Vertical Farming: natürliche Früchte mit künstlicher Intelligenz
Shownotes
Ganzjährig frische Erdbeeren ernten, nachhaltig, vollautomatisch, ohne lange Transportwege und bei geringem Wasserverbrauch – das ist der Traum der vGreens Holding GmbH rund um die Gründer Claas Ahrens, Dr. Stefan Hey, Dr. Maximilian Hartmann und Dr. Caspar Krampe. vGreens perfektioniert mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) das datenbasierte Kultivieren von Erdbeeren im sogenannten „Vertical Farming“, dem mehrstöckigen Anbau in geschlossenen Farming-Systemen. Doch die Erdbeere ist eine Diva unter den Früchten und braucht Idealbedingungen, die künstlich schwer herzustellen sind. Was alles schiefging, wie KI bei der Erdbeerzucht helfen kann und warum die Erdbeerfarmen des Öfteren unter Wasser standen, erzählt Dr. Caspar Krampe in dieser Folge.
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KfW Podcast „Ungeschönt“
vGreens Holding GmbH
mit Dr. Caspar Krampe
Ein Stück weit muss man verrückt sein. Wenn man verrückt ist und nur verrückt bleibt, dann wird man auch keinen Erfolg haben, sondern man muss auch ganz klar für die Idee brennen. Also es muss eine Idee sein, die einen selber motiviert, nicht nur von morgens sieben bis abends um sieben zu arbeiten, sondern dass man eben auch voll dahintersteht und jeden Tag aufsteht mit einem Grinsen im Gesicht und diese Idee weiter nach vorne bringen will.
Mai und Juni sind in Deutschland die klassischen Monate für die Erdbeer-Saison. Wenn es nach dem Vertical Farming Start-up vGreens Holding GmbH geht, haben die aromatischen roten Früchte künftig ganzjährig Saison. Dabei haben sich die Gründer von vGreens aber nicht nur eine der kompliziertesten und anspruchsvollsten Früchte herausgesucht, sondern auch ein komplexes Farming-System mit hohen technologischen Anforderungen. Wo die Knackpunkte lagen, finden wir jetzt mit einem der Gründer heraus. Herzlich willkommen zu „Ungeschönt“, sagt Holger Thurm.
Ich begrüße Dr. Caspar Krampe, Co-Gründer der vGreens Holding GmbH. Hallo, Herr Dr. Krampe!
Hallo Herr Thurm, vielen Dank, dass ich da sein kann!
Ja, sehr gern. Haben Sie und Ihre drei Mitgründer alle einen grünen Daumen oder woher kommt Ihre Begeisterung für Vertical Farming?
Ja, das ist sehr nett. Also den grünen Daumen, den hatten mit Sicherheit noch nicht alle. Also einer unserer Mitgründer, der hat den sicherlich. Das ist der Dr. Stefan Hey, der in dem Fall auch Biologe ist. Und dieser hat den grünen Daumen mehr oder weniger mitgebracht. Wir anderen sind aber in gewisser Weise alle ganz fasziniert von eben diesem datengetriebenen Vertical Farming und haben uns eigentlich dieser nachhaltigen Idee verschrieben. Und dadurch kam natürlich dann auch der, sage ich mal, der grüne Daumen hinterher.
Bevor wir das mit Nachhaltigkeit näher beleuchten: Wie haben Sie sich denn gefunden? Wer hatte die Idee zu der Gründung? Und waren Sie dann alle gleich Feuer und Flamme dafür?
Die Idee für die Gründung, die obliegt ganz klar bei Claas Ahrens. Der hatte damals in seiner Tätigkeit bei Amazon die Idee und auch das Verlangen danach, unbedingt was Eigenes zu machen, was in dem Fall eben auch einen größeren Sinn verfolgt, und kam dann auf die Idee des Vertical Farmings, weil es da doch auch viele technische Aspekte, wo er sich sehr wohlfühlt, verbindet und gleichzeitig eben diese Nachhaltigkeitsaspekte. Und dann hatte er den Max Hartmann direkt angerufen und ihm von der Idee erzählt. Und dann haben die zwei überlegt: Na, was braucht’s denn noch, wenn man so ein Vertical-Farming-Start-up dann auch aufbauen will? Und da haben die sich gesagt: Ein Biologe wär’ nicht schlecht. Und dann kam der Stefan an Bord mit all seiner Expertise. Und kurz danach kam dann auch die Verbindung zu mir. Und zwar haben Max und ich zusammen promoviert und ich bin dann weitergezogen nach Wageningen, an die Universität, wo Nachhaltigkeit auch eine ganz große Rolle spielt. Und er hatte mir von der Idee erzählt, und auch ich war natürlich direkt Feuer und Flamme, sodass wir gesagt haben: Hey, lass uns loslegen!
