, wo ich einfach zu naiv war, zu wenig Ahnung hatte. Ich habe eine Knetmaschine gekauft und habe dann später festgestellt, der Knetarm war gebrochen und notdürftig geschweißt. Und von dem ich die Maschine gekauft habe, der war dann kurz danach insolvent. Also die Maschine war ein klassischer Fehlkauf. So Dinge sind mir schon zwei, drei Mal passiert. Oder auch einfach: Einrichtung der Backstube, einfach Fehler gemacht, weil ich Quereinsteiger bin, gewisse Dinge zwei, drei Mal bezahlt, ja. Gut, ein Punkt. Ich habe mit sehr viel Gebrauchtmaschinen angefangen, da waren teilweise Dinger dabei … Also ich habe mit zwei gebrauchten Öfen angefangen. Der eine ist wirklich schon vom ersten Tag an quasi auf der letzten Rille gefahren. Den musste ich nach einem halben Jahr schon ersetzen. Also das würde ich jetzt vielleicht auch anders machen und würde ein bisschen mehr Geld dann doch in anständige Maschinen stecken. Aber noch mal, es war ein Experiment damals und ich wusste nicht, ob’s gelingt. Insofern, ja … im Nachhinein ist man immer schlauer, sagt man so schön.

Wie ist das denn mit der Situation, plötzlich Chef zu sein? Bei Ihnen klang das schon an, Frau Glimbovski. Herr Däuwel, Sie waren festangestellt, auch in einer Führungsposition. Aber Frau Glimbovski zum Beispiel kam quasi aus einem angefangenen Studium heraus. Wie ist denn das, wenn man plötzlich nicht mehr Werkstudentin oder nicht mehr Controller ist, sondern Chef einer ganzen Mannschaft?

Na ja, bei mir war es ja so, das hat sich schrittweise entwickelt. Wir haben angefangen zu zweit in der Backstube und eine Person im Verkauf, und es kam immer wieder eine Person mit dazu. Es ist ja nicht so, dass ich jetzt auf einmal Vorgesetzter war von 15 Leuten, was ja aktuell Stand der Dinge ist. Sondern es kam immer mal noch einer dazu, noch einer, noch einer. Das ist nicht ganz einfach, das muss man schon sagen. Weil wir sind so schnell gewachsen in meiner Wahrnehmung. Ich meine, es gibt andere Start-ups, da geht das viel, viel schneller. Aber für mich war das schon ein schnelles Wachstum. Dass man gar nicht so sehr die Zeit hat, innezuhalten und mal sich auf die Situation neu einzustellen, sondern das passiert einfach. Und ich versuche das so gut wie möglich zu machen. Ich höre da auf meinen Bauch. Ich mache mit Sicherheit auch nicht alles richtig. Aber es ist weiß Gott nicht einfach. Das gehört auch dazu, zur Wahrheit, ein Unternehmen zu haben, wo man die volle Verantwortung hat, wo man mit seinem ganzen Geld hintendran steht, und gleichzeitig auch noch Personal zu führen. Das ist natürlich schon eine Last, die lastet auf beiden Schultern. Das ist so, ja. Also, Frau Glimbowski, wie war das bei Ihnen?

Ich hatte damals kleine Schultern, da musste nicht so viel Last drauf. Ich war ja … ja, ich war zuerst Azubi, dann war ich Werkstudentin und dann Freiberuflerin. Und plötzlich hatte ich ein Team von drei Leuten, und plötzlich waren es irgendwie 15. Das war ziemlich krass, weil ich wirklich keine Führungserfahrung hatte, alle Fehler machte, die man scheinbar einmal machen muss. Ich habe versucht, immer empathisch zu sein und halt so zu arbeiten und so eine Chefin zu sein, wie ich sie mir immer gewünscht hätte. Ich habe sogar irgendwann ein Coaching gebucht, bei dem mir eine Trainerin beigebracht hat, wie ich einfach nicht sage: „Hey, Entschuldigung, würdest du vielleicht diese eine Aufgabe machen?“, sondern die mir beigebracht hat zu sagen: „Hey, Folgendes, kannst du bitte das, das, das bis dahin machen? Danke Dir!“ Dass das völlig in Ordnung ist, musste ich auch erst mal lernen. Hat gedauert. Und ich bin auch einfach sehr dominant geworden. Kann man sich kaum vorstellen, war ich früher nicht. Inzwischen habe ich einfach gelernt, auf den Punkt zu kommen, ist für alle das Beste. Aber tatsächlich habe ich da auch viel, wirklich viele Fehler gemacht, viele Menschen enttäuscht auch, und versucht, wirklich aus jedem Fehler das mitzunehmen.

