Generationenwechsel: Nachfolge im Familienbetrieb

Shownotes

„Kommt Ihr Vater noch?“ Den Spruch hatte Nadine Trautwein von der HUNTER International GmbH bei Kunden-Meetings öfter gehört, als sie das Unternehmen von ihrem Vater Rolf Trautwein schrittweise übernahm. Dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollte, war für die Hundeliebhaberin bereits klar, als sie noch im Familienbetrieb mitarbeitete. Doch der Schritt in die Geschäftsführung war leichter gesagt als getan. Das Operative hinter sich zu lassen, dafür mehr Zeit für die Geschäftsführung und für sich zu haben, musste sie erst lernen. Das breite Aufgabenspektrum brachte sie teilweise an ihre Grenzen. Wie Nadine Trautwein die Nachfolge schließlich doch erfolgreich gestaltete, die Internationalisierung der Marke HUNTER vorantrieb und im Unternehmen auf agiles Arbeiten umstellte, verrät sie in dieser Folge von „Ungeschönt“.

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HUNTER International GmbH

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KfW Podcast „Ungeschönt“

HUNTER International GmbH

mit Nadine Trautwein

Wir haben Fish-Meetings eingeführt, also „put the fish on the table“ heißt das bei uns. Natürlich reden wir gern auch über unsere Erfolge. Und es gibt auch eine Wall of Fame, wo wir uns untereinander würdigen und Respekt zollen über Dinge, die besonders gut gelaufen sind, und wo man einem Kollegen sehr dankbar ist für Leistungen, die er gebracht hat. Aber es gibt eben auch Dinge, die vielleicht nicht so gerne angesprochen werden. Und der Fisch soll eben auch auf den Tisch – und dann reden wir darüber, bevor er anfängt zu stinken.

Bis zum Ende des Jahres wollen laut KfW Research rund 190.000 Inhaberinnen und Inhaber ihr Unternehmen in die Hände einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers legen. Die Suche gestaltet sich oft nicht so leicht, denn die Nachfolge in Unternehmen ist genauso anspruchsvoll, wie ein Unternehmen neu zu gründen. Eine Unternehmerin, der das im Familienunternehmen gelungen ist, wenn auch mit zahlreichen Umwegen und Hürden, stellen wir heute vor.

Sie übernahm den väterlichen Betrieb in Bielefeld und baute ihn zu einem international erfolgreichen Unternehmen für Heimtierbedarf um. Die Rede ist von der HUNTER International GmbH und ihrer Geschäftsführerin. Herzlich willkommen, Nadine Trautwein!

Vielen Dank! Ich bin sehr froh, dass ich hier sein kann. Danke für die Einladung.

Ihr Vater ist gelernter Sattlermeister. Er hat einen Betrieb gegründet, den Sie von ihm übernommen haben. Was war dazu Ihre Motivation?

Ja, wie das so im Familienunternehmen ist, ist man ja sehr früh involviert in das Thema Unternehmersein und natürlich auch in die Inhalte, die einen da umtreiben. Und so war es auch bei uns: dass es ständig Thema war. Also HUNTER war eigentlich das Thema bei Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Ich bin schon sehr früh einfach mit Themen konfrontiert worden, hatte immer auch großes Interesse auch an den Themen; ich fand das spannend, was mein Vater da berichtet hat, war schon früh auch oft vor Ort in der Manufaktur, in den Räumlichkeiten und, muss auch sagen, hatte eine Affinität zu dem Material an sich. Also die Lederverarbeitung und tatsächlich etwas zu kreieren, etwas zu bauen, etwas zu produzieren, etwas zu schaffen, also da auch einen Wert zu bilden, fand ich immer schon sehr, sehr spannend. Da war natürlich auch immer Action, da tat sich immer was, ich habe mich da immer gerne aufgehalten. Also [es war] wirklich schon sehr, sehr früh, dass ich mich mit dem Unternehmen sehr identifizieren konnte – wenn auch ich natürlich erlebt habe, dass mein Vater sehr, sehr viel gearbeitet hat und es auch sehr, sehr stressige Phasen gab, gerade in der Gründungsphase.

Wie stand Ihr Vater denn dazu, dass Sie sein Unternehmen weiterführen wollen?

