Deutschland braucht mehr Gründerinnen

Shownotes

Der 8. März ist Internationaler Frauentag. Für „Ungeschönt“ Anlass, den Blick speziell auf weibliche Unternehmensgründungen zu lenken. Nur 39 Prozent der Gründungen hierzulande gehen im Schnitt der vergangenen Jahre auf Frauen zurück. Noch immer sind Frauen also deutlich unterrepräsentiert. Gemeinsam mit Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW Bankengruppe und Leiterin von KfW Research, und Elif Kahnert, Geschäftsführerin des Social Business Women e.V., gehen wir den Ursachen auf den Grund. Woran liegt es, dass Frauen weniger gründen? Welche Rahmenbedingungen herrschen vor und wie kann man sie verbessern? Mehr Tipps erfahren potenzielle Gründerinnen in unserem „Ungeschönt“ Special zum Weltfrauentag.

Mehr Informationen zu Fördermöglichkeiten auf

www.kfw.de/gruenderinnen

Inititiative "Coco - Frauen gründen"

kfw.de/gruenden

kfw.de/nachfolge

kfw.de/ungeschoent

kfw.de

Social Business Women e.V.

Transkript anzeigen

KfW-Podcast „Ungeschönt“

Special zum Weltfrauentag am 08.03.2023

mit Elif Kahnert (Social Business Women e.V.)

und Dr. Fritzi Köhler-Geib (Chefvolkswirtin der KfW Bankengruppe)

Wir haben viele Frauen, die eben in Deutschland auch erfolgreich gründen. Wie können wir jetzt auf diesem guten Fundament aufbauen? Und was braucht es denn eigentlich, um hier noch etwas mehr Frauen für eine Gründung zu begeistern?

Was es vielleicht bedarf, ist, dass gründungsinteressierte Frauen mit tollen Gründungsideen, Geschäftsmodellen das Gefühl haben, dass sie aufgefangen werden erst mal und dann nicht in existenzielle Schieflagen geraten, sondern dass es hier irgendwie eine Möglichkeit gibt, überbrückend finanziell abgesichert zu sein, wenn ich risikobereit bin, zu gründen.

Der 8. März ist Internationaler Frauentag oder auch Weltfrauentag – und das schon seit über 100 Jahren. Für „Ungeschönt“ ist das Anlass genug, einen Blick auf die Gründerinnen-Szene hier zu werfen. Wie sieht es aus mit weiblichen Gründungen, mit Risikobereitschaft, Chancengerechtigkeit, Zugang zu Kapital? Welche Hindernisse stellen sich Gründerinnen hierzulande in den Weg und wie können wir sie überwinden? Das erörtern wir heute mit zwei Expertinnen, zum einen der Geschäftsführerin des Social Business Women e. V., eines Vereins für berufliche Beratung, Training und Begleitung von Frauen, und zum anderen mit der Chefvolkswirtin der KfW Bankengruppe. Herzlich willkommen zu unserem „Ungeschönt“-Weltfrauentags-Special, sagt Holger Thurm.

Herzlich willkommen, Elif Kahnert und Dr. Fritzi Köhler-Geib!

Hallo!

Hallo! Freut mich sehr!

Sie sind beide keine Unternehmerinnen, kommen aber ständig mit dem Thema weibliche Gründungen in Berührung und sind durch Ihre persönlichen Lebensläufe durchaus Role Models für Frauen, die beruflich erfolgreich sein wollen. Aber bevor wir Sie kurz vorstellen, wie würden Sie in einem Satz die Situation der Gründerinnen in Deutschland beschreiben?

Wichtiger Beitrag mit Luft nach oben.

Danke, Frau Dr. Köhler-Geib. Und Sie, Frau Kahnert?

Ich denke, die Perspektiven für die Zukunft sehen auf jeden Fall besser aus als noch vor ein paar Jahren.

Ganz herzlichen Dank. Ich habe Sie jetzt beide bereits als Expertinnen für das Thema bezeichnet. Wir möchten das aber kurz anhand Ihrer beiden Werdegänge noch erläutern.

Elif Kahnert ist Geschäftsführerin von Social Business Women e. V., einem Verein, der Frauen bei ihrer beruflichen Neuorientierung, dem Wiedereinstieg ins Berufsleben oder bei Existenzgründungen unterstützt. Sie hat sich früh für Frauenthemen im beruflichen Kontext engagiert, Erziehungswissenschaften und Gender Studies studiert, als Dozentin gearbeitet, eine Coaching-Ausbildung absolviert und mehrere Jahre in einer Digitalagentur gearbeitet. Sie setzt sich dafür ein, dass Frauen in Führungspositionen und in der Gründungsszene sichtbar werden und ihre Ideen und Projekte verwirklichen können.

Fritzi Köhler-Geib ist promovierte Volkswirtin. Ihre wissenschaftliche Laufbahn führte sie in die USA, nach Frankreich, Deutschland, Spanien und in die Schweiz. Mehr als ein Jahrzehnt lang durchlief sie verschiedene Stationen beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Washington D.C., deren Chefvolkswirtin für Zentralamerika sie wurde. Seit 2019 ist sie Chefvolkswirtin der KfW Bankengruppe in Frankfurt und leitet die Abteilung KfW Research – das „Forschungszentrum“ der KfW Bankengruppe mit Analysen, Studien und Konjunkturprognosen. Bei wirtschaftlichen Trends zu Klimaneutralität, Innovation und Digitalisierung sowie Makroökonomie und Finanzmärkten ist Fritzi Köhler-Geib mit ihrem Team am Puls der Zeit.

Frau Kahnert, Sie haben mal in einem Interview gesagt, Sie wären selbst eine klassische Kundin für Social Business Women e. V. gewesen. Warum?