Sie haben ja auch persönliche Rückschläge erlitten – bei Ihnen klang das schon an, Herr Däuwel –, über die wir hier in „Ungeschönt“ auch offen reden wollen. Sie haben schon vom enormen Druck berichtet, wenn Behörden nicht reagieren, die Umsätze ausbleiben und die Kapitaldecke langsam schmilzt. Zunächst aber zu Ihnen, Frau Glimbovski, an Sie die Frage: Sie hatten wenige Monate nach Ihrer Gründung einen Burn-out. Was hatte das denn für unmittelbare Folgen für Sie beziehungsweise für das Unternehmen oder Ihr Team?

Das war damals ganz schön überraschend, weil ich mir dachte: Ach, eigentlich ist jetzt ja alles gut. Das war damals so: Wir haben den Laden eröffnet im September, im Dezember habe ich das halbe Team entlassen, zwei, drei Wochen später ist meine Mitgründerin ausgewandert, und alles ging gefühlt damals den Bach runter. Und dann aber hatte ich einen neuen Mitarbeitenden, der Filialleiter mit Erfahrung war, und langsam besserte sich alles und ich hatte auch wieder Bock, was Neues zu lernen. Ich merkte, ich war so … habe mich nicht mehr entwickeln können. Und dachte: Mensch, ich mache jetzt mal mein Studium fertig. Das hat mir so viel Spaß gemacht. Und bin wieder Vollzeit an die Uni gegangen, habe weiter Vollzeit gearbeitet. Und das ist natürlich körperlich nicht zu schaffen, doppelten Stress und doppelte körperliche Belastung. Und irgendwann bin ich einfach umgekippt. Und dann war ich im Krankenhaus, aber auch erst mal krankgeschrieben, war zu Jause. Ein Freund kümmerte sich um mich damals, und ich war weg vom Fenster. Und das war okay fürs Team, weil das Team hatte gerade diesen frischen Filialleiter, und sie konnten den Laden auch ohne mich aufrechterhalten; das war irgendwie auch schön zu sehen, dass es ging für einen bestimmten Zeitraum. Aber für mich persönlich ging es halt nicht weiter. Ich musste die Uni wirklich final abbrechen und gucken, dass ich lerne, auf meinen Körper zu hören. Etwas, was für mich damals komplett neu war. Hab meditieren gelernt und mich mit einem Freund sehr viel unterhalten. Dieser Freund war Jan Lenarz. Und mit Jan Lenarz habe ich später meinen Verlag gegründet, „Ein guter Verlag“, wo wir uns mit Achtsamkeit, Selbstliebe und gegen Burn-out und für mentale Gesundheit aussprechen.

Sie haben eine ganz ähnliche Situation erlebt, Herr Däuwel. Da sind Sie auch von jetzt auf gleich im Unternehmen ausgefallen. Wie ging Ihr Team damit um? Und wie gingen Sie damit um?

Ja, das war 2019 im Sommer, als ich von heute auf morgen die Diagnose bekommen habe: Morbus Hodgkin, also so eine Lymphomerkrankung, Lymphknotenkrebs – total, ja, aus heiterem Himmel. Wir sind gerade umgezogen gewesen. Es hat sich alles etabliert, und es hat alles gut geklappt, und der Laden war so, ja, gerade an der neuen Betriebsstätte gut angekommen. Und dann kriegt man so den Boden unter den Füßen weggerissen. Es war natürlich eine schlimme Zeit. Zum einen, weil es mich ja persönlich stark getroffen hat und ich nicht wusste: Wie geht es jetzt mit mir weiter? Was sind die nächsten Schritte? Was bedeutet das? Chemotherapie? Wie wird das alles werden? Aber gleichzeitig halt immer noch auch diese Last oder diese Situation, dass ich hier ein Team von Leuten habe: Wie gehen die wohl damit um? Die haben natürlich dann auch Ängste. Der Chef fällt jetzt aus, ist jetzt schwer krank. Wie lange fällt der wohl aus? Was bedeutet das für meinen persönlichen Arbeitsplatz? Ich meine, das hat niemand so klar ausgesprochen. Aber man hat schon gemerkt, die Situation ist nicht für alle … also ist für alle nicht einfach, ist für alle schwer. Und dann habe ich eine Betriebsversammlung sozusagen gemacht oder hab mit allen dann gesprochen und habe auch dann einen Plan aufgestellt und habe dann erst mal geguckt: Was sind überhaupt an Aufgaben da, was für Aufgaben werden aktuell von mir gemacht? Was kann ich denn delegieren? Und hab dann ja für jeden Einzelnen so eine Liste an Themen gemacht und habe das dann delegiert. Und das war ein super Schritt. Also ich habe jedem erst mal mehr Verantwortung gegeben und habe mir aber auch dann den Freiraum gegeben, mich jetzt voll auf diese Genesung, auf diese Chemo, zu konzentrieren. Und hab aber auch das Glück, dass meine Freundin mit im Betrieb arbeitet. Und sie hat ganz, ganz viel übernommen. Und so konnten wir dann den Betrieb fortführen, und ich war quasi ein gutes halbes Jahr raus, komplett. Und trotzdem ist der Betrieb weitergelaufen. Und ja, zum Glück ist alles gut aktuell, und ich bin wieder zurückgekommen. Und ein Learning war natürlich auch: Wenn man zwei, drei Jahre lang denkt, man muss alles selbst machen und man kann nichts delegieren und das will ich auch noch machen und das auch noch – wenn’s sein muss, klappt’s dann eben doch. Ja, also das war auf jeden Fall eine sehr, sehr gute Feststellung. Und das hat auch schon Kraft gegeben, ganz klar, ja.