Ja, zunächst – wirklich zu Beginn, als dann klar war, so am Ende der Abiturphase und wo es um Studium ging – hat er schon hinterfragt, ob das denn das Richtige wäre. Es wäre ja doch auch mit sehr viel Zeitaufwand verbunden, und wie ich denn zur Familie stehen würde und ob ich mir das gut überlegt hätte. Also schon, glaube ich, als unterstützende Fragestellung gemeint, aber doch schon so, dass ich mal drüber nachgedacht habe: Ist das wirklich? Zumal ich ja, wie gesagt, auch wusste – ich habe es eben schon erwähnt –, was es bedeutet, diese Verantwortung zu übernehmen und dass es eben teilweise auch damals auch zulasten schon des Familienlebens da war.

HUNTER ist im Bereich Heimtierbedarf weltweit eine echte Markengröße und vielen Haustierbesitzern ein Begriff. Aber für jene, die HUNTER nicht so gut kennen, hier ein kurzes Firmenporträt.

Angefangen hatte alles mit der Gründung von HUNTER durch Rolf Trautwein im Jahr 1980. Sein Traum: selbst hochwertiges Zubehör für Hunde herzustellen. Das Produktsortiment an Zubehör und Lederaccessoires für Heimtiere wuchs mit den Jahren. Unter Hunde- und Katzenliebhabern wurde die Marke HUNTER dann schnell sehr beliebt. Und für Tochter Nadine Trautwein, die mit Hunden aufwuchs, war klar: Sie würde HUNTER eines Tages weiterführen. Heute ist HUNTER in über 80 Ländern vertreten. Nadine Trautwein hat das Unternehmen von analog auf digital umgestellt, die Marke internationalisiert, E-Commerce sowie agile Arbeitsmethoden eingeführt. Auf die Übernahme bereitete sie sich durch Mitarbeit im Unternehmen über Jahre vor. Und doch überraschte sie das Arbeitspensum, das sie teilweise an ihre Grenzen brachte. Auch ihr Standing als Geschäftsführerin musste sie sich erst erarbeiten.

Frau Trautwein, als Sie die Geschäftsführung von HUNTER übernahmen, kannten Sie das Unternehmen ja schon sehr gut, aber eher von der operativen Ebene. Was für Ziele hatten Sie sich gesetzt? Wie sollte es mit HUNTER weitergehen?

Man muss vielleicht verstehen, dass es bei uns ja nicht so war, dass es irgendeinen Zeitpunkt X gab, wo dann klar war: „Jetzt kommt die Tochter ins Unternehmen und übernimmt die Verantwortung als Geschäftsführerin in der Position“, sondern es war schon ein Prozess über einen langen Zeitraum. Also ich bin nach dem betriebswirtschaftlichen Studium und nach einem MBA im Ausland, in England und Spanien, ins Unternehmen gekommen und habe tatsächlich erst mal in Bereichen gearbeitet, die einfach frei waren, also wo Not am Mann war, wo Bedarf war, und habe dann tatsächlich erst mal sehr stark operativ gearbeitet, gar nicht mit irgendeinem Ziel, sondern einfach nur tatsächlich [aus] Spaß an der Tätigkeit, an den Aufgaben. Und dieses etwas zielgerichtete und strategische Denken kam eigentlich dann eher mit der mehr Verantwortung, die nach und nach übertragen wurde.

Also das war offensichtlich ein schleichender Übergang von Ihrem Vater auf Sie. Aber Sie hatten ja vielleicht dennoch schon Überlegungen, wie es mit HUNTER weitergehen kann. Haben Sie die mit Ihrem Vater gemeinsam getroffen oder hatten Sie da eigene Akzente?

Natürlich hat man als junger Mensch eigene Vorstellungen und eigene Ideen. Für mich war das internationale Geschäft ganz, ganz wichtig, das eben auch zu skalieren für andere Märkte, mit den Besonderheiten, mit den Bedürfnissen der Kunden. Und dann kam relativ schnell auch der Wunsch, näher am Kunden zu sein. Und als Markenhersteller ist es eben wichtig, nah an den Bedürfnissen des Kunden zu sein, um schnell reagieren zu können. Das brauchen wir für die Produktentwicklung, das brauchen wir für Services, das brauchen wir für andere Themen. Und da ging es eben dann schon daran, bestehende Vertriebskonzepte aufzubrechen und neu zu überdenken und neue Wege zu gehen. Ich glaube, das Wesentliche ist immer, dass man immer schaut: Was ist das Richtige für das Unternehmen, langfristig, zukunftsweisend – und dann vielleicht das eigene Ego oder die eigenen Befindlichkeiten dann auch mal hintenanzustellen. Und wichtig ist, dass man sich immer wieder verträgt, weil man weiß, dass es zusammen funktionieren muss – eine Alternative, eine andere Alternative hat man meines Erachtens nicht. Es muss gemeinsam funktionieren und das hat es Gott sei Dank bei uns auch immer.