Ähm, ja, das habe ich gesagt. Würde ich auch heute wieder sagen. Ich denke, es liegt einfach an meiner Biografie, dass ich sehr früh Mutter geworden bin, schon mit 21, gerade vorm Abitur war und ohne Berufsausbildung und für mich auch entscheiden musste, wie geht es jetzt beruflich weiter, zwischendurch auch eine Gründungsidee hatte und dann auf dem zweiten Bildungsweg studiert habe, eine Ausbildung zum Coach gemacht habe und immer wieder Frauen hatte um mich herum, die mich unterstützt haben auf diesem Werdegang.

Frau Dr. Köhler-Geib, Sie sind Volkswirtin. Ich weiß nicht, ob Sie sich jemals mit dem Gedanken getragen haben, selbst ein Unternehmen zu gründen. Aber warum lohnt es sich denn aus Ihrer Sicht, für Frauen zu gründen? Was sind die Vorteile?

Eine Gründung ermöglicht die Gestaltung von Gesellschaft eben durch unternehmerische Fähigkeiten, Tätigkeiten. Ich selbst habe an einer Uni studiert, die auch viel mit Unternehmertum gemacht hat. Und auch als Volkswirtin habe ich immer versucht, den Blick auch auf die Unternehmen zu richten und eben diese unternehmerische Sicht zusammenzubringen mit der volkswirtschaftlichen Sicht. Unternehmertum bringt Risiken mit sich, aber eben auch diese Gestaltungsfreiheit und eben auch die Möglichkeit, in Verantwortung hineinzuwachsen, indem nämlich ein Unternehmen ja möglicherweise auch deutlich wächst.

Frau Kahnert, jetzt haben wir ein paar Motive gehört. Was motiviert denn Ihre Kundinnen?

Das sind ganz unterschiedliche Motive. Eines würde ich aufgreifen wollen, das ist so dieser Gestaltungsspielraum, den man auf jeden Fall hat, Dinge in die Welt zu bringen – wenn man innovationsgetrieben ist, wenn man eben Lust hat und Ideen weiterentwickeln möchte, dann bietet das Unternehmertum und die Selbstständigkeit natürlich die größte Möglichkeit, sich hier zu entfalten. Manchmal sind das aber auch eben ganz praktische Gründe, nämlich zum Beispiel, in einer Elternzeit oder nach einer Elternzeit eine bestimmte Flexibilität in den Alltag zu bringen, sowohl sich beruflich weiterzuentwickeln als auch zum Beispiel sich Zeit zu nehmen für die Kinder oder eben seine Freizeit flexibel zu gestalten.

Dann sehen wir uns mal die Situation von Gründerinnen in Deutschland an. Bei Frau Dr. Köhler-Geib klangen ja schon Zahlen an. Aufhänger einer aktuellen Studie von KfW Research namens Female Entrepreneurship war, dass im Durchschnitt der letzten Jahre, also zwischen 2017 und 2021, insgesamt nur 39 Prozent der Gründungen in Deutschland durch Frauen realisiert wurden. Dabei machen Frauen ja bekanntlich rund die Hälfte der Bevölkerung aus, sind bei Existenzgründungen also deutlich unterrepräsentiert. Ich würde gerne mal nach den Gründen fragen. Warum sind es nur 39 Prozent?

Ja, das ist ganz interessant, Herr Thurm. Es ist es ja sogar über einen längeren Zeitraum so, dass auch, wenn wir zum Anfang des Jahrtausends zurückgehen, der Durchschnitt immer noch bei rund 40 Prozent Gründungen durch Frauen und eben 60 Prozent durch Männer liegt. Sicherlich spielt hier eine Rolle das Mindset, also die gesellschaftlichen Vorstellungen, was auch Frauen in ihrer Karriere tun. Wir sehen, dass – nachgefragt bei Frauen – sie häufig angeben, dass sie als Kinder eher in musischen und künstlerischen Fächern gefördert worden sind, während bei Jungen das oft mathematische und naturwissenschaftliche Themen sind – als ein Beispiel. Das könnte erklären, warum wir eben auch mehr Aktivität von Frauen dann in Bereichen sehen, die diesen Themenfeldern näher gelagert sind. Insgesamt sehen wir auch in der Erziehung, dass Mädchen eher risikoavers erzogen werden, wobei Jungen eher erzogen werden in die Richtung, mehr Risiken einzugehen. Und das macht sich dann eben auch bemerkbar bei der Wahl von Berufen oder eben auch für eine Gründung oder gegen eine Gründung. Denn: Ein Unternehmen zu gründen bedeutet ja eben auch, dass man hier das Risiko in Kauf nehmen muss. Und da sehen wir eben, dass es weniger Frauen gibt, die hier aktiv sind. Also es ist ganz interessant: Wenn man sich das mal über den Gründungsprozess anguckt, ist es nämlich so, dass es schon insgesamt weniger Frauen gibt – also eben, da sind wir auch bei diesen rund 40 Prozent, die überhaupt sich erst entschließen, eine Unternehmung gründen zu wollen. Es ist also nicht so, dass die Frauen über den Gründungsprozess verloren gehen und deshalb am Ende es weniger Gründungen durch Frauen gibt, sondern dass von Anfang an sich ein geringerer Anteil von Frauen für eine Gründung entscheidet. Und das ist eben ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir hier wirklich an gesellschaftlichen Vorstellungen von Frauen und Männern ansetzen müssen.

Also wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das so eine Art risikoaverse Erziehung und die steht einer Gründungsbereitschaft quasi im Wege. Und das hängt zusammen mit kulturell verankerten Geschlechterstereotypen. Frau Kahnert, sehen Sie das ähnlich?

Wir sehen bei uns in der Praxis tatsächlich ganz viele Frauen, die ein Gründungsinteresse und eine Gründungsneigung haben, dann aber die tatsächliche Gründung nicht vollziehen. Und hier sind natürlich dann die Zahlen relevant. Wenn wir darauf gucken, wie viele Frauen gründen, dann stellt sich eben heraus, dass es eben diese knapp 40 Prozent sind. Ich würde sagen, so aus dem Bauch, dass wir viel mehr Frauen haben mit Gründungsinteresse, aber im Laufe dieses Gründungsprozesses abbrechen, weil ihnen zum Beispiel die Risikobereitschaft am Ende doch fehlt. Und ich glaube, es liegt unter anderem daran, dass viele gründungsinteressierte Frauen eine bestimmte Stabilität brauchen, so eine Ordnung, Stabilität, um sich wohlzufühlen, sicher zu fühlen, um dann eben die Gründung tatsächlich weiter voranzutreiben.

