Vom Tabuthema zum Trend

Shownotes

„Das können wir besser!“ dachten die Gründerinnen Dr. Kati Ernst und Kristine Zeller aus Berlin, als sie auf Periodenunterwäsche aus den USA stießen. Die beiden mehrfachen Mütter und erfolgreichen Managerinnen kündigten ihre sicheren Jobs, entwickelten ihr eigenes Produkt und gründeten eine Firma. Doch bis sie unter der Marke ooia Periodenunterwäsche und absorbierende Still-BHs vertreiben konnten, gab es einige Hürden zu nehmen: von der Finanzierung über die Namensrechte bis hin zu Shitstorms im Internet. Warum sich die beiden Gründerinnen nicht entmutigen ließen und wie sie die Marke ooia schließlich doch zum Erfolg führten? Antworten darauf gibt es in dieser Folge.

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KfW Podcast »Ungeschönt«

Ooia

Vom Tabuthema zum Trend

Transkript

Wir haben gedacht: Ach, ist ja logisch, wir gründen ein Start-up, dann sammelt man ja erst mal so eine Runde Geld ein von Business Angels, oder? Das war irgendwie in der Start-up-Szene so. So macht man das übrigens. Und leider war das dann doch nicht so einfach, wie wir uns das vorgestellt haben.

Und so gibt es ja in zig Bereichen einfach sehr, sehr viele Wünsche von Frauen, die bisher noch nicht gehört wurden, weil eben an entscheidenden Positionen in Unternehmen Männer sitzen. Und da war sozusagen für uns die Möglichkeit, auf diese Wünsche einzugehen und den Frauen das zu geben, was sie eben schon sehr lange gesucht haben.

In unserer vorherigen Folge waren wir zu Besuch in Nagold beim Klaus Barber Shop. Die zwei Gründer verkaufen in ihrem Barber Shop auch Markenkleidung und Spirituosen ausschließlich für Männer. In dieser Folge nun das Gegenteil: Produkte, die ganz im Zeichen von Female Empowerment stehen. Welche Hürden die beiden Gründerinnen dafür meistern mussten, das erfahren Sie in unserer neuen Folge von „Ungeschönt“. Hallo sagt Holger Thurm.

Herzlich willkommen, Dr. Kati Ernst und Kristine Zeller, die Gründerinnen von Ooia, einem Berliner Start-up für fair produzierte Periodenunterwäsche und Still-BHs! Hallo!

Hallo!

Hallihallo!

Sie haben beide 2018 Ihre sicheren, langfristigen Jobs in Führungspositionen bei zwei Großunternehmen gekündigt und gegründet. Wie kam das?

Ich denke, wir waren beide in einer Phase, wo wir ein bisschen unbewusst eine Umorientierung gesucht haben. Also wir haben beide mehrere Kinder. Ich habe drei Kinder, die Kristine hat zwei Kinder. Und quasi mit den Kindern, glaub ich, dachten wir beide: So, im Moment ist das ja jetzt durch, ne? Jetzt geht es weiter mit der Karriere. Und ich zumindest habe mich sehr viel damit beschäftigt: Was soll denn das langfristige Ziel meines Daseins als Geschäftsfrau sein? Also was möchte ich denn hinterlassen? Nicht nur als Mutter oder als Mensch auf dieser Erde, sondern welchen Beitrag kann ich auch durch meine Geschäftstätigkeit oder mein Management, in Anführungsstrichen, hinterlassen? Und da kam ein ganz großes Bedürfnis nach zwei Sachen: Auf der einen Seite einen Beitrag, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten durch meine Arbeit. Ich habe auch zum Thema Social Entrepreneurship promoviert als eine der Ersten in Deutschland und bin mir sehr bewusst, dass man auch gesellschaftlichen Wandel durch Unternehmertum eben kreieren kann. Und das ist eine Sache, die mich sehr beschäftigt. Also, welchen Beitrag kann Business zur gesellschaftlich positiven Entwicklung leisten? Das Zweite war, einen Job zu finden, der vereinbar war mit meinem Wunsch, eine aktive Mutter zu sein, also meine Kinder beim Heranwachsen zu begleiten und zu beobachten, und dementsprechend flexible Arbeitszeiten.

Also, zum einen der Drang, einen nachhaltigen geschäftlichen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, zum anderen der persönliche Wunsch nach mehr freier Zeiteinteilung ...

Ja, und diese beiden Wünsche sah ich in der deutschen Konzernwelt nicht so wirklich erfüllt. Und dann habe ich eher zufälligerweise … also, ich war nicht aktiv auf der Suche … Bei einem Mädelsabend sagte eine Frau in einem Restaurant zu mir quasi unter dem Tisch: »Ich habe was total abgefahrenes Neues gefunden. Also das ist total crazy!« Und ich sagte, also wir huddelten da alle zusammen: »Was ist es denn? Was ist es denn?« Und sie sagte: »Periodenunterwäsche!« Und sie hatte eben Periodenunterwäsche aus den USA entdeckt. Da gibt es diese Produktart, die wir nach Deutschland gebracht haben, schon seit ein paar Jahren vorher, so zwei, drei Jahre vorher. Und sie war komplett begeistert. Sie sagte, es hätte ihr Leben verändert. Es wäre einfach so toll. Sie hätte ein ganz neues Körpergefühl. Und ich war wirklich interessiert, aber eher als Konsumentin. Und als ich mir am nächsten Tag selber welche besorgen wollte, habe ich festgestellt, es gibt sie ja noch gar nicht. Und in Europa eh ganz schwer zu beziehen. Aber auf der anderen Seite las ich im Internet immer mehr: Erstens, wie unfassbar lebensverändernd dieses Produkt anscheinend für sehr viele Frauen war. Also viele berichteten davon, wie anders alles dadurch wäre, wie viel besser, wie viel toller, wie viel nachhaltiger auch. Und auf der anderen Seite, dass sie es doch gerne auch in Deutschland haben wollten. Und aus irgendwelchen Gründen, die ich bis heute nicht ganz erklären kann, dachte ich am nächsten Tag: Ja, dann mache ich das einfach.