Inwiefern war denn Ihre rechtliche Position sicher? Also konnten Sie sich da gegen den Firmengründer durchsetzen, wenn es darauf angekommen wäre?

Auch das war ein Prozess. Es ist auch nicht so, dass es wirklich von einem Tag auf den anderen klar war, dass ich jetzt die Geschäftsführung übernehme, sondern es gibt ja unterschiedliche operative Gesellschaften in der Unternehmensgruppe HUNTER, muss man sagen. Und durch die Gründung einer Holding-Struktur haben wir sukzessive unterschiedliche Gesellschaften übertragen. Es sind immer mehr Unternehmen dazugekommen, die ich dann zu 100 Prozent zu verantworten hatte, in der Position als Geschäftsführerin, aber dann auch als Gesellschafterin. Und damit war das eben auch tatsächlich so ein Aufbau eigentlich der Verantwortlichkeit. Und dann war natürlich auch klar, dass ich die Verantwortung habe. Das war aber nie ein Thema für meinen Vater. Also es gab immer mal Dinge, wo ich gesagt habe: „Das hätte ich jetzt anders gemacht“, oder: „Überlegt das noch mal, hinterfragt das noch mal“. Aber es war nie so, dass er dann nach außen getreten ist und dann vielleicht für Unruhe gesorgt hat, sondern er hat dann meine Entscheidung getragen und das auch unterstützt.

Und welche Rolle spielt Ihr Vater heute noch im Unternehmen?

Eine ganz wesentliche, also er ist immer noch vor Ort. Ich bin froh, dass er da ist als Sparringspartner. Das ist natürlich ein Riesenglück, wenn es funktioniert in der Familie, dass man so eine Beziehung hat, auch wenn man zusammenarbeitet. Und ja, er ist nach wie vor die Person, die ich frage, wenn es um Erfahrungen geht im Bereich Manufaktur, im Bereich Entwicklung, aber auch andere Themen, wo ich einfach auch mal meine Meinung oder meine Überlegung äußere und einfach dann Feedback bekomme.

Dann kann man ja im Grunde genommen gar nicht von dem ersten Jahr als Geschäftsführerin bei Ihnen sprechen, sondern es war ein schleichender Prozess. Dennoch in der Anfangsphase: Auf welche Hindernisse oder Widerstände sind Sie bei der Durchführung Ihrer Pläne gestoßen?

Oh, da gibt es natürlich ganz, ganz viele Einzelfälle. Ich glaube, es gab nicht das ganz große Hindernis. Aber natürlich gab es immer wieder Blockaden, Engpässe, die es zu überwinden gab, wo man auch mal frustriert nach Hause gegangen ist und wo man nicht weitergekommen ist. Ich erinnere mich am Anfang, das hat mich schon als junge Frau irritiert, dann die ersten Gespräche, die mit Kunden geführt worden sind – es war ja sonst immer dann mit meinem Vater, dann zusammen mit meinem Vater, und dann irgendwann bin ich natürlich alleine auch in die sozusagen Jahresgespräche oder Abstimmungsgespräche mit unseren Kunden gegangen. Und dann wurde ich dann schon gefragt: „Wann kommt denn Ihr Vater?“, oder: „Kommt Ihr Vater gleich noch?“, oder: „Ist Ihr Vater verhindert?“; und das waren dann schon so die ersten Schritte, wo es sich erst mal komisch angefühlt hat. Aber das hat man dann relativ schnell überwunden. Und ja, man lernt natürlich auch durch diese Gesprächsthemen, durch das „einfach machen“ dann auch an Selbstvertrauen. Und wenn es dann gelingt und wenn man dann zu guten Ergebnissen kommt und dann sich die Beziehungen zu den Kunden auch auf einer sehr guten, vertrauten Basis entwickeln, dann war das irgendwann natürlich kein Thema mehr. Aber das waren so die ersten Erlebnisse, die ich dann hatte, als ich das erste Mal dann alleine unterwegs war.