Was hat Sie jetzt so konkret an dieser Idee begeistert?
Es ist ganz klar, dass sich hier im Prinzip verschiedene Themenbereiche vereinen lassen. Das ist eben zum einen die Nachhaltigkeit – und ich selber bin auch Vater geworden. Und in dem Moment, wo man Vater wird, glaube ich, verschieben sich in gewisser Weise auch noch mal die Präferenzen ein Stück weit. Und da habe ich ganz klar gesehen: So, wie wir aktuell eben auch wirtschaften, können wir eigentlich nicht weiter wirtschaften. Und wir brauchen hier wirklich einen radikalen Schnitt. Und der funktioniert nur über Innovation. Und wir sind an einem Punkt angelangt, glaube ich, wo wir jetzt mit unserer ganzen Technologie, die wir entwickelt haben, wirklich diese radikalen, ja, Veränderungen im System Ernährung oder im System Food, würde ich es mal nennen, wie wir das Ganze eben auch verändern können. Und wenn das nicht jetzt der Zeitpunkt ist, dann weiß ich auch nicht, wann. Und das hat mich persönlich ganz klar auch getrieben, eben da auch einen Einfluss zu haben, Impact zu haben auf eben die zukünftige Entwicklung der Ernährungsproduktion.
Wir wollen vGreens zunächst einmal vorstellen, damit wir wissen, worum es geht, und dann erfahren, wo die Herausforderungen lagen – technologisch, biologisch und auch finanziell.
Die Erdbeere ist die Königsklasse unter den Früchten: Kompliziert zu kultivieren, braucht sie ideale Rahmenbedingungen; aber sie wirft auch ganzjährig Früchte ab. Darum haben sich die Gründer des Vertical-Farming-Start-ups vGreens, Claas Ahrens, Stefan Hey, Maximilian Hartmann und Caspar Krampe, auch auf die süße rote Frucht konzentriert. Sie wollten nichts Geringeres als das „5-Sterne-Hotel für die Erdbeere“ schaffen. In mehrstöckigen, hermetisch abgeschlossenen Farmen versuchen die Start-up-Gärtner in einem sogenannten hydroponischen System mit geschlossenen Wasserkreisläufen unter Einsatz von Daten und künstlicher Intelligenz die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen: Die Erdbeeren reifen in Nährlösungen rund um die Uhr bei idealer Temperatur, Belichtung und Bewässerung. Die Bestäubung übernehmen Hummeln, Schädlinge werden natürlich bekämpft, zum Beispiel mit Marienkäfern. Noch ist die Ernte überschaubar und die Technologie sehr energie- und kostenintensiv. Aber die vGreens-Gründer streben größere, vollautomatisierte Farmen mit höherem Ertrag bei geringeren Kosten und geringerem Energieverbrauch an.
Ja, Herr Dr. Krampe, wieso ist diese Erdbeere denn so kompliziert?
Das ist eine sehr gute Frage. Die Erdbeere – das kann man, glaube ich, mit Fug und Recht behaupten – ist ganz klar die Champions League des Vertical-Farming-Anbaus. Und zwar ist es so, dass die Erdbeere eine recht komplizierte Pflanze ist zu kultivieren. Hier gibt es ganz verschiedene biologische Einflussfaktoren, die eine Rolle spielen. Das Gute ist aber wiederum, dass wir, wie erwähnt, eben diesen datengetriebenen Ansatz verfolgen und wir in unserer Vertical Farm, die im Prinzip ein – kann man sich so vorstellen – hermetisch abgeriegelter Raum ist, alle Parameter, die eben wichtig sind für die Pflanze, kontrollieren können. Das heißt, wir können wirklich gucken, dass es der Pflanze so gut geht wie möglich, um eben auch den gewünschten Ertrag zu eben auch der gewünschten Qualität immer liefern zu können.