Und, Frau Zeller, wie kamen Sie dann jetzt mit ins Spiel?

Genau. Die Kati hat natürlich mich sehr teilhaben lassen an dieser Reise und hat dann eben, als sie auf eine längere Reise aufgebrochen ist – ja, nach Australien war das, glaube ich, damals, oder Neuseeland –, hat sie mir damals gesagt: »Guck mal, Kristine, so und so sieht’s aus. Ich habe das mal so und so durchgerechnet.« Und hatte mir dann so ein Dokument geschickt und gesagt: »Jetzt guck es dir doch mal an und überleg dir doch mal, ob wir das nicht zusammen machen wollen.« Es hat ja wirklich eigentlich auch von Anfang an Sinn gemacht, weil ich hab ja bei Zalando verschiedene Einkaufsabteilungen geleitet, unter anderem die der Unterwäsche. Also war es wirklich sehr naheliegend, dass wir dazu sprechen. Und noch dazu haben wir uns eben davor auch schon immer wieder darüber ausgetauscht: Was gäbe es denn für Sachen, die wir zusammen gründen könnten? Denn wir haben schon früh bemerkt, dass wir möglicherweise eine Arbeitspräferenz haben und auch Werte haben, die sich sehr stark decken. Wir waren ja schon über zehn Jahre lang sehr eng befreundet, und da hat es auch irgendwie schon Sinn gemacht, weiter zu überlegen, ob man nicht zusammen was gründet. Und dann hat sie mir diesen Plan dagelassen, und ich habe den von vorne nach hinten durchgerechnet und dann sozusagen mich mehr und mehr mit dieser Idee angefreundet. Aber das, was dann schlussendlich bei uns beiden den Funken so richtig entzündet hatte, also wirklich dieser Spark, war so diese Erkenntnis: Es geht um viel mehr als um Periodenunterwäsche. Sondern es geht wirklich um dieses ganze Thema, diesen ganzen Kosmos drum herum, was das ganze Thema Female Empowerment angeht. Also wirklich die Frauen zu hören mit ihren Wünschen nach Produkten in komplett unterinnovierten Bereichen. Und da ist jetzt sozusagen die Periode eines davon. Damit haben wir angefangen. Dann kam bei uns noch das Thema Stillen dazu mit unserem absorbierenden Still-BH. Und so gibt es ja in zig Bereichen einfach sehr, sehr viele Wünsche von Frauen, die bisher noch nicht gehört wurden, weil eben an entscheidenden Positionen in Unternehmen Männer sitzen. Und da war sozusagen für uns die Möglichkeit, auf diese Wünsche einzugehen und die sozusagen so wie low hanging fruits einfach abzupflücken und den Frauen das zu geben, was sie eben schon sehr lange gesucht haben. Aber auch dieses ganze Thema drum herum, Frauen zu empowern, ihnen zu ermöglichen, sozusagen ihr bestes Selbst zu leben, vielleicht auch mit Inspiration voranzugehen, ihnen vielleicht durch unsere Einblicke, die wir ja sehr detailliert teilen auf unserem Instagram Channel, der heißt »It’s me, Ooia«. Da lassen wir sie wirklich sehr aktiv an unserem Gründerinnen-Alltag teilhaben, zeigen uns da auch sehr nahbar, und dadurch öffnet es vielleicht den Horizont für viele junge Frauen oder auch nicht so junge Frauen, mal darüber nachzudenken: Könnte ich vielleicht zum Beispiel auch was gründen?

Jetzt ist das ja zunächst ein sehr neues, ungewöhnliches Produkt, das Sie vertreiben. Können Sie sich an Reaktionen erinnern, wenn Sie jemandem davon erzählt haben – also von besonders positiv bis besonders absurd?

Ja, da können wir uns auf jeden Fall noch daran erinnern, ne, Kati? Also gerade so zu Beginn der Gründung haben wir da ja auch mit vielen Menschen darüber gesprochen und Meinungen dazu eingeholt und so. Und vielleicht, um mit dem Positiven anzufangen: Was ich ganz besonders toll fand, ist, dass unsere Familie, auch erweiterte Familie, also Eltern und Geschwister und so, wirklich sehr, sehr positiv waren. Und das war ja schon ein großer Schritt. Wir waren ja beide vorher in Konzernen angestellt und hatten dort gesicherte Positionen, eine ambitionierte Karriere hingelegt – und das jetzt von heute auf morgen aufzugeben für ein, ja, solches Tabuthema, für die Periode, da hätten wir doch zumindest erwartet, dass da vielleicht ein paar mehr kritische Fragen kommen. Aber die kannten uns. Wenn wir so etwas machen, haben wir uns vorher die Zahlen gut angeschaut. Wir haben uns das gut überlegt. Und haben uns dann eher ermutigt und unterstützt zu gründen. Aber es gab eben auch andere Beispiele. Also, da erinnere ich mich noch zum Beispiel so ganz zu Beginn der Gründung, als wir gerade dabei waren, unser Produkt zu entwickeln, da gab es noch große Messen, wo man wirklich physisch präsent war und sich dort meistens mit älteren Herren unterhalten hat. Und als wir dann dort platziert haben, um welches Thema es geht und was für ein Produkt entwickeln möchten, da gab es doch sehr viel, ja mindestens sehr erstaunte Gesichter.

Ehe wir weiter über Ooia sprechen, wollen wir ihr Unternehmen und ihre Produkte erst einmal vorstellen.