Sie haben jetzt vor allen Dingen äußere Hindernisse genannt. Gab es eventuell auch Ihrerseits so etwas wie innere Hindernisse?

Auf jeden Fall. Also dadurch, dass ich so eingestiegen bin, wie ich eingestiegen bin – mit allen Vorteilen, die es sicherlich mit sich bringt, weil ich habe natürlich das Unternehmen sehr, sehr intensiv kennengelernt, in allen operativen Prozessen und Strukturen –, hat es aber dazu geführt, dass ich natürlich sehr administrativ und operativ auch gearbeitet habe. Also man muss sich vorstellen, ich war natürlich sehr, sehr eng mit allen Kunden, habe gerade die internationalen Kunden aufgebaut, war dort vor Ort, die kannten mich als erste Ansprechpartnerin. Im gleichen Bereich war es in Lieferantengesprächen. Ich war immer mit in Asien vor Ort. Und das Unternehmen ist dann größer geworden, gewachsen. Die Anforderungen sind natürlich andere geworden, und ich habe tatsächlich immer noch an diesen operativen, sehr fachkräftebasierten Aufgaben festgehalten, zum einen, weil es mir wahnsinnig viel Spaß gemacht hat, wenn mir das natürlich auch die größte Freude bringt, im Kundenkontakt zu sein und im Marketing zu entwickeln und Produkte zu entwickeln. Und auf der einen Seite, weil ich es aber auch so gewohnt war tatsächlich. Also es war vielleicht auch so ein Stück weit ein Glaubenssatz: Ich muss das jetzt halt so machen, weil das wird von mir auch erwartet. Der Kunde erwartet, dass ich dabei bin, und Mitarbeiter vielleicht auch ein Stück weit. Und sich davon zu lösen und wirklich zu überlegen: Was muss ich jetzt in meiner Rolle als geschäftsführende Gesellschafterin für das Unternehmen leisten, damit ich das zukunftssicher langfristig erfolgreich weiter gestalte, also auch für meinen Kunden, aber auch für meine Mitarbeiter? Das war wirklich ein Prozess und das habe ich lange versucht, mit Mehrarbeit zu kompensieren, weil ich dachte, das muss irgendwie … trotzdem ja alles über meinen Tisch und ich bin ja diejenige, die hier verantwortlich ist und damit auch entscheiden muss. Und da gab es schon Situationen, wo ich sagte: Das ist … da habe ich jetzt keine Lösung. Also mehr Arbeit kann es nicht sein, weil das führt nicht zum besseren Ergebnis. Und spätestens als ich dann Mutter war von zwei Kindern, war dann klar: Ich, ich muss hier was ändern an der Art und Weise, wie ich das Unternehmen führe, wie ich die Strukturen schaffe, wie ich Mitarbeiter mit in die Verantwortung nehme, wie ich ein starkes Führungskräfteteam aufbaue und wie ich mehr an strategischen Themen arbeiten kann.

Also, wie sind Sie vorgegangen? Wie haben Sie diese Hindernisse angepackt? Haben Sie sich aus dem operativen Geschäft so einfach zurückziehen können? Was war Ihr General-, Ihr Masterplan?