Inwiefern unterscheidet sich denn Ihr Vertical Farming von schon bestehenden Konzepten? Wo liegt Ihr USP – sieht man jetzt mal davon ab, dass Sie sich für die Erdbeere entschieden haben?
Der USP liegt ganz klar darin, dass wir eben eine Farm entwickeln, die datengetrieben ist. Das heißt, wir sammeln konstant Daten, die wir wieder aufbereiten und dann eben weiter entwickeln. Das heißt, die Grundidee ist wirklich, ein Vertical-Farming-System zu entwickeln, was mehr oder weniger universell einsetzbar ist und was bestimmte Parameter, die wir in dieses System eingeben, auch erfüllt und anhand diesen Parametern eben auch bestimmte Output-Variablen ausspucken. In dem Fall sind es Erdbeeren, die eben dann zum Beispiel einer gewissen Qualität entsprechen. Wir versuchen zu optimieren, inwieweit wir eben Energie hinzufügen müssen oder vielleicht teilweise eben auch wegnehmen müssen. Also im Endeffekt kann man es sich so vorstellen: ein Algorithmus oder eine künstliche Intelligenz, die eben sehr adaptiv auf bestimmte Umgebungsfaktoren reagiert.
Können wir das mal vielleicht etwas konkreter machen? Was sind denn das für Daten, die da gesammelt und ausgewertet werden? Oder auf welche Daten reagiert denn die künstliche Intelligenz? Und wo liegen da die technologischen Herausforderungen?
Die Herausforderungen liegen im Prinzip zum einen daran, dass man erst mal valide Daten sammeln muss, und diese Daten, um das konkret zu machen, die liegen zum Beispiel in den Umweltfaktoren, die liegen aber auch – und das ist auch wichtig zu verstehen – zum Beispiel in der Nährstofflösung und wie diese zusammengesetzt wird. Wir reden hier über ein hydroponisches System – so nennt man das und das ist eigentlich ein wasserbasiertes System –, das bedeutet, dass in unserer Vertical Farm die Pflanzen nicht in Erde stehen, sondern eben in einem Wasserfluss stehen, der konstant durchgepumpt wird. Und auch diese Daten werden eben konstant, auch mit Sensorik … Die Sensorik kann man sich so vorstellen: ist im Prinzip in der ganzen Farm überall verteilt und wir messen zum Beispiel den CO2-Gehalt, aber wir messen eben auch die Zusammensetzung – in dem Fall die Nährstofflösung. Zudem betrachten wir natürlich auch die Pflanze an sich und: Wie entwickelt sich die Pflanze in eben verschiedenen Stadien? Und inwieweit haben diese Einflussfaktoren eben einen Einfluss auf die Pflanze? Wir sind auch noch am Anfang. Das heißt, auch wir sammeln gerade sehr, sehr viele Daten, die wir dann eben in eine künstliche Intelligenz einfließen lassen wollen, um diese dann im nächsten Schritt dann auch weiter zu perfektionieren und zu validieren. Und ich muss vielleicht noch ergänzen, dass wir eben auch die Ambition haben, hier mit Robotik zu arbeiten. Und wir sind ganz glücklich, weil erst kürzlich unser Ernteroboter auch eingetroffen ist in einer Kooperation mit einem großen Elektrohersteller. Und mit diesem können wir zum Beispiel anhand eines entwickelten bildbasierten Algorithmus dann reife Erdbeeren identifizieren, die der Roboter dann direkt ernten kann.
Wie energieintensiv ist denn so eine vertikale Erdbeerfarm?