Die beiden Ooia-Gründerinnen Kati Ernst und Kristine Zeller kennen sich schon über ein Jahrzehnt. 2018 kündigten die Freundinnen ihre stabilen Jobs als Führungskräfte in Großunternehmen und gründeten ihre eigene Firma. Was war passiert? Sie waren auf ein neues Produkt aus den USA gestoßen, das sie begeisterte: Periodenunterwäsche, die Frauen neue Freiheiten gibt und gleichzeitig umweltfreundlicher ist als Einweg-Tampons und -Binden. Doch rasch fanden sie heraus: Das können wir besser! Mit Unterstützung aus Wissenschaft, Textilforschung und Gynäkologie entwickelten sie ihre eigene antibakterielle Periodenunterwäsche und brachten sie auf den Markt. Rasch hatten sie über 250.000 Stück in Europa verkauft. Ooia steht ganz im Zeichen von fairer Produktion, Nachhaltigkeit und Female Empowerment. So dauerte es nicht lang, bis die beiden mehrfachen Mütter auch absorbierende Still-BHs und Wäsche für Teenager entwickelten. Ihr Sortiment vertreiben sie über den Online-Shop ooia.de. Aber: Was bedeutet der Name Ooia?

Ja, Ooia spricht sich Ihre Marke, schreibt sich Doppel-O, i, a. Woher kommt der Name? Und was hat es mit diesen beiden Os auf sich?

Ja, dieser Name hat keine besondere Bedeutung, also, es ist keine andere Sprache oder so, die irgendetwas übersetzt auf Deutsch bedeutet, sondern Ooia ist für uns einfach ein Ausdruck der Freude. Also einfach was Lebensbejahendes, was Zustimmendes, was Motivierendes, was Unterstützendes, was Positives. Und diese beiden Os, die stehen eben für Weiblichkeit. Und deswegen ist dieser Name Ooia für uns sehr positiv belegt. Und wir kriegen auch sehr viel positives Feedback dazu.

Heute nimmt niemand mehr ein Blatt vor den Mund, im Fernsehen gibt es eigentlich auch kein Thema mehr, das nicht angesprochen werden darf. Sind wir in Ihrem Bereich da heute nicht auch schon weiter?

Nein. Also, leider ist es so: Das Tabu Periode ist immer noch total existent, muss man leider sagen. Auch wenn man manchmal so in unserer Berliner Bubble, in der wir unterwegs sind, denkt, wir sind schon Lichtjahre weiter und es ist das Normalste der Welt, darüber zu sprechen, stellen wir leider immer wieder fest, dass das nicht so ist. Es gab zum Beispiel diverse Momente, wo wir meistens auf Social Media, muss man sagen, gemerkt haben, dass es eben einfach immer noch ein riesengroßes Tabu ist. Zum Beispiel wurden wir einmal ausgestrahlt bei einer Sendung, die zu einer Abendzeit ausgestrahlt wurde, wo die meisten Menschen so ein Dinner zu sich nehmen und das dann oft dabei auch anschauen. Da wurde über uns berichtet, und als das dann nachher auf Facebook gepostet wurde, dieser Beitrag, haben sich darunter Kommentare entsponnen, das kann man sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen. Und da haben wir auch, ja, zu mehreren anderen Beiträgen, die bei uns gepostet wurden, doch immer wieder gemerkt: Da ist doch noch einen Riesentabu vorhanden.

Genau, wie vieles andere ist die Periode ein sehr kulturell geprägtes Thema. Die wird in Deutschland ja auch ganz anders behandelt als in anderen Ländern. Und wir tragen das alle mit uns, und daher glauben wir zum Beispiel auch als Firma, dass wir gar nicht so missionarisch unterwegs sein wollen. Es geht uns eher darum, das zu normalisieren, das zu einem Thema zu machen wie viele andere auch – dass so eine Offenheit drüber entsteht, dass Menschen sich einfach darüber austauschen können.

Es war vorhin schon sehr viel von Werten die Rede: Female Empowerment Company und Nachhaltigkeit und faire Herstellung. Wie nachhaltig und fair ist Ooia denn?

Also unser Produkt ist natürlich alleine qua Anwendung super nachhaltig. Denn man muss sich vorstellen, dass eine Frau im Laufe ihres Lebens ungefähr 12.000 Wegwerfprodukte verwendet. Und wenn man mal darüber nachdenkt, alle Frauen dieser Welt zusammenaddiert, ja, wie viele Tonnen und Tonnen an Müll das verursacht, der natürlich aufgrund der sehr viel Plastik-Inhalte sehr, sehr, sehr langsam verrottet und dementsprechend zu sehr viel Umweltverschmutzung führt, ist eben unser Produkt einfach qua Anwendung sehr nachhaltig. Denn man trägt es ja den Tag über und wäscht es dann und trägt es dann wieder. Es entsteht sozusagen sehr viel weniger Wegwerfmüll. Aber dann ist es eben auch noch so, dass wir Wert darauf gelegt haben, einen möglichst geringen CO2-Fußabdruck durch unsere Produktion zu verursachen, und produzieren deswegen alles komplett in Europa. Also wir beziehen unsere Stoffe komplett in Europa und wir produzieren in unseren Nähereien auch in Europa. Und unsere beiden Nähereien sind auch wirklich nach strengsten Kriterien – das sind ethische und ökologische Kriterien – zertifiziert. Die suchen wir sehr bewusst auch danach aus.

Jetzt klingt es so, als ob das eine Erfolgsstory von Anfang an gewesen wäre. Aber in diesem Podcast »Ungeschönt« geht es ja um Krisen, um Tiefschläge, Rückschläge rund ums Gründen und Nachfolgen. Und auch bei Ooia ist es nicht von Anfang an so glatt gegangen. Fangen wir vielleicht mal bei der Finanzierung an. Bei Start-ups in der Seed-Phase wird ja oft nach einem Business Angel Ausschau gehalten oder nach irgendeinem Venture-Capital-Geber. Natürlich kommen auch Gründungs- oder Förderkredite infrage. Wie sind Sie vorgegangen bei der Finanzierung?