Also die Veränderungen fangen ja erst mal bei einem selbst an. Ich glaube, dass da … das habe ich gelernt: immer die Erwartungen an andere zu richten und zu sagen: „Das muss sich, das muss sich, das und das muss sich ändern“, das ist, glaube ich, der verkehrte Weg. Ich habe da tatsächlich sehr intensiv an mir gearbeitet. Ich habe mir Coaches, Mentoren gesucht und das Problem auch offen skizziert und gesagt: „Okay, ich finde mich in der und der Situation, ich habe das und das vor. Aber so richtig der Weg dahin ist mir nicht klar.“ Habe dann sehr viel Literatur dazu gelesen und habe dann eine Klarheit für mich entwickeln können, Gott sei Dank, für meine Lebensbereiche, was mir wichtig ist, was ich will. Und dazu gehört ja nicht nur das Unternehmersein, das natürlich ein ganz, ganz wichtiger Bereich in meinem Leben ist und immer sein wird, da frei und selbstbestimmt agieren zu können, Dinge voranzutreiben und zu bewegen, auch mit viel Sinn auch zu agieren, aber eben auch andere Bereiche wie natürlich Familie, der bei mir ganz wichtig ist, und der Freundeskreis. Aber auch: Will ich einen Beitrag leisten für die Welt, will ich noch im sozialen Bereich mich engagieren, ist mir das wichtig, wo sehe ich mich da? Also einfach mal tatsächlich einen Lebensplan zu kreieren, der ganz viel Klarheit für mich geschafft hat und der dann auch auf eine natürliche Art und Weise und mit einer gewissen Leichtigkeit ins Handeln kommt, weil dann hat man das Ziel vor Augen und dann geht es relativ schnell in der Umsetzung. Und die Erwartungshaltung dann auch zu kommunizieren an die Mitarbeiter, an das Team, wie ich mir das wünsche, wie ich mich aufstellen möchte, hat auf ganz viel Verständnis gestoßen und macht natürlich auch was mit dem Team.

Ich glaube, das wünschen sich sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie haben da für sich einen ganz persönlichen Weg gewählt, nämlich den des Coaching. Was würden Sie anderen Menschen raten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden?

Also ich glaube, grundsätzlich kann man nicht alles selber wissen und hat auch nicht immer die goldene Regel. Ich würde mir, egal in welchem Bereich, immer Experten holen, die schon mal einen ähnlichen Weg gegangen sind, die vielleicht schon mal Erfahrungen gemacht haben und Problematiken überwunden haben, Lösungen gefunden haben, und da in Austausch gehen und nicht glauben, man muss vielleicht immer alles mit sich selbst ausmachen, sondern einfach, wie es ja letztendlich im Unternehmen auch nicht anders ist, die Talente, mit den Menschen zusammen sein, die dann die bestmögliche Lösung bieten und die die Qualifikation mitbringen.

Wie haben Sie denn die Erkenntnisse, die Sie für sich aus diesen Coachings gezogen haben, nun auf die Unternehmensführung oder in Ihre Teams hineingetragen? Ließen Sie sich übertragen?

Ja, also das fängt an natürlich in der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, wie wir miteinander kommunizieren, wie intensiv wir auch miteinander kommunizieren, auch in einer Offenheit und einer Ehrlichkeit. Wir haben Fish-Meetings eingeführt, also „put the fish on the table“ heißt das bei uns. Mit anderen Worten: Natürlich reden wir gern auch über unsere Erfolge. Und das gibt auch Gott sei Dank sehr, sehr viele bei HUNTER, was sehr schön ist, und es gibt auch eine Wall of Fame, wo wir uns untereinander würdigen und Respekt zollen über Dinge, die besonders gut gelaufen sind und wo man einem Kollegen sehr dankbar ist für Leistungen, die er gebracht hat. Aber es gibt eben auch Dinge, die vielleicht nicht so gerne angesprochen werden. Und der Fisch soll eben auch auf den Tisch – und dann reden wir darüber, bevor er anfängt zu stinken. Und das sind dann manchmal vielleicht nicht so ganz schöne Themen und auch nicht so ganz angenehme Themen. Aber wir haben festgestellt, wenn wir sie angehen, dann kommt so richtig was in Gang, dann hat man eigentlich ein viel, viel größeres Learning als von den Erfolgen und dann leiten sich davon Maßnahmen ab und dann ist eine Dynamik da; und das schafft auch ein Vertrauen untereinander und Verständnis füreinander, für die unterschiedlichen Aufgaben und auch die Herausforderungen, die jeder in seinem Bereich ja hat.

Ja, man sagt ja immer, der Fisch stinkt vom Kopfe. Das heißt, ich kann davon ausgehen, dass Sie mit gutem Beispiel vorangehen.

Ich bemühe mich.

Ja, Sie haben das Unternehmen internationalisiert. HUNTER ist stark gewachsen. Was hatte das denn für Folgen für Sie persönlich, aber auch für das Team und die Produktion?