Also, ich könnte hier noch mal ergänzen: Was eben für diese Geschlechterstereotype spricht, ist eben auch der Fakt, dass strukturell sich Gründungen von Männern und Frauen unterscheiden. Also nämlich in der Hinsicht, dass Frauen häufiger im Nebenerwerb gründen. Also das heißt, die haben noch einen Broterwerb sozusagen und machen so eine Gründung erst mal nebenbei. Also das machen auch viele Männer, aber eben der Anteil von Frauen, die so gründen, ist höher, da sind es ungefähr zwei Drittel. Und dann sehen wir eben schon auch, dass häufiger Frauen freiberuflich gründen, also in einem größeren Anteil der Fälle, als das bei Männern der Fall ist, und auch häufiger als Männer erst mal alleine starten, als soloselbstständige Gründung. Das spricht eben schon dafür, dass hier erst mal ausprobiert wird. Und das kann ja auch vorteilhaft sein. Also wir sehen, dass es einen niedrigeren Prozentsatz von Gründungen durch Frauen gibt, die dann später in finanzielle Schwierigkeiten geraten, als das bei Gründungen durch Männer der Fall ist. Und das, obwohl Frauen ein niedrigeres Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten [haben], gerade eben auch was den finanziellen Bereich angeht. Und ich fand das jetzt wirklich sehr interessant, Frau Kahnert, was Sie aus Ihrer Praxis berichtet haben, weil ich glaube, das zeigt einfach, dass sich diese Betrachtungsweisen ganz gut ergänzen, weil was wir uns ja hier natürlich angucken, sind die Gründungen über Deutschland insgesamt. Also wir machen ja eine Telefonbefragung mit 50.000 Gesprächen, die geführt werden. Und über diese Gespräche wird dann eben eine Gründungsquote in Deutschland ermittelt, und dann eben auch können wir so strukturelle Themen identifizieren. Und das ist das große Gesamtbild, was sich ergibt. Und da finde ich es total spannend zu hören, wie sich das dann wirklich bei Ihnen darstellt, denn: Das kann natürlich auch sein, dass viele Frauen dann sich schon mal bei Ihnen erkundigen und sozusagen Sie einen bestimmten Ausschnitt der Bevölkerung sehen.

Ja, das ist tatsächlich so, dass Frauen, wenn sie ein Gründungsinteresse erst mal so ganz rudimentär haben und noch gar nicht genau wissen, in welche Richtung es geht, und … oder aber auch ganz genau wissen, worum es geht, dann eben den Weg zu uns gefunden haben, hier in die Beratung kommen, und entweder besuchen die erst Workshops oder gehen in Eins-zu-eins-Gründungscoachings rein, dann teilweise konfrontiert werden mit den Anforderungen, die das Ökosystem Gründung, sag ich jetzt mal, mit sich bringt. Also was braucht es eben, um gut zu gründen, um dann eben auch nachhaltig auf dem Markt bestehen zu bleiben, egal mit welcher Art der Gründung? Weil es soll ja immer eine tragfähige und existenzsichernde Gründung sein. Das ist zumindest auch von uns als Social Business Women Ziel: Frauen in eine finanzielle Unabhängigkeit zu begleiten. Und dann kommen auf jeden Fall ganz viele Faktoren rein. Ich sag jetzt mal, es fängt an mit der Idee eben, es braucht einen Businessplan erst mal, um eine grobe Struktur zu haben: Worum geht es? Wer ist die Zielgruppe? Über welche Kanäle möchte ich kommunizieren? Und dass dann so eine Situation entsteht, dass diese Anforderungen, die plötzlich auf einen niederprasseln, mit allen anderen Anforderungen in der Rolle als Frau dann doch für eine bestimmte Zeit als erst mal nicht realisierbar eingeordnet werden. Und dann eben auch Gründerinnen für sich erst mal, auch wenn das keine objektiven Faktoren sind, entscheiden, die Gründung erst mal auszusetzen. Und ich benenne das immer hier: so was wie die Abbruchrate. Und hier finde ich es total wichtig, die Frauen zu begleiten, die Gründe zu identifizieren und dann auch gute Lösungen dafür bereitzuhalten.

Hier würde ich ganz gern noch mal einhaken, weil ich dann schon wichtig finde, auch noch mal zu erwähnen, dass wir im Jahr 2021 schon auch 257.000 erfolgreiche Gründungen hatten durch Frauen, also die umgesetzt worden sind. Das sind, wie gesagt, eben in dem Jahr 2021 42 Prozent der Gründungen, ja? Es gab 350.000 Gründungen durch Männer. Und die Tendenzen, die ich eben genannt habe, oder die, ähm, die Gründe, das sind sozusagen Faktoren, die wir häufiger bei Frauen als bei Männern feststellen. Das finde ich noch mal ganz wichtig zur Einordnung. Wir haben viele Frauen, die eben in Deutschland auch erfolgreich gründen. Und die Frage ist ja: Wie können wir jetzt auf diesem guten Fundament aufbauen? Und was braucht es denn eigentlich, um hier noch etwas mehr Frauen für eine Gründung zu begeistern? Vielleicht noch ein weiterer Punkt, den ich auch ganz spannend finde: Gründungstätigkeit insgesamt in Deutschland hat seit der Jahrtausendwende deutlich abgenommen. Während 2002 noch rund anderthalb Millionen Gründungen stattgefunden haben, waren das eben 2021 etwas mehr als 600.000. Also wir haben hier wirklich einen deutlichen Rückgang gesehen. Und das sehen wir eben auch bei Gründungen durch Frauen. Also das heißt, wir müssen uns darüber Gedanken machen: Wie können wir mehr Frauen begeistern? Aber wir müssen uns ganz grundsätzlich fragen: Wie können wir überhaupt den Gründungsgeist in Deutschland wieder stärker entfachen?