Also, wir haben, glaube ich, so Berlinerinnen, die wir sind, gedacht: Ach, ist ja logisch, wir gründen ein Start-up, dann sammelt man ja erst mal so eine Runde Geld ein von Business Angels, oder? Das war irgendwie in der Start-up-Szene so. So macht man das übrigens. Und so haben wir uns auch erst mal rangesetzt. Wir haben erst mal mit unseren Ersparnissen die GmbH gegründet. Das haben wir direkt von Anfang an gemacht. Da gibt es ja eine Einzahlung, die man macht, 25.000 Euro, und haben uns überlegt: Okay, von dem Geld versuchen wir mal, das Produkt zu entwickeln. Und dann suchen wir mal Investor*innen. Und als das Produkt dann entwickelt war und wir happy waren, haben wir dann noch gedacht: Ja, gut, dann versuchen wir doch mal die Markteinführung zu machen mit einer Crowdfunding-Kampagne. Das ist eine Art von Finanzierung, wo man eben von Einzelpersonen sehr kleine Beträge bekommt, von einer Crowd, die dann sozusagen ein Vorhaben mit unterstützt. Da gibt es verschiedene Plattformen für. Und da haben wir eine Art Vorverkauf gemacht. Also wir haben drei, vier Monate bevor die ersten Produkte ankommen sollten, einen Vorverkauf gestartet. Die Leute haben uns damals schon das Geld gegeben, und damit konnten wir eben diese Produktion überhaupt finanzieren. So, und da haben wir schon geahnt, dass es wahrscheinlich etwas Gutes wird, weil wir hatten uns, glaube ich, das Ziel gesetzt: Wir brauchten 10.000 Euro für diese erste Produktion. Und diese 10.000 Euro hatten wir nach sieben Stunden zusammen, und das ganze Vorhaben ging ja einen ganzen Monat lang. Also waren wir schon ganz optimistisch, dass es ganz gut läuft. Und mit diesen ganzen positiven Zahlen im Hintergrund, Produkt entwickelt und funktioniert, Crowdfunding hat toll geklappt, haben wir gedacht: Wir sind bestens ausgestattet für eine Finanzierungsrunde durch Business Angels. Und leider war das dann doch nicht so einfach, wie wir uns das vorgestellt haben. Also wir hatten zwar das große Privileg, dass wir aufgrund unserer vorherigen Arbeitserfahrung gute Kontakte hatten und sogar relativ einfach an Leute rankamen, die infrage kommen. Die haben uns gesagt: »Wir können mal sprechen!« oder »Ihr könnt mir mal ein Pitch Deck schicken!« oder Ähnliches. Aber die Folgeunterhaltungen waren dann häufig deutlich herausfordernder, als wir uns das vorgestellt haben.

Und warum waren sie das? Sie hatten das Crowdfunding im Rücken. Und Sie selber waren gut vernetzt. Warum hat das nicht gereicht?

Also man hat wirklich gemerkt, dass viele Menschen ein Problem hatten, sich über dieses Thema zu unterhalten. Ja, da stand Periode drauf. Also war da irgendwie Periode drin, und alle hatten das Gefühl, sie müssten sich jetzt über die Periode unterhalten – was vielen unangenehm war, weil es ist ja, wie besprochen, auch wirklich immer noch ein gesellschaftlich großes Tabu. Das haben wir dann schnell gelernt, haben gedacht: Aha, okay, also wir dürfen nicht so viel über die Periode sprechen, wir müssen über den Markt sprechen. Da können wir uns ja alle austauschen und haben wirklich sehr schnell das Gespräch immer gelenkt auf die Marktgrößen, auf erste Erfolgskennzahlen, haben versucht, sehr analytisch das zu besprechen. Und dennoch kam immer wieder die Frage vor allen Dingen von männlichen Investoren – und eine sehr große Mehrheit der Investoren ist männlich –: »Ja, ist das denn überhaupt ein Markt?« »Ja, gibt es da denn überhaupt irgendwie Bedürfnisse?« Und da merkte man einfach, dass dieses Bewusstsein fehlt, dass es ein Thema ist, was die Hälfte der Weltbevölkerung 30 Jahre lang jeden Monat betrifft, mehrere Tage lang … Natürlich ist es ein Markt. Natürlich ist es ein riesiges Thema. Das war nicht vorhanden. Und es fiel ihnen sehr schwer, sich da reinzudenken. Diese erste Suche nach Business Angels ist dann auch letztendlich daran gescheitert, dass wir, glaube ich, einfach irgendwann keine Kraft mehr hatten, diese ständigen Diskussionen darüber, ob das jetzt wirklich was ist oder nicht, auszuhalten, und wir auch gesehen haben natürlich, dass die ersten Verkaufszahlen so waren, dass wir dachten, wir schaffen es vielleicht noch ein paar Monate selber. Und dann haben wir eine zweite Runde noch mal gestartet. Da sind wir zu einer Fernsehsendung gegangen, die relativ bekannt ist, die heißt die »Höhle der Löwen«. Da kann man eben vor Publikum, also vor TV-Publikum, nach Geld pitchen, vor mehreren sehr bekannten Investor*innen. Und auch dort sind wir leider ohne Investment rausgegangen. Aber kleben geblieben ist, glaube ich, am meisten ein Satz von einem Investor, der gesagt hat – ich glaube, er hat eigentlich gesagt, was so viele gedacht haben –: Er könnte nicht in unser Produkt investieren, weil das ja ein Frauenprodukt sei; und er sei ja ein Mann. Und daher sollten wir uns doch eine Frau suchen, die in unser Unternehmen investiert. Das Problem dabei ist natürlich, dass, ich glaube, zwei bis vier Prozent der Investor*innen Frauen sind; und somit sagt man ja quasi, dass die Produkte, die für die Hälfte der Weltbevölkerung von Bedeutung sind, nur von zwei bis vier Prozent der Investor*innen überhaupt finanziert werden können. Und das zeigt eben sehr deutlich das Dilemma, in dem wir gesteckt haben zu Beginn, aber in dem auch so viele andere Gründungsteams stecken, die eben versuchen, innovative Produkte für Frauen an den Markt zu bringen.