Und Sie sind ja dann auch ganz offen mit Ihrer Krebserkrankung umgegangen, auch gegenüber Ihren Kunden.

Also ich hab mich nicht eingegraben und habe gesagt: Das ist jetzt ganz, ganz schlimm, und die Welt bricht zusammen! Sondern ich habe versucht, so blöd es klingt, aus der Situation das Beste zu machen; und habe dann ja auch mit dieser Aktion überlegt, mit dieser „Charity Cap“. Was mich ja dann auch dazu gebracht hat, mich massiv abzulenken, nicht nur daheim zu sitzen und mich auf die Krankheit zu fokussieren, sondern das Ganze in etwas Positives umzudrehen, weil ich ja keine Haare mehr hatte. Also habe ich dann immer so eine Cap aufgehabt, und die Leute haben gefragt: Hier, Brotpuristen-Cap, kann man die auch kaufen? Und dann habe ich eine Aktion draus gemacht und habe gesagt: Okay, alles klar, wir werden die Caps verkaufen, die heißt „Charity Cap“, eine Homepage gemacht und pro verkaufter Cap wurden 10 Euro gespendet an die Deutsche Krebshilfe. Und wir haben dann insgesamt 370 Caps verkauft. Wir haben ganz viele Individualspenden bekommen von Firmen. Wir haben einzelne Personen gehabt, die gespendet haben. Und am Schluss waren es dann 11.700 Euro für die Deutsche Krebshilfe, die zusammengekommen sind.

Da gab’s also so eine richtige Solidaritätswelle?

Ja, also brutal! Von den 370 Caps haben die Hälfte Bäcker bestellt. Das war schon cool. Also ich bin damit so umgegangen, bin auch an die Öffentlichkeit gegangen, weil es einfach im Betrieb auch schwierig war: Es standen Kunden da, die gefragt haben nach mir, die mit dem Chef sprechen wollten und, und, und. Und wenn ich nicht da bin, ist das natürlich schwierig, auch für das Personal, sich da rauszureden. Also ich wollte es irgendwann öffentlich machen, hab auch damals versucht, das irgendwie vernünftig anzugehen, weil ich will niemandem da auf den Schlips treten, der in einer ähnlichen Situation ist.

Ich glaube, das müssen Sie gar nicht rechtfertigen, wie Sie mit etwas umgehen, was Sie betrifft, das ist Ihre Erfahrung. Und Sie haben auf Ihre Art damit gehandelt. Das ist, was für Sie das Beste draus war. Und wie jeder mit seiner Krankheit oder seinem Zustand umgeht, obliegt jemandem selbst, und keiner hat da irgendetwas einzureden oder irgendetwas damit zu vergleichen. Deswegen finde ich das total nicht nur inspirierend, sondern auch motivierend, und es spricht auch so ein bisschen für einen Gründergeist, dass man irgendwie versucht, immer noch das Beste draus zu machen und noch einen sozialen Impact zu haben, was Sie da geschaffen haben.