Ja, man kann, glaube ich, mit Fug und Recht behaupten, dass der Energieverbrauch die Achillesferse des Vertical Farming ist. Wenn wir wirklich Erfolg haben wollen auf lange Sicht und Vertical Farming wirklich eine Lösung auch für unsere nicht nachhaltige Lebensmittelproduktion ist, dann müssen wir da Lösungen finden. Man kann sich das so vorstellen, dass ungefähr allein für das Kühlen der Farm ungefähr 60 Prozent der Energie draufgeht und für den Rest – und das sind in dem Fall ungefähr dann noch mal 30 Prozent, die durch das Licht draufgehen, dann sind wir schon bei 90 Prozent; und die letzten zehn sind natürlich noch die Sensorik und die Technik, die auch noch da ist –, dass das im Prinzip den Großteil der Energie frisst. Also das heißt, wir müssen hier ganz klar auch nach Lösungen suchen. Dessen sind wir uns natürlich bewusst und das treiben wir auch gerade aktiv voran.
Wie sind Sie denn anfangs vorgegangen? Haben Sie da erst mal eine Prototypenfarm entwickelt oder wie viele Farmen haben Sie gebaut?
Bevor wir unsere erste – wir nennen es „unseren Proof of Concept“ –, also unsere erste wirkliche Farm gebaut haben, wurden insgesamt drei verschiedene Prototypen entwickelt. Im ersten Prototypen haben wir zum Beispiel getestet, ob wir ein aeroponisches System oder ein hydroponisches System nutzen wollen. Aeroponisch wäre dann eben eins, das die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt durch die Luft, während die Hydroponik auf dem … einem Wasser/Nährstoff-basierenden geschlossenen System beruht. Dann haben wir weiter erforscht in den nächsten Prototypen, wie denn die Lichtbeschaffenheit sein muss, also: Welche LED-Lichter sind denn überhaupt geeignet? Wie können diese eben auch angewendet werden? Und dann im dritten haben wir auch schon erste Sensorik getestet, im dritten Prototypen. Und dann haben wir eben diese, ja, Erkenntnisse dann auch einfließen lassen in unsere erste Farm, die noch immer im Prinzip ein Proof of Concept ist, weil wir natürlich auch hier noch einige Tests gerade laufen lassen.
Okay, aber so ein Prototyp kostet ja wahrscheinlich auch eine Menge Geld. Und jetzt haben Sie ja quasi schon vier Farmen aufgebaut. Woher haben Sie denn das Geld genommen?
Da reden wir ja tatsächlich über große Investitionssummen – zumindest im Vergleich vielleicht zu einem mehr digitalen Start-up, weil wir natürlich auch eine große Hardwarekomponente haben. Das heißt, die Farm selber und auch die Prototypen müssen natürlich aus Material gebaut werden. Wir brauchen bestimmte Sensorik, die im Prinzip auch unsere Daten dann generiert. Und das Ganze hat tatsächlich relativ viel Geld gekostet. Wir haben als Gründer da in dem Fall zusammengeworfen und haben, ja, einen doch höheren sechsstelligen Betrag auch investiert, um eben überhaupt diese Prototypen dann auch zu entwickeln und eben da auch weiterzukommen. Das heißt, wir haben im Prinzip das Prototyping, so wie die erste Farm, alleine gebootstrappt. Wir haben unser privates Vermögen da reingesteckt. Und da wir ja hier auch im Podcast „Ungeschönt“ sind, darf man das, glaube ich, auch ganz klar sagen. Das hat uns auch zum Teil wirklich ans Limit gebracht. Und zwar deswegen, weil – mit der Ausnahme von mir, der ja noch an der Universität tätig ist – alle anderen Mitgründer, das heißt Claas, Stefan und Max, ihre Jobs aufgegeben haben und all ihr Geld im Prinzip in die Hand genommen haben und in dieses Start-up und in unsere Idee investiert haben – was natürlich ein wahnsinniges Commitment ist, wenn man das mal so sagen darf, und gleichzeitig natürlich auch dazu geführt hat, dass es wirklich an einigen Ecken sehr, sehr, sehr eng wurde, sodass wir dann auch froh waren, dass wir dann unsere erste Pre-Seed-Phase closen konnten.
Das heißt, Sie haben einen Investor gefunden?
Genau. Wir haben ein Investor-Konsortium gefunden. Und dieses hat dann mit Risikokapital – das heißt, wir haben eben Anteile unserer Firma eben abgegeben – dann in uns investiert.