Woran liegt das eigentlich, dass es so wenig weibliche Investorinnen gibt? Oder ist das ein spezifisch deutsches Problem?

Das ist kein spezifisch deutsches Problem. Also, eigentlich alle westlichen Nationen haben das. Das ist ein Henne-Ei-Problem. Also man wird typischerweise Investorin, wenn man vorher gegründet hat und dann verkauft hat und so an sehr viel Kapital gekommen ist. Und da sehr wenig Frauen gründen, haben sehr wenig Frauen diese Exits, also diese Verkäufe. Dann steht wenig Kapital zur Verfügung, das wiederum nicht investiert werden kann. Also da beißt sich so ein bisschen die Katze in den Schwanz.

Also nur zwei bis vier Prozent weibliche Investorinnen. Was ist denn jetzt das Ausschlaggebende: dass die überwiegende Anzahl der Investoren männlich ist, dass sie deswegen das Produkt nicht verstehen? Oder kam vielleicht auch noch erschwerend hinzu, dass Sie beide Gründerinnen waren?

Ich denke mal, wir hatten da so die doppelte (lacht) … die doppelte Herausforderung. Also, ich glaube, unser Produkt war eben sehr schwierig für Menschen zu akzeptieren. Wobei man sagen muss, dass ja auch sehr viele männliche Investoren in Produkte investieren, von denen sie gar keine Ahnung haben – etwa Ölplattformen, irgendwelche Medtech-Produkte, die sie hoffentlich nie gebrauchen werden. Da ist es häufig kein Problem, dass sie nicht selber Verwender der Produkte sind, und sie investieren trotzdem. Bei so einem Frauenthema anscheinend schon. Das war ein Problem. Aber natürlich ist auch, glauben wir, ein Problem gewesen, dass wir Frauen sind. Also weltweit von dem Venture Capital, was zur Verfügung steht, bekommen nur zwei Prozent davon weibliche Gründungsteams. 98 Prozent der Gelder dieser Welt, die in Unternehmen gesteckt werden, werden in männlich geführte Unternehmen investiert. Das ist eine krasse Unterrepräsentanz. Selbst wenn man weiß, dass zum Beispiel in Deutschland nur 15 Prozent der Gründer*innen Frauen sind, selbst dann ist es zu wenig. Ja, also wir bekommen noch nicht mal von dem kleinen Kuchen, den wir repräsentieren, den kleinen Teil ab, der eigentlich der fair share wäre, also der gerechte Anteil für Frauen.

Gehen Frauen da zu konservativ vor oder werden Frauen bei Pitches einfach anders behandelt?

Dazu gibt es viele Hypothesen, und sicherlich treffen einige auf uns zu. Es wurden zum Beispiel sehr viele Fragen gestellt, die eher defensiv waren, also wie diese Frage: Ist es denn ein Markt? Oder: Was ist denn, wenn jetzt ein großer Player plötzlich das macht, dann ist doch sofort alles vorbei? Fragen, die einen sehr defensiv vielleicht reagieren lassen. Und in Studien wird sehr deutlich gezeigt, dass Männern gerade solche Fragen nicht gestellt werden. Da gibt es zum Beispiel im Harvard Business Review auch Untersuchungen, die zeigen, dass Männern Fragen gestellt werden zu der Marktgröße, was für Potenzial ist das, was für Kollaborationen macht man dann, um noch größer zu werden. Also ja, Frauen haben es einfach heutzutage noch wirklich schwer in solchen Pitch-Situationen.

Ja, vielleicht auch noch eine Ergänzung hier. Was ja auch immer wieder in Studien zum Vorschein kommt, ist ja die Tatsache, dass Frauen, wenn sie zum Beispiel selbstbewusst und bestimmt auftreten, negativ bewertet werden eher in der Tendenz; sie werden dann als bossy oder vielleicht zickig oder so bewertet, während das bei Männern eben total als positiv ausgelegt wird. Wenn man als Frau aber nicht selbstbestimmt auftritt, sondern vielleicht eher zurückhaltend, dann wird man als schüchtern klassifiziert oder der traut man vielleicht nichts zu. Also man kann es im Grunde nur falsch machen als Frau.

Wenn es so schwer ist, weibliche Investorinnen oder überhaupt Investoren zu finden, könnten dann Gründungs- oder Förderkredite nicht eine interessante Alternative sein?

Ja also, wir sind große Fans vom sogenannten Bootstrapping – mit externer Hilfe auch noch. Also, was wir am Ende ja gemacht haben, ist, wir haben gar keine Investor*innen in unser Unternehmen reingelassen. Das Unternehmen ist immer noch zu 50 Prozent in meiner Hand, 50 Prozent sind in den Händen von Kristine und sonst von keinem. Und wir reden da gerne auch öffentlich darüber, weil viele Leute, die eben Unternehmen starten wie wir damals, das glaube ich gar nicht in Erwägung ziehen, dass es andere Möglichkeiten gibt. Wir haben zum Beispiel eine Bank gefunden, die uns nach einiger Zeit einen sehr ausführlichen Kontokorrentkredit eingerichtet hat, also die Möglichkeit, das Konto in einer wirklich hohen sechsstelligen Summe zu überziehen, wenn es mal nötig ist. Und das hat uns sehr viel Sicherheit gegeben, dass wir, wenn mal was nicht so läuft wie geplant, wissen: Das Konto ist gedeckt, und wir haben einen Partner, der an unserer Seite steht. Wir haben es noch nie benutzt. Knock on wood! Aber wer weiß? Aber das Wissen, dass es da ist, hat uns auf jeden Fall den Mut gegeben zu wachsen, auch wenn wir nicht sicher waren, dass die Wachstumsziele erreicht werden. Aber nicht nur das. Wir haben auch Förderung bekommen von unterschiedlicher Stelle. Und es gibt ja auch dort örtliche Banken, die fördern. Wir haben verschiedene Gründerzuschüsse bekommen. Die KfW bietet ja auch einiges an – neben den Preisen, die sie ja auch verleiht – an Kapital, das auch Gründer*innen zur Verfügung gestellt werden kann, um ihre Vorhaben erfolgreich umzusetzen.