Jedenfalls freue ich mich, dass es Ihnen wieder gut geht, Herr Däuwel! Nicht zuletzt vielleicht auch deswegen, weil Sie offen mit dieser Krankheit umgegangen sind und sogar eine Charity-Aktion draus gemacht haben. Spricht, wie Frau Glimbovski auch gesagt hat, für Ihren Gründergeist. Ihr Mantra wäre sozusagen: das Beste daraus machen. Apropos Mantra: Wir haben bei „Ungeschönt“ auch eine Rubrik, die nennt sich „Mantra Mantra“, wo wir immer Ihr persönliches Business-Mantra abfragen. Und darum kommen auch Sie natürlich heute nicht herum.

Welche Tipps geben Sie Gründerinnen und Gründern? Also bei wem sollten sie Rat suchen? Wie sollten sie mit eigenen Zweifeln oder vielleicht auch mit bürokratischen Hürden umgehen?

Also, mein Tipp generell an Gründerinnen und Gründer ist erst mal: Hör auf dein Bauchgefühl! Und wenn du da wirklich dafür brennst, dann mach’s auch! Wir Deutschen sind schon sehr, sehr behaftet mit Zweifeln und versuchen, uns immer auch reinreden zu lassen. Aber nur wir selbst wissen ja, was wir wollen und was hinter unserer Idee steckt und wie viel Power wir da wirklich auch reinbringen können und wollen. Und umgib dich mit den richtigen Leuten! Ja, umgib dich mit Gründern, umgib dich mit anderen Persönlichkeiten, die eine Idee auf die Straße gebracht haben – und nicht zu sehr mit den Zweiflern, die sagen: Na, hast du das gut überlegt? Willst du das wirklich machen? Denk doch mal dran, was alles schiefgehen könnte! Nee, versuch einfach mal positiv ranzugehen an die Sache! Und wenn du da wirklich Bock darauf hast und viel Kraft und Energie reinsteckst, dann klappt’s in der Regel auch. Und was ich schon Jahre sage, ist: Nur weil wir das schon immer so gemacht haben, heißt es nicht, dass es richtig ist, wie wir es gemacht haben. Wenn du eine Idee hast, wenn du was Neues ausprobieren möchtest, was es so vielleicht noch nicht gab, mach’s lieber erst mal! Generell, finde ich sowieso, sind wir in Deutschland sehr, sehr starr in unserem Denken. Und Regeln sind nun mal dazu da, dass bestimmte Dinge, die schon seit Jahrzehnten existieren, weiterhin so gemacht werden. Aber wir kommen ja nicht voran, wenn wir immer an diesen Regeln festhalten. Also gerne auch mal komplett „out of the box“ denken und Regeln, die es schon Jahrzehnte gibt, auch mal zu hinterfragen, neu zu denken mit einer anderen Blickrichtung. Das habe ich versucht, zumindest ein Stück weit zu machen. Und jetzt gibt es einige Nachahmer, die das ähnlich machen, und auf einmal ist etwas, was vielleicht vor fünf Jahren noch ein No-Go war, auf einmal etabliert. Und ich glaube, das ist aber bei Frau Glimbovski ja auch ähnlich, ne? Sie hat ja auch einen neuen Pfad betreten. Und jetzt gibt’s 200 Unverpackt-Läden. Das muss man sich mal vorstellen! Und vor Jahren hat man sich das nicht erdenken können.

Ja, Frau Glimbovski, dann stelle ich doch hier gleich die Frage nach Ihren Business-Mantras?

Eines meiner Mantras, was sehr spät kam, ist tatsächlich: Frag nach Hilfe! Ich habe es am Eingang schon gesagt, dass Netzwerke helfen. Aber es schadet auch nicht, aktiv zum Beispiel eine Mentorin oder einen Mentor zu suchen. Im Unternehmertum ist es auch so ein bisschen wie in der Elternschaft. Man kann das nicht alleine schaffen. Das schafft niemand. Und sich rechtzeitig Unterstützung zu holen, ist das A und O. Das machen die Großen so wie die Kleinen. Mein zweites Lieblingsmantra, und das wird auch auf meinem Grabstein stehen, fürchte ich, heißt: „Better done than perfect!“ Mach die Dinge irgendwie fertig, leg einfach los! Viele neigen dazu, ein Projekt erst irgendwie zu beginnen oder öffentlich zu machen, wenn es perfekt ist und wenn sie so weit sind. Aber das braucht es oft gar nicht. Es wird erst richtig gut, wenn man Feedback von anderen erhält. Und das geht nur, wenn man auch mit etwas Halbfertigem loslegt. Hauptsache, es geht voran! Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Eigenschaft im Unternehmertum. Und das dritte Mantra, das kam erst jetzt in den letzten Jahren sehr spät, heißt „Power-Sharing“. Also ich nutze meine Vorteile, meine Reichweite, meine Möglichkeiten, auch bei anderen Gründerinnen insbesondere oder People of Color zu helfen und sie sichtbar zu machen, um das zurückzugeben, wie mir halt auch geholfen wurde, als ich angefangen habe. Und heute mache ich auch einen Podcast. Der Podcast heißt „Über Leben in der Klimakrise“. Es geht darum, wie die Klimakrise heute und auch in Zukunft genau aussehen wird und was es für unseren Alltag bedeutet.