Wie muss man denn gestrickt sein, wenn man anfangs zwar von einer Idee überzeugt ist, aber nicht weiß wegen der technologischen Herausforderungen, ob es klappt, dass man da sein ganzes Vermögen und seinen Job dafür aufgibt?
Ja, das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, man braucht … ein Stück weit muss man verrückt sein wahrscheinlich, wenn man darüber nachdenkt. Es ist aber was anderes, weil: Wenn man verrückt ist und nur verrückt bleibt, ich glaub’, dann wird man auch keinen Erfolg haben, sondern man muss auch ganz klar für die Idee brennen. Also es muss eine Idee sein, die einen selber motiviert, eben auch nicht nur von morgens sieben bis abends um sieben zu arbeiten, sondern dass man eben auch wirklich voll dahintersteht und jeden Tag aufsteht, mit einem Grinsen im Gesicht und diese Idee weiter nach vorne bringen will. Und ich glaube, das ist auch das, was uns alle vereint: neben – und das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, den ich wahrscheinlich jetzt auch zur Genüge gesagt habe, aber es ist mir trotzdem wichtig, das noch mal zu benennen – neben der Tatsache, dass uns eben auch die Idee antreibt, wirklich einen nachhaltigen Einfluss zu haben auf die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel produzieren. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, der uns alle Gründer – und wir sind ein sehr heterogenes Gründerteam, das darf man mit Fug und Recht sagen, und das bezieht sich natürlich nicht nur auf unsere Schwerpunkte, sondern eben auch auf unsere Persönlichkeit und wir sind alle unterschiedliche Persönlichkeiten –, und uns vereint aber ganz klar eben die Vision, die wir mit vGreens haben, wirklich einen Einfluss eben zu haben auf die kommenden Generationen.
Wann sind denn die Momente gewesen, in denen Sie eben nicht mit einem Grinsen im Gesicht aufgestanden sind? Also gab es irgendwelche Rückschläge technologischer Art oder sind Ihnen mal Ernten eingegangen? Also gab es Momente im Zuge Ihrer vier Prototypen oder Ihrer vier Farmen, wo Sie gesagt haben: „Jetzt schmeißen wir hin“?
Ja, absolut. Die gab es definitiv. Es gab doch wirklich einige Rückschläge. Und ja, ich glaube, die kann man ganz gut auch ordnen, diese Rückschläge, in die Bereiche Technologie, Public Relations bzw. eher so Zuliefererprobleme und natürlich auch die Probleme, die mit einer Finanzierung einhergehen. Vielleicht fange ich einmal an mit der Technologie. Ganz wichtig ist natürlich zu sagen, dass wir ja hier in einem Deeptech-Bereich sind, also in einem doch sehr hochkomplexen Bereich, der in gewisser Weise ein ganz natürliches Wachstum der Erdbeerpflanze eben mit ganz viel Technologie vereint. Und da reden wir natürlich vom Licht, wir reden vom Wasser bzw. der Nährstofflösung, wir reden von der Temperatur. Und wir reden auch darüber, dass wir natürlich auch, obwohl wir ein hermetisch abgeriegeltes System haben, auch die Pflanzen bestäuben müssen und dementsprechend zum Teil auch eben Schädlinge in der Farm hatten. Und insbesondere war es so, dass wir gerade am Anfang diese ganze Technologie erst einmal harmonisieren müssen und mussten. Und das führte dazu, dass wir öfter mal den Ausfall der Klimaanlage hatten, weil: Man muss sich vorstellen, dass diese Klimaanlage ja auch ein Novum war. Also so für eine Erdbeerfarm wurde die bis jetzt ja auch noch nicht gebaut, wir haben die also dann dementsprechend anpassen lassen dafür. Und die ist relativ häufig ausgefallen. Das war aber auch nicht so das große Problem, weil: Die kann man wieder anmachen. Man musste natürlich dann ab und zu mal da hin. Ein größeres Problem war zum Beispiel, dass der Sensor, der das Wasser am untersten Punkt der Farm wieder nach oben pumpt, dass der manchmal Fehlermeldungen hatte. Und das führte dazu, dass wir mehrfach mitten in der Nacht angerufen wurden, dass das ganze