Preis ist ein gutes Stichwort. Sie waren ja Bundessiegerinnen des KfW Awards Gründen 2020. Wie kam es dazu und hilft so eine Auszeichnung vielleicht auch einem jungen Unternehmen?

Ja, die hat uns natürlich auf jeden Fall sehr geholfen. Wir hatten noch den absoluten Glücksfall, dass wir so einen „Double Whammy“ hatten in der Zeit. Wir haben nämlich, kurz nachdem wir den KfW Gründen Preis bekommen haben, auch noch vom Senat Berlin und der IHK Berlin einen Preis als Gründerinnen des Jahres 2020/21 für Berlin gewonnen. Und im Zuge dessen, durch diese beiden Preise, haben wir einfach sehr viel PR bekommen, sehr viel Aufmerksamkeit. Zum Beispiel hat n-tv einen Beitrag über uns gedreht, der auch immer wieder gezeigt wird. Und das ist natürlich ganz toll, weil man einfach so Visibilität bekommt und mehr Menschen auf uns und unser Produkt aufmerksam werden.

Also ein schwieriges Unterfangen war die Finanzierung. Dann haben Sie aber auch sehr viel Zeit, Energie, Geld, Rechtsberatung in die Namensfindung und den Markenaufbau investiert. Ich denke, wir müssen darüber sprechen, dass Ooia mal anders hieß, nämlich zunächst Ooshi, und wurde dann in Ooia geändert. Was war passiert?

Genau, wir hießen tatsächlich, als wir gegründet haben, im Sommer 2018 hießen wir noch Ooshi. Und damals waren uns auch total klar, dass das der Name ist, der uns begleiten wird bis ans Ende unseres Unternehmens. Und den haben wir damals sehr gut recherchieren lassen. Auch von Anwälten haben wir prüfen lassen, ob da die Wahrscheinlichkeit besteht, dass wir den schützen lassen können. Und da war sozusagen alles auf Grün. Also alle Ampeln standen auf Go. Los geht’s! Und dann war tatsächlich, wirklich an einem, ja, kann man schon fast sagen, »schicksalsschwangeren« Tag, nämlich genau dem Tag, an dem wir gelauncht sind mit unserer Kickstarter-Kampagne, also dem ersten Tag in unserem Markteintritt, war gleichzeitig auch … also, obwohl dieser Tag ja sehr positiv war, aber gleichzeitig an diesem Tag hat uns dann auch noch die Nachricht erreicht, dass unser Name Ooshi nicht schützbar ist. Also wir haben den beim Europäischen Markenamt eben schützen lassen wollen. Und das war der letzte Tag der Widerspruchsfrist. Also, da ist es ja so, dass eben ein halbes Jahr Zeit besteht, einen Widerspruch einzulegen, wenn jemand denkt, es ist zu nah an dem Namen seiner Brand. Und so war es tatsächlich bei uns auch. Da hat jemand Widerspruch eingelegt, wirklich am allerletzten Tag der Widerspruchsfrist. Also, es ist echt schon so ein bisschen Krimi-Charakter. Und da haben wir dann noch zu dem Zeitpunkt gedacht: Ach, uns kann keiner was, der erste Tag war so erfolgreich von unserem Launch, da kommen wir irgendwie durch. Und ja, dann haben wir tatsächlich in der ersten Instanz eben nicht Recht bekommen und haben dann entschieden, uns umzunennen. Und das war tatsächlich doch ziemlich hart, muss man sagen, denn wir haben den Namen Ooshi wirklich sehr geliebt. Und haben dann Ooia ausgewählt und sind jetzt ganz froh, dass dieser Name wirklich ordentlich… den konnten wir schützen. Der ist eingetragen, ist unser und noch mehr. Wir würden eigentlich heute sagen: Fast schon zum Glück ist das passiert, denn wir lieben Ooia fast noch mehr als Ooshi. Also, wir haben sehr, sehr viel Zeit und auch Geld investiert, zusammen mit unserem Team, um diesen Übergang von einem Namen in den anderen vorzubereiten. Einerseits auf der Website muss alles geändert werden und dann aber vor allem, dass es auch technisch funktioniert, ja, dass die ganzen Facebook- und Google-Algorithmen auch die Namensänderung verstehen und so weiter.

Ich glaube, was vielleicht noch wichtig zu erwähnen wäre, ist: Man darf das nicht unterschätzen. Also man darf weder die Bedeutung eines Markennamens bei einem Unternehmen, was gerade direct to consumer, direkt an die Konsument*innen verkauft, das darf man nicht unterschätzen, wie wichtig der Name ist. Und auch die Umbenennung, das ist nicht etwas, wo man einfach sagt: Ab jetzt heißt alles einfach X und vorher hieß es Y, alles läuft weiter. Sondern man muss schon die Bedeutung von so einer Marke sehr ernst nehmen und da extrem viel Zeit mit verbringen. Und das ist bis heute so. Das ist jetzt fast ein Jahr her, dass wir uns umbenannt haben. Bis heute ist es so, dass sehr viele Leute immer noch unseren alten Namen suchen, obwohl wir jetzt viel bekannter sind mit dem neuen Namen. Aber wir sehen es eben an den Suchmaschinen, wie viele Leute immer noch nach diesen Namen suchen und was der allen bedeutet, und müssen dazu immer noch aufklären, sowohl auf unserer Seite als auch in unseren sozialen Medienkanälen.