Darauf würde ich auch gerne im weiteren Verlauf des Gesprächs noch kommen. Es klang allerdings auch schon an: die finanziellen Möglichkeiten, die Gründerinnen offenstehen. Vielleicht beleuchten wir das auch noch mal. Wir haben ja hier auch eine Bankerin mit im Gespräch. Wie sieht es denn aus mit dem Zugang zu Kapital? Ich rede jetzt nicht nur unbedingt von Krediten, sondern vielleicht auch Zugang zu Venture Capital.

Ja, also da ist es so, dass grundsätzlich Gründerinnen einen guten Zugang zu Finanzierungen haben. Wir sehen sogar, dass Gründerinnen häufiger erfolgreich sind, also hier dann eben auch ohne finanzielle Schwierigkeiten zurechtkommen, was aber eben vielleicht auch damit zu tun hat, dass Frauen größere Vorbehalte zunächst mal haben. Und wo wir aber dann wirklich einen Unterschied sehen, ist – Sie haben das eben angesprochen –: das Venture Capital. Da ist es so, dass Frauen weniger häufig VC-Finanzierung für ihren Start-up erhalten, und wenn sie das bekommen, dann auch nur kleinere Tickets.

Was ist die Ursache dafür?

Ja, ein wichtiger Grund ist vermutlich, dass gerade der VC-Markt doch stark männlich geprägt ist, dass also bei den Investmentfonds, gerade eben auch in den Entscheidungskomitees, den Investment Committees, eben hauptsächlich Männer sitzen. Während insgesamt bei VC-Fonds der Frauenanteil bei rund 17 Prozent liegt – also ist jetzt ja auch nicht wirklich hoch –, ist er aber eben in diesen Investment Committees, liegt er nur bei 7 Prozent. Und wir wissen aus der Verhaltenspsychologie, dass wir als Menschen anderen Menschen, die ähnliche Charakteristika haben wie wir, in der Tendenz mehr vertrauen. Und das heißt, dass allein diese Struktur vermutlich eben schon dazu beiträgt, dass Frauen es hier tatsächlich schwerer haben, an Finanzierungen zu kommen, wie wir es dann eben am Ende auch sehen. Das heißt, hier muss man wirklich ansetzen und da gucken, welche Maßnahmen ergriffen werden können, dass da, wo Entscheidungen getroffen werden, in diesen Komitees, mehr Frauen vertreten sind.

Also Sie sprachen männlich geprägte VC-, also Venture-Capital-Ökosysteme an. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen, Frau Kahnert?

Wir begleiten eher Frauen im Gründungsbereich kleiner Mittelstand, Solopreneurinnen. Das heißt, wir haben wenig Berührungspunkte mit Venture Capital. Wir haben auch schon Start-up-Gründerinnen hier, die dann eher das Bootstrapping zum Beispiel für sich als Finanzierungsmethode gewählt haben. Wir haben oft eher die Thematik, dass wir Frauen beraten, damit sie das überhaupt in Erwägung ziehen, weil viele sich nicht verschulden möchten und verschuldet in die Gründung reingehen möchten, um hier erst mal auch aufzuzeigen, so ein positives Money-Mindset zu bekommen, um dann überhaupt in die Gründung reinzuinvestieren, um hier einen anderen Hebel von Anfang an in ihrem Gründungsgeschehen zu haben.

Vielleicht bleiben wir mal bei Ihrer Beratungspraxis. Sie haben jetzt viele Solopreneurinnen angesprochen. Frau Kahnert, in welchen Bereichen wollen denn die meisten Ihrer Kundinnen gründen?

Tatsächlich sind viele unserer Gründerinnen im Nebenerwerb Gründerinnen und wollen das erst mal ausprobieren, ein Standbein bekommen, sich einen bestimmten Kundenstamm erschließen, um dann in Vollerwerb zu gehen. Ich glaube, so ungefähr 30, 40 Prozent sind im Teilerwerb eben selbstständig. Meistens sind es die freiberuflichen Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich: Gesundheit – also man nennt das haushaltsnahe Dienstleistungen, wobei zum Beispiel Frauen auch eher im Bereich Handwerk gründen. Das sind dann oft Bereiche aus der Kosmetik oder aus dem Friseurhandwerk. Die allerdings suchen auch die Unterstützung gar nicht so sehr direkt bei uns. Ich glaube, da machen die Handwerkskammern ganz gute Arbeit. Wir haben dann ganz viele Frauen, die im Freiberuflichen in diesem ganzen Dienstleistungsbereich gründen.

Und mit welchen Hindernissen sehen sich dann Ihre Kundinnen ganz konkret in der Praxis konfrontiert? Vielleicht könnten Sie auch ein paar Beispiele für Hürden nennen und wie diese Gründerinnen diese überwunden haben.