Gebäude – und man muss dazu sagen, wir sind aktuell noch Untermieter bei einem mittelständischen Unternehmen im Ruhrgebiet –, dass dieses Wasser einmal das ganze Gebäude überflutet hat, was natürlich dazu führte, dass wir dann, ja, in wirklich Hauruckaktion schnell hingehen mussten, das Problem fixen mussten und vor allem das Wasser wieder einsammeln mussten. Das sind so wirkliche Dinge, die kamen oft vor. Ein weiterer Punkt ist ganz klar auch die Schädlingsbekämpfung – und das gehört ja auch zu unserer Nachhaltigkeitsphilosophie oder unserer Nachhaltigkeitsvision, dass wir eben keine Pestizide einsetzen. Und natürlich müssen wir dann erst mal schauen: Wie können wir überhaupt mit Schädlingen umgehen? Und hier haben wir uns dann dazu entschieden, dass wir hier mit Nützlingen arbeiten. Das sind zum Beispiel Marienkäfer, die sich eben dann die Blattläuse vorknöpfen und dementsprechend versuchen, den Schädlingsbefall gering zu halten. Aber auch das waren alles Learnings und sind noch Learnings, wie wir damit umgehen. Wir sind, glaube ich, auf einem sehr guten Weg, auch eben diese Herausforderung im Technologiebereich, in der Farm, uns anzugucken und auch täglich zu verbessern. Aber wir haben’s, würde ich mal sagen, auf die harte Tour gelernt.
Sie haben auch Probleme mit Zulieferern erwähnt. Was ist da passiert?
Das ist auch ein wichtiges Learning, was wir mitgenommen haben. Und zwar ist es so, dass wir als Start-up gerade am Anfang ja ein sehr kleiner Player sind. Und wir wollten unsere Vision und unsere Mission natürlich transportieren. Und dazu haben wir eine wirklich sehr futuristische Verpackung designt und in Auftrag gegeben zum Druck. Natürlich ist es so, dass in Krisenzeiten nicht immer alles klappt mit der Lieferkette. Und so war es auch der Fall, dass unser Zulieferer nicht das einhalten konnte, was er uns versprochen hat. Wir haben unsere Ressourcen noch mal gebündelt und dann wirklich – ich glaube, insgesamt wahrscheinlich 20 – verschiedene Druckereien in der Region angeschrieben, unsere Druckfahne gezeigt und gesagt: „Wie schnell könnt ihr diese liefern?“ Das hat aber auch dazu geführt, dass wir eben natürlich auf der einen Seite viel höhere Kosten haben für eine viel geringere Anzahl an Verpackungen; und gleichzeitig mussten wir auch noch alle Verpackungen händisch kleben – was eigentlich der größte Nachteil in dem Ganzen war, und zwar dadurch, dass hier wirklich tagelang wir alle geblockt waren, also nicht nur die Gründer, sondern auch das ganze Team von vGreens geblockt waren, mit eben Verpackung kleben, was wirklich viel Zeit, viele Nerven gekostet hat. Aber im Endeffekt haben wir das dann auch geschafft und auch eine Lösung gefunden.
Sie haben die kleinen Stückzahlen erwähnt. Sie sind ein kleiner Player. Lohnt sich denn das Vertical Farming im Vergleich zu den herkömmlichen Anbaumethoden überhaupt? Denn wenn Sie nach wie vor kleine Stückzahlen produzieren, gibt es denn da überhaupt genügend Abnehmer, um rentabel zu sein?
Aktuell, muss man sagen, sind die Kosten natürlich noch sehr hoch. Wir können trotzdem dadurch, dass wir uns auch mit vGreens und mit unseren Premium-Erdbeeren im Luxussegment bewegen, können wir natürlich kostendeckend mehr oder weniger arbeiten. Nichtsdestotrotz ist ganz klar auch die Prämisse, dass wir mit unseren Farmen effektiver sein müssen. Und vor allem müssen wir skalieren. Das heißt, wir brauchen größere Farmen, um das Ganze rentabel zu machen. Parallel entwickeln wir natürlich auch eine Farm, die eben datengesteuert ist und datengetrieben, einen datengetriebenen Prototypen, der im Endeffekt dann auch lizenzierbar sein wird in Zukunft und dementsprechend überall dezentral eben die Erdbeeren produzieren kann. Und man kann sich vorstellen, dass eben auch mit der Quantität der Erdbeeren natürlich auch der Preis dementsprechend sinkt.