Ja, zum einen natürlich … Erst mal: Wir mussten uns natürlich verstärken, was die Mitarbeiter angeht. Das war natürlich erst mal die erste Reaktion, die man wahrscheinlich hat, wenn die Kunden mehr werden, wenn das Produktsortiment wächst, wenn auch die Ansprüche letztendlich wachsen an Service und unser Versprechen, was wir den Kunden geben. Das war natürlich erst mal mit sehr viel mehr Mitarbeitern verbunden. Dann ist, glaube ich, ganz wichtig, dass die Strukturen und die Prozesse mitwachsen, was oftmals bei uns so ein bisschen verzögert stattgefunden hat, weil natürlich wollte man erst mal gucken, dass erst mal alles funktioniert. Wenn ich es jetzt anders machen dürfte, könnte, würde ich tatsächlich schneller schon an den Prozessen und den Strukturen arbeiten, das im Einklang sehen. Das im Nachgang nachzuholen ist immer ein bisschen aufwendiger, funktioniert auch, aber würde ich sicherlich anders machen. Also das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Plus natürlich das ganze Thema, dann auch die Kosten im Blick zu halten, zu skalieren, Synergien zu nutzen, Economy of Scales, das ganze Thema Prozessoptimierung. Natürlich war das auch eine räumliche Herausforderung. Wir waren im Standort in Greste und sind da auch wirklich aus allen Nähten geplatzt. Also mein Büro war, glaube ich, damals irgendwie dreieinhalb Quadratmeter, die Tür ging nicht auf, wenn ich an meinen Schreibtisch wollte. Ich musste mich da so durchquetschen. In allen anderen Büros sah es auch nicht anders aus. Wir hatten teilweise nicht genug Meetingräume, um unsere Besucher empfangen zu können. Und das war natürlich dann die Herausforderung: eine geeignete neue Immobilie zu schaffen, wo wir uns wieder frei bewegen können, wo wir frei auch spielen können, wo wir uns wohlfühlen, wo wir letztendlich das umsetzen können, was wir uns vornehmen. Und dann war die Herausforderung, ein Grundstück zu finden, eine Immobilie zu planen, auch die umzusetzen, das natürlich auch zu gestalten. Das war eines der Themen, die natürlich so ein Wachstum dann auch mit sich bringen.

Ich würde gern gleich auch auf den Neubau der Produktion zu sprechen kommen. Vorher noch die Frage: Sie haben ja auch die Unternehmenskultur eines traditionellen Familienbetriebs umgekrempelt. Sie haben digital transformiert, Sie haben flexibles und agiles Arbeiten eingeführt. Wie haben Sie das denn geschafft, HUNTER fit fürs digitale Zeitalter zu machen? Oder wo lagen die Knackpunkte?

Letztendlich sind wir ja ein bisschen gepusht worden durch die Pandemie. Das hat natürlich einen Rieseneffekt gehabt auf die Art und Weise, wie wir arbeiten: nämlich nicht mehr alle am Standort und jeder kommt morgens hierher und fährt abends wieder, sondern es gibt ganz viele Mitarbeiter, die mittlerweile zu 100 Prozent remote sind, die ich auch schon live längere Zeit nicht gesehen habe. Es gibt Mitarbeiter, die sind hier vor Ort, weil sie hier auch einfach konzentrierter arbeiten können. Also wir gestalten das wirklich – natürlich nach den Bedürfnissen der Position, der Leistung, aber auch nach den Bedürfnissen der Mitarbeiter – so flexibel, wie es eben geht. Was uns wichtig ist: Wir haben schon ganz gerne so einen Team-Tag, dass wir dann doch in regelmäßigen Abständen zusammenkommen, weil wir davon überzeugt sind, dass es hilft, im Austausch zu sein, nicht nur zu speziellen Themen, dann im Team zusammenzukommen und über irgendwelche Einzelthemen zu sprechen, sondern einfach auch mal über den Tellerrand hinaus neue Impulse zu kriegen und kreativ zu sein.

Stichwort „Neubau der Produktion“: Viele Unternehmen auf Wachstumskurs stehen ja dann auch vor der Frage, wie sie das jetzt finanzieren. Wie hat HUNTER das gelöst?