Also tatsächlich sind die Frauen, die ein Gründungsinteresse haben und sich informieren, ein bisschen damit konfrontiert, dass es in der Gründungslandschaft unglaublich viel Beratung und Angebote gibt, aber sich daraus erst mal etwas zu selektieren, was für ihre Gründung und ihrer aktuellen Situation entsprechend das richtige Programm ist. Dann sind es ganz viele eigene Hemmnisse, Glaubenssätze, die erst mal überwunden werden müssen. Finanzierungsaspekt sehen wir hier bei uns gar nicht so als großes Hemmnis, weil wir eben nicht im Start-up-Bereich tätig sind. Wir versuchen eher zu motivieren, eben doch zu finanzieren oder einen Gründungskredit aufzunehmen. Es gibt so eine Unterscheidung, glaube ich, eher von diesen harten Hindernissen und von den softeren Hindernissen. Oft ist es so die überdimensionierte Verantwortlichkeit in den anderen privaten Bereichen, mit denen Frauen konfrontiert sind, seien es jetzt Betreuungsplätze für die Kinder, wie sieht mein Alltag als Gründerin aus. Weiterhin sind Hindernisse zum Beispiel, dass man alleine Angst hat in dieser Selbstständigkeit, alleine ohne Team irgendwie unterzugehen. Und wie hat man diese Hindernisse überwunden? Ich glaube, so ein paar Beispiele sind, sich tatsächlich zu vernetzen mit anderen Gründerinnen und erst mal zu sehen, dass diese Hindernisse gar keine tatsächlichen Hindernisse sind, sondern organisiert werden können – alles, was in diesem Softbereich ist. Und ein Hindernis, was mir vielleicht noch einfällt, ist: Wir haben viele Frauen, die im Alter der eigenen Familienplanung zum Beispiel gründen, gründen wollen, die Beratung suchen, die wirklich eine ganz konkrete Frage haben: Was bedeutet das, wenn ich … Mir fallen jetzt gerade zwei Gründerinnen ein, die zusammen im ähnlichen Alter gegründet haben und dann wirklich die Frage hatten hier: Was ist, wenn eine von uns schwanger wird? Was passiert dann? Müssen wir jemanden einstellen? Dürfen wir eine Frau einstellen oder wäre es eher ratsam, dann einen Mann einzustellen, der nicht schwanger werden kann? Das sind dann Hindernisse zumindest, mit denen im Alltag Gründerinnen konfrontiert werden. Und hier geht es einfach darum, sich wirklich hinzusetzen, ganz offen darüber zu sprechen, welche Hindernisse man sieht und wie man denen eben begegnen kann. Und in dem Fall ist das Netzwerken, der Austausch mit anderen Gründerinnen, total entscheidend. Und in dem konkreten Fall, was ich jetzt erwähnt habe, war das Aussprechen der Thematik und das Einholen einer dritten Person so ein bisschen die Lösung dafür.

Sie haben jetzt auch das Thema Familie angesprochen, Familienplanung, vielleicht auch familiäre Arbeitsteilung. Ist Familie an sich denn ein Hemmnis für Ihre Kundinnen bei Gründungen?

Nein, definitiv nicht. Aber es ist zumindest ein Faktum, was besprochen werden muss. Wir hatten alle in der Corona-Zeit zum Beispiel die Situation, dass Betreuungsplätze geschlossen werden mussten oder dass man seine Kinder selbst irgendwie beaufsichtigen musste. Und das sind ganz konkrete Fragestellungen, die sich ergeben, für die es aber Lösungen gibt. Aber man muss dann eben die Sorge darum, wie funktioniert das im tatsächlichen Gründungsgeschehen, wenn ich keinen Betreuungsplatz bekomme für mein Kind, wie sieht das dann tatsächlich aus, diese Frage müssen wir uns dann angucken und dafür gibt es dann Lösungen. Man kann eben bestimmte Worst-Case-Szenarien der Betreuung eben durchspielen. Aber ganz wichtig ist eben zu hören: Was sind die Ängste und sind das tatsächlich Ängste, für die es keine Lösung gibt, oder gibt es dann eben dafür Lösungen?

Ja, vielleicht noch mal ganz kurz ergänzend zu Frau Kahnert mit Blick auf das Thema der Arbeitsteilung: Jetzt, in der Covid-Pandemie, ist der größere Teil der zusätzlichen Betreuungsaufgaben von Kindern, beispielsweise im Haushalt, auf Frauen entfallen. Also es entspricht dieser Vorstellung, dass eben immer noch in Deutschland Frauen einen größeren Anteil an Hausarbeit und eben Kinderbetreuung, Pflege ausfüllen. Man kann es aber auch anders betrachten: Man kann sagen, dass bei den Männern es einen größeren prozentualen Zuwachs gegeben hat, relativ eben zu der vorher schon auf den Haushalt und die Kinderpflege verwendeten Teil. Man kann also unter diesem Gesichtspunkt auch sagen, dass die Dinge in Deutschland zwar langsam, aber eben in Bewegung kommen. Und das kann ja dann schon auch zur Folge haben, dass sich diese Rollenbilder auflösen.

Ich glaube, ein wichtiger Aspekt hier ist auch, wenn wir Frauen haben, die wir kennen, die gegründet haben, also als Role Models, die in unserer Umgebung tatsächlich stattfinden, die wir sehen. Ich sag jetzt mal nicht die LinkedIn-Superstars, die sind manchmal so unerreichbar, Start-up-Gründerinnen, die ein ganz anderes sozioökonomisches Umfeld haben, andere soziodemografische Merkmale mit sich bringen. Das heißt, wenn ich Role Models habe tatsächlich, die ich kenne, zu denen ich einen Bezug habe, mit denen ich mich besser identifizieren kann, und auch sehe, wie die Familie und Partnerschaft und Selbstständigkeit miteinander ausbalancieren, so kann ich mich damit identifizieren und werde auch als Gründungsinteressierte mutiger, meinem Schritt und meiner Passion sozusagen nachzugehen. Und das halte ich für einen ganz wichtigen Aspekt: die Sichtbarkeit von Kleingründerinnen, Nebenerwerbsgründerinnen, rauszugehen, die zu zeigen und denen ebenfalls ein Gesicht zu geben.

Das kann ich nur unterstützen. Wir sehen in unseren Studien, dass Frauen zwar häufiger andere Menschen sehen in ihrem Freundes-/Bekanntenkreis, die gründen. Wenn wir jetzt aber gerade von einer Welt sprechen, in der es vielleicht zu starke Geschlechterstereotype gibt, und viele dieser Gründenden im Bekanntenkreis Männer sind und das sozusagen für Frauen gar nicht als eigenes oder mit dem eigenen Rollenverständnis notwendigerweise was zu tun hat, dann funktioniert das eben nicht so stark als Rollenvorbild. Und deshalb fand ich jetzt diesen Punkt, den Sie, Frau Kahnert, gemacht haben, das wirklich wichtig zu sagen, dass es eben gut ist, hier auch eine Sichtbarkeit zu verschaffen, so, dass eben es diese Identifizierung geben kann mit Leuten, die erfolgreich gegründet haben.