Jetzt haben Sie vorhin schon angesprochen, dass Sie Ihr Privatvermögen da reingesteckt haben, und es hat eine Weile lang gedauert, auch einen Investor zu finden. Jetzt sind wieder Investitionen für den Aufbau einer größeren Farm und für die Skalierung des Geschäftsmodells notwendig. Wie schwierig war denn die Investorensuche?
Ja, die Investorensuche war nicht schwierig, aber herausfordernd. Ich glaube, wir bedienen eigentlich schon ganz viele Punkte, die auch wahrscheinlich von den meisten Investoren heute gefragt sind. Das ist zum einen die Aspekte der Nachhaltigkeit, das ist zum anderen das Datengetriebene, was wir und unser Start-up auch ausmacht. Nichtsdestotrotz hat es für uns wirklich lange gedauert, auch Investoren zu überzeugen von unserer Vision und unserer Idee und vor allem von unserem Businessmodell. Am Ende des Tages kann die Vision auch nur so gut sein wie das Businessmodell. Und auch dieses muss skalieren. Es muss auch einen Sinn natürlich für einen Investor machen. Und der Sinn einer Investition ist in dem Fall meistens auch Rendite. Wir haben viel überlegt, was und wie wir uns finanzieren wollen. Wir haben in dem Fall uns dann für eine Risikokapitalfinanzierung entschieden. Das hatte mehrere Punkte. Einen kann ich vielleicht sagen, und zwar in dem Fall, wenn man sich ein erfahrenes Investor-Konsortium reinholt, hat man natürlich auch wieder Zugriff auf Ressourcen, die dann vielleicht eben von beratender Struktur sind. Und diese helfen uns auch weiter, ja, auch nach vorne zu gehen.
Haben Sie denn auch an andere Finanzierungsmöglichkeiten, öffentliche Förderungen, Stipendien oder Förderkredite gedacht?
Ja, absolut, klar. Da haben wir uns sehr ausgiebig mit beschäftigt, und das tun wir aktuell natürlich auch noch, weil wir ja auch die große Farm in dem Fall auch bauen wollen, Ende des Jahres. Und wir haben uns hier wirklich sehr viel angeschaut, ganz viele Förderkredite, unter anderem natürlich auch von der KfW Bank. Es gibt aber natürlich auch weitere, die zum Beispiel an europäische oder nationale Förderprogramme angesiedelt sind – oder in nationalen europäischen Förderprogrammen angesiedelt sind. Und diese sind sehr interessant. Wir bewegen uns dann aber auch in höheren Sphären. Das heißt, für die große Farm geht es dann zum Teil schon in den zweistelligen Millionenbereich. Und da muss man einfach auch schauen: Inwieweit kann man hier eben diese Förderprogramme bespielen? Ich halte die aber – und das auch vielleicht als ein Hinweis für andere junge Gründer – für sehr, sehr erfolgreich, weil diese Förderprogramme wirklich einen guten Startpunkt bieten können. Und zum Teil ist es ja so, dass anteilmäßig diese Kredite auch nur zu einem gewissen Betrag zurückgezahlt werden können. Wir haben uns da auch lange mit beschäftigt, aber wie ich gerade ausgeführt habe, haben wir uns dann doch für das Risikokapital entschieden, auch eben aus dem Grund, dass wir hier auch unser Netzwerk ein Stück weit erweitern wollten.
Ja, KfW Research, sozusagen die Forschungsabteilung der KfW Bankengruppe, hat vor Kurzem ein Papier veröffentlicht, wonach sich nur 23 Prozent der Erwerbsfähigen in Deutschland überhaupt für eine berufliche Selbstständigkeit entscheiden würden. Diese Studie zählt auch Faktoren auf, die die Gründungsbereitschaft in Deutschland erhöhen würden. Wir verlinken darauf auch in unseren Shownotes. Aber was würden Sie denn sagen, Herr Dr. Krampe, sind die größten Gründungshemmnisse hierzulande?