Wie viele Mitarbeiterinnen hat denn Ooia?

Wir sind heute tatsächlich 20 Frauen, bis dato nur Frauen. Wir sind ja große Fans von diversen Teams. Deswegen suchen wir händeringend auch nach einem Mann. Also, wenn Sie vielleicht ein Mann sind, der gerade zuhört: Auf unserer Website haben wir alle unsere offenen Stellen. Wir freuen uns auch über männliche Bewerbungen.

Wir haben tatsächlich auch noch nie eine Bewerbung bekommen von einem Mann, also eine persönliche Bewerbung, egal, welche Stellen wir ausgeschrieben haben, ob das im Marketing war, in der Produktentwicklung. Also es gibt so viele männliche Feministen mittlerweile da draußen, dass es, glaube ich, sehr, sehr coole Beiträge geben könnte von Männern.

Start-ups leben ja häufig von Beginn an eine digitale Arbeitskultur, also Stichwort Remote Work, Home Office, Führen digitaler Teams – war das bei Ooia von Anfang an so geplant?

Ja, das war auf jeden Fall so geplant und auch mit einer der Gründe, warum wir ja damals noch Ooshi gegründet haben, dass wir eben auch Zeit verbringen wollten mit unseren Kindern. Das war mit einer der Gründe, warum wir gegründet haben, und haben deswegen von Anfang an gesagt: Es muss möglich sein, dass sich nicht alles der Arbeit unterordnen muss, sondern dass man die Arbeit sozusagen um seinen Tag herumstricken kann. Und dementsprechend sind wir schon wirklich vom ersten Tag an orts- und zeitunabhängig unterwegs gewesen in unserer Arbeitseinteilung. Also sprich: Die Menschen können arbeiten, wann sie wollen und auch von wo sie wollen. Was man aber schon sagen muss, ist: Wir sind keine Remote-only-Company. Also die Menschen, die wir einstellen, da setzen wir trotzdem voraus, dass sie einen Wohnsitz in Berlin haben. Denn wir sind davon überzeugt, dass wirklich ein guter Teamzusammenhalt nur dann funktionieren kann, wenn es gute, stabile, belastbare Beziehungen zwischen den Menschen gibt. Und diese Beziehungspflege, dieser Beziehungsaufbau, gerade wenn jemand neu in eine Firma reinkommt, das ist einfach superschwer, das komplett remote zu machen.

Und ich glaube, das haben wir schon über die Zeit hinweg gelernt. Ich glaube, wenn uns jemand am Anfang gefragt hätte, dann hätten wir gesagt: Ja also, wenn jemand gar nicht da ist, ist jetzt auch nicht schlimm. Aber was das bedeutet, haben wir erst über die Zeit hinweg gelernt. Und die Tatsache, dass uns nicht bewusst war, wie wichtig eben diese Beziehungspflege von vornherein ist, auch wenn man Leute nicht sieht, das hat uns sicherlich auch ein paar Mitarbeiterinnen gekostet über die Zeit hinweg. Beziehungsweise wenn man flexibel arbeiten muss, wie viel bewusst mehr man investieren muss in die Beziehungspflege, damit es trotzdem funktioniert. Das haben wir sicherlich gelernt. Und dadurch haben wir auch sehr viele Sachen angepasst, damit es eben mehr Möglichkeiten gibt, diesen Beziehungsaufbau zu machen, selbst wenn man sich nicht so häufig sehen kann.

Wie sind Sie denn mit Gegenwind umgegangen, also von Kritik bis Shitstorms? Und wer waren die Absender?

Ja, also die große Mehrheit, das war eigentlich bis jetzt immer so, war männlich. Ich würde sagen, auf 95 männliche Kommentare kommt ein weiblicher. Aber ich glaube, wir haben immer die Maßnahme genommen, diesen Gegenwind immer als Anlass zu nehmen, eine Diskussion anzufangen. Also genauso, wenn wir kein Investment bekommen haben aus irgendeinem Grund, haben wir nicht gesagt: Oh Gott, das ist jetzt ganz schrecklich! Sondern gesagt: Komm, lass uns darüber sprechen! Lass uns Leuten davon erzählen, lass uns darüber berichten, lass uns eine Diskussion darüber anstoßen! Und genauso, wenn mal wieder sich eine Empörung entlud über ein Thema, dass wir da drin vorkamen oder dass es wieder um Frauen ging und das Gender-Thema und so weiter. Dann nehmen wir eben diese Kommentare und teilen die und sagen: Schaut doch mal! Wir sehen das immer eher als Chance, noch mal Leute aufzurufen, sich mit uns zu empören und so dann auch etwas dagegen zu unternehmen.

Kommen wir zu unserer Rubrik »Mantra Mantra«. Da wollen wir noch einmal Ihre persönlichen Erfahrungen, also sozusagen Ihr »Business Mantra«, zusammenfassen.

Worauf müssen junge Unternehmerinnen beim Gründen oder Nachfolgen besonders achten, wenn sie Finanzierungsmöglichkeiten suchen?

Also wir finden es total wichtig, wenn man sich darüber aufklärt, so: Was sind eventuelle Herausforderungen, die man eben hat als Frau, zum Beispiel wenn man Pitchen geht? Zum Beispiel was für kritische Fragen kann man vielleicht beantworten? Wie kann man Gespräche in eine positive Richtung drehen? Und dass man da einfach voller Wissen dazu, was einem begegnen könnte, sich vorbereitet und dann mit großem Selbstbewusstsein in so einen Pitch reingeht. Und sich natürlich alternative Finanzierungsmodelle überlegt, dass, wenn es dann doch nichts wird mit den Investor*innen, dass man dann auch andere Möglichkeiten hat, sein Unternehmen zu gründen.