Also abgesehen davon, dass Frauen bei Gründungen unterrepräsentiert sind und sich durch ihre Gründung selbst eine berufliche Existenz aufbauen können: Warum ist es denn noch wichtig oder sinnvoll, weibliche Gründungen zu fördern?

Ja, wir wissen beispielsweise aus der Forschung zu Managementteams, dass diverse Managementteams bessere Entscheidungen treffen und damit für Unternehmen eine größere Rendite erzielen. Wenn wir jetzt darüber nachdenken: Wir haben einen Schatz an neuen Ideen, die sich möglicherweise in Unternehmensgründungen übersetzen können, dann ist auch hier klar, dass, wenn möglichst viele Menschen eben auch mit unterschiedlichen Charakteristika – und Geschlecht ist da ein relevantes Charakteristikum – hier Gründungen durchführen, dann führt das einfach dazu, dass mehr und bessere Ideen am Ende sich durchsetzen können. Gründungen spielen ja eine wichtige Rolle eben auch für Innovation, für Neuerung. Und da ist es eben auch aus volkswirtschaftlicher Sicht hilfreich und gut und wünschenswert, dass eben auch Frauen hier einen Beitrag leisten können.

In der Praxis sehen wir hier, dass über die Hälfte der Frauen eher Gründungen im Bereich Social Entrepreneurship haben, ohne das so ganz konkret so zu benennen. Und deswegen ist es wichtig, weil Frauen sich eben mit anderen Themen vielleicht beschäftigen und dazu andere Lösungen und andere Geschäftsfelder entwickeln, hier Frauen weiter zu motivieren, die Themen, vor denen wir alle stehen, neu zu denken und eben vielleicht in gemischten Teams oder eben in heterogenen Teams erfolgreich eben auch als Role Models für andere Gründerinnen zu dienen.

Das möchte ich auch noch mal unterstreichen, also noch mal auf das Thema Role Models zurückkommen. Je mehr Frauen wir haben, die gründen, desto mehr Role Models für folgende Generationen gibt es auch. Also das heißt, dass wir es dann eher zu einer Trendumkehr auch schaffen.

Wie können denn erfolgreiche Gründerinnen als positives und auch vielleicht nahbares Vorbild sichtbarer gemacht werden?

Ich denke, es gibt auf jeden Fall ganz viele unterschiedliche Wege, Frauen in die Sichtbarkeit zu bringen und Gründerinnen zu zeigen. Für uns hier auch ganz wichtig: Gründerinnen in der lokalen Presse zu zeigen, Gründerinnen eine Plattform zu geben, über die Webseite von Gründungsinitiativen, von Beratungsstellen eben sichtbar zu machen mit so kleinen Cases, um eine bestimmte Sichtbarkeit auch für erst mal nicht gründungsinteressierte Frauen zu erreichen. Weil wenn wir eine Bühne schaffen, wo erst mal auch wieder, ich sage jetzt, eine bestimmte Gruppe Zugang zu hat, die ohnehin in diesem ganzen Gründungsökosystem aktiv ist, dann bleibt es wieder so unter sich. Ich glaube, es ist wichtig, auch das ganz zu öffnen, eine Bühne zu schaffen, wo auch Frauen Zugang zu haben, die vielleicht erst mal sich noch gar nicht mit Gründungsthemen beschäftigen, das dann eben im zweiten oder dritten Schritt oder halt eben durch die Erziehung an ihre Kinder irgendwie weitergeben. Das ist, glaube ich, auch ein wichtiger Aspekt, den wir beachten müssen.

Ich denke, ein Beispiel, was hier auch wirklich erwähnenswert ist, ist ja die gemeinsame Initiative von KfW Stiftung und des Social Business Women e. V., den Sie, Frau Kahnert, ja leiten: Frauen gründen.

Auf dem Markt gibt es unglaublich viel Wissen, Wissenstransfer. Wenn Sie etwas nachlesen möchten, haben Sie überall die Möglichkeit, sich über Whitepaper, über irgendwelche kostenlosen Angebote Unterstützung zu holen. Und trotzdem gibt es eine Überforderung, irgendwie zu selektieren. Und hier haben wir ein Jahr so ein bisschen unsere Köpfe zusammengesteckt und sind zu einem Ergebnis gekommen: Wir brauchen ein Programm, das von Anfang an begleitet und dann die Frauen aber auch nicht nach der Gründung alleine lässt, sondern kontinuierlich in dem kompletten ersten Gründungsjahr die Frauen begleitet mit Bildungsinhalten, aber auch Inhalten, die über das eigene Money-Mindset zum Beispiel hinausgehen oder [dazu anregen,] über das eigene unternehmerische Know-how nachzudenken: Was bringe ich mit? Wohin möchte ich mich entwickeln? Was bedeutet Wachstum für mich? Und innerhalb eines Jahres möchten wir gründungsinteressierte Frauen in Hessen in eine erfolgreiche Gründung damit begleiten.

Nur in Hessen? Oder wird es auch darüber hinausgehen?

Wir haben uns erst mal entschieden, im ersten Jahr in Hessen zu pilotieren, um dann bundesweit das Programm auszurollen und dann den Zugang für alle gründungsinteressierten Frauen deutschlandweit zu ermöglichen.

Ein weiteres Beispiel ist natürlich auch der Podcast „Ungeschönt“, weil hier ja ganz oft auch Gründungen durch weibliche Gründer vorgestellt werden, oder? Das ist natürlich auch wichtige Sichtbarkeit.

Das stimmt. Es ist schön, dass Sie es erwähnen. Was muss sich denn gesamtgesellschaftlich und strukturell ändern, um die Voraussetzungen für Gründerinnen zu verbessern?