Ja, wir haben tatsächlich das Grundstück und auch die Immobilie finanziert über einen KfW Mittelstands-, KMU-Kredit. Wir wollten uns auch einfach nicht da verausgaben, weil wir Spielraum uns lassen wollen für natürlich Wachstum, weiterhin aber auch für Unternehmenszukäufe. Wir haben vor Jahren schon ein Start-up gekauft, ich habe mich beteiligt an einer Futtermittelunternehmung. Und das wollten wir uns natürlich weiterhin auch möglich halten, sodass wir weiterhin maximale Flexibilität haben. Aber das war natürlich prädestiniert dafür zu sagen: Okay, das ist ein ganz langfristiger neuer Standort für uns, an dem wir auch aufgrund und dank zusätzlicher Flächen rund um das jetzt bestehende Grundstück langfristig hier bleiben können und expandieren können. Für uns eine gute Möglichkeit zu sagen: Das nehmen wir in Anspruch und das finanzieren wir.

Was waren denn die Vorteile? Warum KfW?

Wir haben damals mit der Hausbank das natürlich auch intensiv besprochen, haben geschaut, welche Möglichkeiten gibt es da in den Größenordnungen, die wir da benötigt haben. Und da war das tatsächlich ein sehr attraktives Angebot.

Sie nutzen ja mit Leder an sich ein Abfallprodukt und statt dass es weggeschmissen wird, wird es nun veredelt und zu neuen Produkten weiterverarbeitet. Das ist ja an sich schon ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Welche Pläne in Richtung Nachhaltigkeit verfolgen Sie aber darüber hinaus oder auf welche Schwierigkeiten stoßen Sie dabei?

Ja, also erst mal ist es natürlich das Produkt an sich – vielleicht mal, um ganz kurz darauf einzugehen –: Es ist letztendlich ein Abfallprodukt der Fleischindustrie, wird dann weiterverarbeitet zu einem sehr langlebigen, nachhaltigen, zu einer Rohware. Und das Schöne an Leder ist eben auch: Ich kann es reparieren, es wird eigentlich mit der Zeit viel, viel schöner durch eine besondere Patina. Man kennt das vielleicht auch von den Schulranzen früher oder von den Federmäppchen. Also je älter dieses Stück ist, desto schöner wird es eigentlich. Mit dem Standort in Bielefeld, dass wir hier produzieren, haben wir natürlich auch noch mal einen großen Nachhaltigkeitsaspekt, was Transportwege etc. angeht. Aber darüber hinaus haben wir uns verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu wirtschaften hier am Standort. Und da sind wir auf einem ganz, ganz guten Weg. Also wir haben jetzt schon über 70 Prozent der CO2-Emissionen reduzieren können innerhalb von kürzester Zeit. Das hat natürlich was mit Umstellung auf Ökostrom zu tun. Das hat was mit unserer E-Fahrzeugflotte zu tun, generelle Reduktion von Strom, was wir verbrauchen. Aber es ist natürlich noch nicht das Ende. Wir wollen da weiter Gas geben und werden das noch weiter vorantreiben. Da sind auch Produkte natürlich, die recycelt sind, upcycelt sind, wo Materialien verwendet werden, die schon mal im Umlauf waren, die weiter im Umlauf gehalten werden. Das ist die Reduktion von Verpackungen. Wir haben mit dem neuen Gebäude auch ein sehr energetisch gut aufgestelltes Gebäude mit einer Fotovoltaikanlage. Also wir versuchen in allen Bereichen, so wenig wie möglich erst mal sozusagen in den Kreislauf zu bringen und nicht hinterher … um nicht hinterher kompensieren zu müssen. Das ist der Anspruch.

Bis hierhin vielen Dank, Frau Trautwein. Wir haben eine Rubrik „Mantra Mantra“, in der wir immer die Glaubenssätze oder die unternehmerischen Überzeugungen unserer Gäste abfragen. Und das würde ich jetzt auch gerne mit Ihnen tun.

Was ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge?

Ehrlichkeit, weil Ehrlichkeit schafft Vertrauen, und über die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen ganz offen zu kommunizieren. Und vielleicht [wenn ich] noch das ergänzen darf: sicherlich der gemeinsame Wunsch, das Unternehmen zukunftssicher und nachhaltig zu entwickeln und dabei die eigenen Interessen vielleicht auch mal hintenanzustellen, sondern das System in den Vordergrund zu stellen.

Was ist der Vorteil einer Nachfolge innerhalb der Familie? Was der Nachteil?