Welche alternativen Finanzierungsmöglichkeiten könnten das denn sein?

Also, es gibt ja von Förderungen, Förderkrediten, Förderfonds bis hin zu anderen Bankenkrediten, ganz normalen klassischen Krediten, Kontokorrentkrediten … die Bandbreite ist sehr groß. Am besten wendet man sich an einen Bankberater des Vertrauens oder zum Beispiel auch an die KfW.

Unabhängig von der Finanzierung, welche Hausaufgaben müssen Gründerinnen und Gründer machen, bevor eine Marke an den Start geht?

Also eine Sache, die wir immer wieder betonen an der Stelle, ist, dass wir an Frauen appellieren, gut über das Geschäftsmodell nachzudenken, welches sie anstreben. Wir erleben oft bei Frauen, dass sie eher sozusagen in Einzelunternehmen denken, also beispielsweise die Fotografin oder die Designerin und so weiter. Und dass wir Frauen ermutigen, da ein bisschen darüber nachzudenken: Wie sieht das denn aus, wenn du in deinem Leben weiter fortschreitest? Du möglicherweise auch den Plan hast, Familie zu gründen? Wie ist es denn dann mit dem Einkommen in der Zeit? Und da ist es natürlich bei so einem Einzelunternehmen deutlich schwieriger, als wenn man eben geschafft hat, ein Unternehmen aufzubauen, was zumindest für eine gewisse Zeit auch unabhängig von einem selbst funktionieren kann. Also einfach sozusagen nicht nur im Moment zu denken, sondern wirklich das Geschäftsmodell zu durchdenken, auch so: Wie ist es in den nächsten Jahren? Und sich dann auch zu trauen, vielleicht ein bisschen größer zu denken und ein größeres Unternehmen anzustreben.

Ihr Tipp: Wie gehe ich mit Kritik um, insbesondere wenn sie unsachlich oder gendergetrieben ist?

Also wir ermutigen ja erst mal, nicht sich selbst zu hinterfragen so stark, sozusagen: Oh Gott, was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht? Sondern erst mal darüber nachzudenken: Gibt es hier vielleicht ein gesellschaftliches Problem? Also gibt es vielleicht einen Bias, der hier gegen mich ist, wenn es gerade zum Beispiel um das Thema Finanzierung geht. Es gibt oft eben die Möglichkeit, dass es nicht an einem selbst liegt, sondern im Außen. Und dann würden wir empfehlen, dieses Thema zu nutzen und es zu drehen und darüber zu sprechen und dadurch Awareness zu schaffen. Und auch je mehr Frauen darüber sprechen – und übrigens nicht nur Frauen, auch Männer –, je mehr Awareness dafür geschaffen wird, desto wahrscheinlicher ist ja auch, dass sich da etwas bewegt.

Herzlichen Dank! Dann hätten wir noch ein paar Sätze, bei denen ich Sie bitten würde, sie ganz spontan und schnell und ohne nachzudenken zu vervollständigen. Frauen sollten vermehrt gründen, weil …?

Wir mehr coole innovative Produkte für die Bedürfnisse von Frauen brauchen, angefangen bei der Menopause über die Libido bis zur Endometriose. Es gibt so viele Lebensbereiche von Frauen, wo es noch coole Produkte braucht – und dafür coole Gründerinnen.

Die besten Finanzierungstipps speziell für Gründerinnen gibt es bei …?

Es gibt zahlreiche Instagram-Kanäle von unterschiedlichen Gründerinnen, denen man folgen kann, die auch gerne viel über ihre Gründung erzählen und die Finanzierung. Wir nennen uns da gerne, also uns gerne folgen unter »It’s me, Ooia!«. Wir erzählen da jeden Tag etwas über Gründen. Aber es gibt auch andere Gründerinnen, die präsent sind. Und auch auf LinkedIn lernt man sehr viel über verschiedene Gründungsformen.

Unternehmertum und Mutterschaft sind …?

Keine Gegensätze, sondern ganz im Gegenteil: Die vertragen sich außerordentlich gut, weil man eben durch Unternehmertum die Chance hat, flexibler zu arbeiten – zumindest als in den meisten Unternehmen.

Das schönste Feedback einer Kundin bislang lautete …?

Wir bekommen wirklich jeden Tag so herzenserwärmende Nachrichten von unseren Kundinnen, und also jede einzelne, die uns schreibt und uns beschreibt, wie wir ihr Leben verändert haben, dass sie wieder nachts durchschlafen kann, dass sie ihrem Job nachgehen kann, ohne Sorge zu haben. Das alles, also dieses Gefühl, tatsächliche Menschenleben zu verbessern und eigentlich so ein bisschen dazu beizutragen, dass diese Frauen sich toller fühlen mit der Person, die sie sind, das ist einfach jedes Mal ein Riesengeschenk.

Ganz herzlichen Dank an Dr. Kati Ernst und Kristine Zeller, die Gründerinnen von Ooia in Berlin!

Vielen Dank, hat Spaß gemacht!

Dankeschön!

Dass Tiefschläge und auch persönliche Krisen zum Gründen dazugehören können, zeigen die Beispiele unserer kommenden Folge: Wir sprechen mit dem Gründer der »Brotpuristen«, die Brot in seiner ganz ursprünglichen Form backen, und mit der Gründerin der mittlerweile etablierten Marke »Original Unverpackt«, dem ersten Zero-Waste-Supermarkt, der mittlerweile auch viele Nachahmer gefunden hat. Beide haben sich ursprünglichen und nachhaltigen Produkten verschrieben, und beide haben neben Herausforderungen rund ums Gründen auch mit persönlichen Rückschlägen zu kämpfen gehabt. Ihre Geschichte hören Sie in der nächsten Folge von »Ungeschönt«.

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