Ich würde es unterscheiden in kurzfristig machbare Maßnahmen und dann langfristige Maßnahmen. Also kurzfristig kann man, glaube ich, schon über Unterstützungsmentorinnen, Vernetzungsprogramme arbeiten. Hier eben auch noch mal der Punkt: Sichtbarkeit schaffen. Also, wir hatten es eben schon mal auch von Einbindung von Gründerinnen in die sozialen Sicherungssysteme. Also hier ist noch mal wichtig, dass [von] Frauen ja oft soziale Sicherheit oder die Furcht, die nicht zu haben, als Gründungshemmnis genannt wird. Und dann ist sicher ein Thema auch, dass man ansetzen muss beim Übergang von Neben- zu Vollerwerb. Ich hatte eben vorhin das auch schon mal angesprochen: Der Zugang zu VC-Kapital ist vielleicht so in der mittleren Frist, weil hier auch an den Strukturen gearbeitet werden muss, dass eben mehr Frauen auch in den Investmentkomitees wirklich vertreten sind. Und wenn wir dann über Finanzierung sprechen, haben wir ja schon Finanzierungsinstrumente, die zur Verfügung stehen. Die stehen eben auch Frauen ja zur Verfügung. Wir haben jetzt auch den Zukunftsfonds. Da werden mehr Mittel auch ja noch zur Verfügung gestellt werden. Und dann langfristig haben wir es aber eben auch wirklich mit einer Veränderung der Rahmenbedingungen zu tun. Also das Rollenverständnis, dass wir wirklich sehr bewusst auch darauf eingehen müssen, wie Mädchen und Jungen erzogen werden – das betrifft die Familien, aber es betrifft eben auch die Erzieherinnen, Erzieher, Lehrer, Lehrerinnen –, dass hier Jungen und Mädchen so gefördert werden, dass die später auch eben ihr volles Potenzial nutzen können. Und ich habe den Eindruck, dass wir hier in Deutschland wirklich noch ein viel stärkeres Augenmerk darauf richten müssen, wie Menschen ermutigt werden, auf den Fähigkeiten, die sie haben, aufzubauen. Und dann haben wir eben sicherlich auch ein Thema, Mädchen, Frauen noch stärker an MINT-Fächer heranzuführen und eben dann auch hier bei Frauen vielleicht stärker noch einen Wunsch zu verankern, auch im Wachstumstechnologie- und Innovationsbereich zu gründen.

Ich kann dem allem zustimmen und hätte vielleicht eine Ergänzung. Was es vielleicht bedarf, ist, dass gründungsinteressierte Frauen mit tollen Gründungsideen, Geschäftsmodellen das Gefühl haben, dass, wenn sie scheitern – und Scheitern gehört einfach dazu, ich glaube, es braucht auch in Deutschland einfach eine Kultur des Scheiterns, dass Scheitern etwas ganz Normales ist und kein Versagen –, das Gefühl haben, dass sie aufgefangen werden erst mal und dann nicht in existenzielle Schieflagen geraten, sondern dass es hier irgendwie eine Möglichkeit gibt, überbrückend finanziell abgesichert zu sein, wenn ich risikobereit bin, zu gründen.

Frau Kahnert, was ist denn aus Ihrer praktischen Erfahrung der größte Motivationshebel für Ihre Gründerinnen?

Der größte Motivationshebel der Gründerinnen ist es, dass sie für sich erkennen, welche Potenziale sie mitbringen und wie sie diese Potenziale auf die Straße bringen sozusagen. Und im Idealfall ist es, dass Sie sehen, dass es andere Gründerinnen gibt, die es schon ähnlich getan haben und für sich diesen Weg auch weiter bestreiten möchten und sich dann eine Community suchen, die sie hier begleitet und unterstützt, damit sie weiterhin ihre Gründungsidee realisieren können.

Hier möchte ich gern noch erwähnen: Das Ergebnis aus unserer repräsentativen Befragung über Gründungen in Deutschland, dem Gründungsmonitor, da haben wir nämlich für das Jahr 2021 gesehen, dass gerade beim Segment jüngerer Frauen wir einen deutlichen Zuwachs von Gründungen gesehen haben. Also das stimmt mich auch ganz zuversichtlich, weil hier eben doch Dinge auch passieren. Und das sind vermutlich dann Frauen, die gerade mit der Ausbildung fertig sind oder mit dem Studium. Die wollen gerne Verantwortung übernehmen und gestalten.

Das gibt mir die hervorragende Gelegenheit, eine Hörerinnenfrage einzuspielen. Über Social-Media-Posts fragen wir im Vorfeld unserer Gespräche Hörerinnen und Hörer, ob sie eine Frage an unsere Gäste stellen wollen. Und die folgende Frage steht vielleicht auch ganz exemplarisch für das, was wir vorhin „innere Hindernisse“ genannt haben: dass man vielleicht nicht so recht weiß, wie man den ersten Schritt machen soll.

Hallo, liebes Team der KfW. Ich bin Emma und bin 28 Jahre alt, komme aus Kassel und habe, ja, Probleme mit der Unternehmensgründung sozusagen. Ich habe schon Businessideen, aber ich weiß einfach nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht könnt ihr mir da ja helfen. Liebe Grüße.

Frau Kahnert, Ihr Rat an diese junge Frau?

Mein Rat wäre, erst mal überall dort hinzugehen, wo Gründerinnen, gründungsinteressierte Menschen sich irgendwie befinden. Das sind manchmal Co-Working-Spaces, das sind Netzwerkveranstaltungen von Unternehmerinnen, Neugründerinnen, ganz viel sich dort auszutauschen, die Gründungsidee vielen, vielen, vielen Menschen mitzuteilen und sich Feedback einzuholen und sich dann hinzusetzen und einen Grobentwurf zu einem Businessplan zu schreiben. Und wer das alleine nicht machen kann, wird total toll begleitet, auf der Gründerplattform zum Beispiel; da gibt es unglaublich viele Cases, wie man einen Businessplan schreiben kann, wo man so ein bisschen durchgeleitet wird. Und ansonsten aber auch sich irgendeine Gründungsplattform suchen, eine Initiative suchen, die Sie begleitet, wenn Sie hier noch mal Eins-zu-eins-Unterstützung brauchen.