Ich glaube, das größte Risiko für angehende Gründer ist das damit verbundene oder zumindest wahrgenommene Risiko, die es mit sich bringt, wenn man eben eine Unternehmung gründet. Das muss nicht immer das tatsächliche Risiko sein, meiner Meinung nach. Aber ich bin ganz fest der Überzeugung, dass es da draußen, gerade bei uns im Wirtschaftsstandort Deutschland, wirklich superviele … wir können die in dem Fall mal Intrapreneurs nennen, die Topideen haben, aber eben diesen letzten Schritt nicht gehen. Und ich glaube, hier ist es ganz klar so, dass die Rahmenbedingungen oftmals nicht gegeben sind. Ja, ich hoffe, dass eben diese Rahmenbedingungen unter anderen eben auch durch diese Förderkredite, die vielleicht zum Teil noch auch vom Bundesministerium gebackupt sind, dass diese wirklich dazu führen, dass sich mehr Leute trauen.
Das schließt eigentlich nahtlos an an meine erste Frage in unserer Rubrik …
Was würde die Gründungsbereitschaft in Deutschland Ihrer Meinung nach konkret erhöhen?
Ich glaube, um die Gründungsbereitschaft in Deutschland zu erhöhen, müssen wir zum einen bürokratische Hürden senken. Wir müssen finanzielle Anreize schaffen und vielleicht eben auch Stipendien schaffen, die es ermöglichen, im internationalen Wettbewerb sich umzuschauen.
Warum eignet sich die Lebensmittelproduktion besonders für innovative Technologien?
Ich bin mir gar nicht so sicher, ob sich die Lebensmittelproduktion besonders gut für innovative Technologien eignet. Was wir aber sehen, ist, dass wir definitiv eine Kehrtwende brauchen in der Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel produzieren. Und ich glaube, dass diese Innovation insbesondere und ziemlich gut in der Lebensmittelproduktion angewendet werden kann, um hier eben die Nachhaltigkeitsziele dann auch zu erreichen. Innovative Technologie ist dabei mehr als Werkzeug zu sehen, die eben hier auch angewendet werden kann.
Wie müssen Gründerteams gestrickt sein?
Ich glaube, dass ein erfolgreiches Gründerteam aus einem interdisziplinären Team bestehen muss. Dies zum einen in Bezug auf die Kernkompetenzen, aber auch natürlich in Bezug auf die Persönlichkeiten. Also es müssen bestimmte Reibungspunkte entstehen, denn nur so kann man wirklich neue, innovative Ideen schaffen und vor allem auch diskutieren.
Okay, vielen Dank, Herr Dr. Krampe! Bitte vervollständigen Sie zum Abschluss noch folgende Sätze: Nach meinem Studium wollte ich eigentlich …?
… reisen. Mehr reisen.
Künstliche Intelligenz bedeutet für mich …?
… die Zukunft.
Mein schönstes Erlebnis bei vGreens war …?
… die erste Erdbeere zu essen.
Meine Lieblingsfrucht außer der Erdbeere ist …?
… der Apfel.
Ja, okay, dann guten Appetit und vielen Dank, Herr Dr. Krampe. Als großer Erdbeerfan freue ich mich natürlich über ganzjährig frische Erdbeeren, noch dazu wenn sie nachhaltig erzeugt worden sind. Viel Erfolg mit vGreens und Grüße an Ihre drei Mitgründer!
Vielen Dank, Herr Thurm! Hat mich sehr gefreut, hier zu sein.
Auch in der kommenden Folge stellen wir eine nachhaltige Gründung vor. Die Firma traceless ist ein Bioökonomie-Unternehmen, das eine nachhaltige Alternative zu Kunststoffen auf Basis von natürlich existierenden Bio-Polymeren entwickelt hat – plastikfrei und aus den Rückständen der Agrarindustrie. Begeben Sie sich mit uns auf die Spuren von traceless in der kommenden Folge von „Ungeschönt“.
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