Prima, vielen Dank! Wir haben jetzt noch ein paar Sätze zur Vervollständigung. Da bitte ich Sie, nicht lange nachzudenken. Ich sage den ersten Teil des Satzes und Sie vervollständigen ihn.

Was ich mir am liebsten aufs Brot schmiere, ist …?

Auf gar keinen Fall Nutella!

Einfach nur Butter!

Nachhaltig leben heißt für mich …?

Nicht nur den eigenen Konsum zu hinterfragen, sondern die großen Institutionen und Strukturen unserer Gesellschaft zu hinterfragen.

Vor der eigenen Haustüre anzufangen.

Unternehmertum und Familie sind …?

Tatsächlich echt schwer vereinbar. Aber wenn ich alt bin, werde ich nicht auf mein Leben zurückschauen und mich über die vielen Firmen freuen, sondern über die vielen schönen Momente mit meinem Sohn.

Eine Herausforderung mit Höhen und Tiefen, aber definitiv mit höheren Höhen als tiefen Tiefen.

Mein absolutes Lieblingsprodukt bei „Original Unverpackt“ ist …?

Aktuell das Dinkel-Früchte-Müsli. Weil ich das einfach jeden Tag zum Frühstück esse mit der Voelkel Hafermilch in der Pfandflasche und das mir immerhin eine Entscheidung morgens abnimmt.

Was man mit Brot keinesfalls machen sollte, ist …?

Im Kühlschrank aufbewahren.

Frau Glimbovski, Herr Däuwel sollte unbedingt mal …?

Gute Frage!

In dieses EO-Netzwerk kommen!

Tatsächlich habe ich daran gedacht. Herr Däuwel sollte unbedingt mal in diese Unternehmer-Therapiegruppe oder Selbstentwicklungsgruppe kommen, EO, weil es einem tatsächlich unglaublich hilft. Das sind nur tolle Leute! Und ich glaube, da wäre er sehr gut aufgehoben.

Gerne! Wie heißt das nochmal, EO? Was heißt das?

„Entrepreneurs’ Organization“. Das ist ein Verein.

Ja, hört sich sehr, sehr gut an. Weil genau an dem Punkt stehe ich auch gerade, dass Skalieren gerade immer schwieriger wird, ja.

So, Herr Däuwel, jetzt kommt natürlich auch noch die Gegenfrage: Frau Glimbovski sollte unbedingt mal …?

Unser Roggenbrot probieren!

Das ist genau richtig! Ich hab jetzt richtig Lust auf ein geiles Brot mit ein bisschen Butter und Salz drauf.

Ich glaube, das lässt sich bewerkstelligen.

Kriegen wir hin! Ich schicke Ihnen ein Paket, sehr gerne!

Ja, prima. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen beiden für das offene, ungeschönte Gespräch über Tiefschläge, Krisen, aber auch über Lösungen rund ums Gründen. Das waren Milena Glimbovski, Gründerin des Zero-Waste-Supermarkts „Original Unverpackt“ in Berlin, und Sebastian Däuwel, Gründer der „Brotpuristen“ in Speyer. Hat Spaß gemacht! Vielen Dank!

Ebenso! Vielen, vielen Dank! Das war toll!

Ja, war ein sehr kurzweiliges Gespräch! Hat sehr viel Spaß gemacht!

Und wer jetzt Appetit auf leckeres Brot bekommen hat, dem lege ich auch gleich die kommende Folge ans Herz. Das Hamburger Café „Marshall Street Coffee“ bringt australische Frühstückskultur in die Hansestadt, liefert auch belegte Brote wie Feta Avocado Brot mit Zitrone und Kerbel oder Lachs auf Sauerteigbrot. Aber bis dieses Café in bester Innenstadtlage überhaupt eröffnen konnte, musste das Gründerpärchen einige gewaltige Hürden überwinden. Davon hören wir bei einer Tasse Kaffee in der kommenden Folge von „Ungeschönt“.

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