Vielleicht ganz kurz: Sie erwähnten gerade, Frau Kahnert, die Gründerplattform, Webpage von BMWK und KfW. Das ist, glaube ich, wirklich eine gute Anlaufstelle. Dann sicherlich auch eben eine Beratungsstelle. Also da würde ich ja auch, Frau Kahnert, Sie zum Beispiel empfehlen. Und dann wäre es auch noch mal wichtig, dass es dann natürlich eben auch finanzielle Unterstützung von der KfW für Gründungen gibt.

Ich löse vielleicht noch kurz die Abkürzung BMWK auf: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Ich danke Ihnen beiden ganz herzlich. Wenn Sie unseren Podcast aufmerksam verfolgen, dann wissen Sie, wir haben eine Rubrik, die nennt sich Mantra Mantra. Da fragen wir immer gerne die unternehmerischen Grundüberzeugungen oder Leitmotive ab. Die hören wir uns jetzt an in unserer Rubrik …

(Mantra Opener)

Welche Grundüberzeugung habe ich in meinem Berufsleben schon einmal aufgeben müssen?

Dass Kinder von selbst Unternehmerinnen und Unternehmern bessere Gründer sind oder Gründerinnen.

Ich halte nichts von Mantras, weil: Da ich mich intensivst mit Finanzkrisen befasst habe, ist meine Erwartung, gar nichts zu erwarten. Insofern, so eine Überzeugung habe ich eben gar nicht.

Wovon bin ich als Frau im Berufsleben immer noch absolut überzeugt?

Dass wir in allem, was uns motiviert und Spaß macht, absolut umwerfend und professionell sind.

Ich zitiere da Ruth Bader Ginsburg: dass Frauen überall dahin gehören, wo Entscheidungen getroffen werden.

Welches persönliche weibliche Role Model hat mich schon früh inspiriert?

Heute, als 42-Jährige, würde ich sagen: meine Mutter, die hat Unglaubliches geschafft, wo ich heute tief beeindruckt bin, in der eigenen Situation zu sein und zu wissen, was sie damals alles bewerkstelligt hat.

Ja, ich bin auch vielen Frauen dankbar in vorherigen Generationen, die gezeigt haben, wie Frauen einen Beitrag leisten können. Und ich finde mal ganz interessant, ich finde, es gibt an unterschiedlichen Menschen Dinge, die sehr beeindruckend sind, die ich dann inspirierend finde.

Welche drei Tipps würde ich beachten, wenn ich selber gründen würde?

Innovativ sein. Mutig vorangehen. Mut, Mut, Mut, Mut.

Gute Idee. Gutes Team. Selbstvertrauen.

(Mantra Closer)

Ganz herzlichen Dank an Sie beide. Zum Abschluss unserer Episode: Bitte vervollständigen Sie folgende Sätze. Mein Lebenslauf ist das beste Beispiel für …

… dass er im Nachhinein anders aussieht, als ich ihn mir im Vorhinein vorgestellt hätte.

… dass die Lücken ganz viel Geschichte erzählen.

Mein Berufswunsch nach der Uni war …

… Verantwortung zu übernehmen an der Schnittstelle von Finanzmärkten und Wirtschaftspolitik.

Insofern haben Sie sich Ihren Berufswunsch offensichtlich erfüllt. Frau Kahnert?

Ich wollte tatsächlich nach der Uni in die Personalentwicklung gehen, also überall da, wo Arbeit-Schnittstelle zu Menschen stattfindet.

Die entscheidendste Weichenstellung in meinem Berufsleben war …

Das wird sich noch zeigen.

Die Antwort kann ich jetzt gar nicht mehr toppen. Das war meine Coachingausbildung. Die hat mir ganz viel in meiner eigenen beruflichen Laufbahn immer wieder in ganz vielen verschiedenen Kontexten weitergeholfen.

Von Elif Kahnert habe ich heute gelernt …

… wie hilfreich eine fallbezogene Beratung ist bei Gründungen.

Und von Frau Dr. Köhler-Geib habe ich heute gelernt …

… wie wichtig es ist, was wir im Gründungsmonitor und in der Erhebung von Daten und Zahlen haben, sich auch tatsächlich widerspiegelt in der Praxis. Und dass es sich ergänzt und miteinander verbindet und dass das eine, die Praxis, eben das andere braucht und benötigt.

Prima. Ganz herzlichen Dank an Sie beide für unser Gespräch über die Situation von Gründerinnen in Deutschland, auch für die Lösungsansätze, die wir besprochen haben und für die Tipps, die hoffentlich für viele unserer Zuhörerinnen und natürlich auch Zuhörer als Inspiration dienen. Ganz herzlichen Dank, Frau Dr. Fritzi Köhler-Geib und Elif Kahnert.

Sehr gerne!

Herzlichen Dank!

Noch einmal der Hinweis auf die gemeinsame Initiative Frauen gründen von Social Business Women e. V. und der KfW Stiftung. Einen Link dazu finden Sie auch in unseren Shownotes, ebenso auf der KfW-Website mit Tipps für Gründerinnen unter kfw.de/gruenderinnen.

Das nächste Mal widmen wir uns dem Einsatz von künstlicher Intelligenz, kurz KI, im Bereich innovativer Anbaumethoden. Die Gründer von vGreens ermöglichen KI-basiertes Vertical Farming, um nachhaltig qualitativ hochwertige Früchte zu produzieren, und das das ganze Jahr über. Warum der Weg dorthin ganz schön steinig war, hören Sie in der kommenden Folge von „Ungeschönt“. Bis dahin!

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.