Also für mich ist das größte Glück, wenn es dann funktioniert. Das ist, glaube ich, eine Emotionalität, die nur so in der Familie als Familienunternehmer funktioniert und da ist. Wenn es dann aber nicht funktioniert, ist natürlich ein großes, eine große Gefahr und ein großes Risiko, dass der Familienfrieden nicht mehr hergestellt ist. Und das sehe ich als eine große Gefahr.

Gibt es aus Ihrer Sicht eine goldene Regel für Unternehmen auf Wachstumskurs?

Also erst mal muss ich vielleicht sagen: Es ist ja nicht unsere übergeordnete Prämisse zu wachsen. Also wir sind jetzt nie mit dem Ziel rausgegangen, wir wollen wachsen, sondern wir haben eigentlich immer reagiert oder idealerweise agiert auf Themen, die an uns herangetragen worden sind immer mit dem Ziel, unsere Kunden erfolgreich zu machen, deren Probleme zu lösen, die gut aufzustellen. Und dann kam der Erfolg letztendlich automatisch und das Wachstum.

Ihr wertvollster Tipp für innere Führung als Unternehmerin oder Unternehmer?

Erst mal eine Klarheit über die eigenen Werte und Emotionen zu haben, sich selbst erst mal kennenzulernen. Simon Sinek, der Buchautor, der auch „Frag immer erst: Warum“ geschrieben hat, das ja sehr eindrücklich auch erläutert, also erst mal zu wissen: Was ist denn mein Sinn, wofür brenne ich denn eigentlich, warum mache ich das eigentlich? Und ja, ich denke, dass man sich gut kennen muss, dass man sich aber auch gut leiden können muss. Und das schafft dann letztendlich das Vertrauen und auch einen Selbstwert und das Selbstbewusstsein, einfach an den gesteckten Zielen festzuhalten, die zu verfolgen und sich auch dann nicht so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen und sich nicht verunsichern zu lassen.

Ganz herzlichen Dank, Frau Trautwein. Bitte vervollständigen Sie uns folgende Sätze. Unter allen Kulturen der Welt interessiert mich am meisten ...

… die japanische, glaube ich. Also die Reisen, die ich in Japan erlebt habe, haben mich wirklich geprägt im Sinne von respektvollem Umgang, Zugewandtheit, Serviceorientierung, Disziplin, aber auch die Art und Weise, wie Produkte präsentiert werden. Mit so viel Liebe zum Detail, mit ganz viel Respekt Produkten, aber auch Menschen gegenüber.

Neben HUNTER wäre für mich folgender Job noch interessant gewesen ...

Innenarchitektur.

Als Nachfolgerin oder Nachfolger in der HUNTER-Geschäftsleitung wünsche ich mir ...

... jemand, der das, was ich mache, mit genauso viel Spaß und Freude vorantreibt, mit einer großen Vision und ganz vielen Hundebesitzern und Hunden noch ganz viel Freude macht.

Aber nicht unbedingt ein Familienmitglied?

Absolut nicht. Das ist … wäre, glaube ich, schön, wenn es so wäre, aber es ist absolut keine Erwartungshaltung da. Ich will, dass die Kinder ihren Interessen folgen und das tun, was sie glücklich macht.

Wenn mein Hund sprechen könnte, sein Lieblingsaccessoire im HUNTER-Sortiment wäre ...

Das wäre das Love-Halsband aus vegetabil gegerbtem Leder mit weißen Herzen.

So genau wissen Sie das?

Das weiß ich. (lacht)

Vielen Dank, Frau Trautwein, für die Einblicke in die Entwicklung der HUNTER International GmbH und in die inneren und äußeren Hindernisse, auf die man als Unternehmerin bei der Nachfolge in einem Familienbetrieb so stoßen kann. Ich wünsche Ihnen für HUNTER und natürlich für Sie persönlich alles Gute.

Vielen lieben Dank! Alles Gute auch für Sie!

Auch in der kommenden Folge geht es um eine Unternehmensnachfolge. Der Inhaber der mth Ultraschalltechnologie GmbH hat sich das Unternehmen ganz gezielt über die Unternehmensbörse nexxt-change ausgesucht, die Inhaberinnen und Inhaber mit Gründerinnen und Gründern vernetzt. Was die ausschlaggebenden Kriterien für seine Wahl waren und wie sich der Nachfolgeprozess gestaltet hat, erfahren Sie nächstes Mal bei „Ungeschönt“.

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