Der große Traum vom kleinen Haus

Shownotes

Flexibles Wohnen auf kleinstem Raum und ohne Komfortverlust – das versprechen die Tiny Houses der Vagabundo Living GmbH aus München. Die drei Gründer Andreas Müllner, Luca Knipp und Michael Leitner hatten seit Studentenzeiten davon geträumt, ihre Idee von Freiheit mit nachhaltigen und bezahlbaren Wohnkonzepten zu verbinden. Doch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung ihres geplanten Musterhauses waren alles andere als „tiny“. Ehe das zweistöckige Tiny House stand, mussten zahlreiche technische, logistische und finanzielle Hürden überwunden werden. Auch das Durchhaltevermögen des Gründertrios wurde arg auf die Probe gestellt. Woran der große Traum von kleinen Haus fast gescheitert wäre und weitere „ungeschönte“ Fakten rund ums Gründen gibt’s in der Auftaktfolge zur neuen Staffel.

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Vagbundo Living GmbH

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KfW Podcast „Ungeschönt“

Vagabundo Living GmbH

mit Andreas Müllner

Es war wirklich ein sehr, sehr langer Weg. Da waren auch einige Zweifel mit dabei, ob das jetzt wirklich noch funktionieren wird. Und das ist natürlich kurz vorm absoluten Albtraum: Man kommuniziert das Ganze parallel auf Social Media, alle wissen Bescheid. Es gibt einen gewissen Druck natürlich auch von außen. Intern waren wir uns zwischenzeitlich nicht zu 100 Prozent sicher, ob das Ganze klappt. Ganz offiziell hat sich es niemand getraut, je zu erwähnen, dass wir kurz vor der Aufgabe oder vor der Verzweiflung stehen. Das war schon manchmal so, dass wir uns gedacht haben: Hätten wir es vielleicht anders machen sollen?

Willkommen zu einer neuen Staffel von „Ungeschönt“ mit einer Reihe von spannenden Unternehmensgründungen in nachhaltigen und zukunftsträchtigen Branchen. In unserer ersten Folge im neuen Jahr geht es um nachhaltiges und flexibles Wohnen auf kleinem Raum, der dafür aber optimal genutzt wird. Die Rede ist von Tiny Houses. Der Trend zum minimalistischen Wohnen kommt aus den USA, nimmt aber auch hierzulande immer weiter zu. Aber lassen sich in dieser Branche auch erfolgreich Unternehmen gründen? Das beleuchten wir heute anhand eines jungen Gründertrios, das seine Vision von Tiny Houses gerade umgesetzt hat.

Wir stellen heute die Vagabundo Living GmbH aus München vor. Einer der drei Gründer ist Andreas Müllner, zuständig für Marketing und Finanzen. Hallo, Herr Müllner!

Ja, hallo zusammen!

Ihre Firma heißt ja Vagabundo Living GmbH. Was macht Sie und Ihre zwei Mitgründer denn zu Vagabunden?

Zunächst freut es mich natürlich, dass der Name Vagabundo so klipp und klar verständlich ist. Also, es ist ja der Landstreicher, der Umherreisende – und ein wenig so war es auch bei uns während der Studienzeit. Wir hatten die Chance, direkt nach der Schule zum Beispiel ein Jahr im Ausland zu verbringen. Das habe ich auch genutzt. Da lernt man einfach viel Neues kennen. Man kann über den Tellerrand schauen und man lernt es einfach, mit weniger zurechtzukommen. Natürlich ist es nicht für jedermann was, wenn man auf kleinerem Wohnraum lebt. Da gehört schon das richtige Mindset dazu. Aber das kann man lernen.

Ich verbinde mit Vagabundentum auch eher so ein bisschen Rastlosigkeit, Wurzellosigkeit, Reiselust, Wanderlust. Also ist das der Typ Tiny-House-Käufer?

Also, was letztendlich das Vagabundentum einerseits ausmacht oder wenn man sich entscheidet, in einem Tiny House zu leben, dann bedeutet es ja für dich mehr Freiheit, einerseits finanziell, aber auch materiell. Und dementsprechend verändert man sich dann damit auch weiter. Ich denke, es gibt viele Personen, die im Laufe der Zeit merken, dass in einem großen Haus einfach so viel an Platz optional ist. Und spätestens, wenn Sie älter werden, beschränkt sich ja vielleicht dann doch der Wohnraum nur auf eine Etage und dementsprechend … Meine Oma zum Beispiel, die ist 99, die wohnt in einem einzigen Zimmer. Aber auch sie hat unser Haus schon sich angeschaut. Und sie hat gesagt: eigentlich alles, was man braucht zum Leben.

Hören wir mal rein, wie es zu Vagabundo Living kam und wofür Ihre Firma steht.

Nachhaltiger, bezahlbarer Wohnraum ist derzeit eher Mangelware. Und dann auch noch ohne Komfortverzicht? Das versprechen Luca Knipp, Michael Leitner und Andreas Müllner aus München mit ihren langlebigen Tiny-House-Wohnkonzepten der Vagabundo Living GmbH. Die Idee zu ihren Tiny Houses aus nachhaltigen, ressourcenschonenden Materialien hatten die drei schon länger. Doch wie wurde aus der Idee Realität? Ein Musterhaus musste her. Knapp zwei Jahre nach Gründung ihrer Firma und damit viel später, als die drei gehofft hatten, war ihr Prototyp fertig. Heute kann das Musterhaus im Englischen Garten besichtigt werden. Der Clou: Es lässt sich auf zwei Stockwerke ausfahren. Doch Produktionszeiten und Kosten liefen aus dem Ruder. Heute macht Vagabundo Living zwar erste Umsätze, aber noch keine Gewinne.

Da haben wir ja quasi schon die erste Hürde, Herr Müllner, der Bau des Musterhauses, der dauerte länger und kostete mehr. Wo lagen die Probleme? Was waren die Knackpunkte?

Ich denke, das größte Problem war die fehlende Erfahrung unsererseits beim Gründen und damit verbunden einfach, dass wir das Ganze falsch eingeschätzt haben. Kostentechnisch, zeittechnisch sowie externe Faktoren haben da mit reingespielt. Die Pandemie hat uns sicherlich einigermaßen zugesetzt. Die Materialengpässe haben uns natürlich Zeit gekostet. Auf der anderen Seite haben wir das Produkt so kompliziert entworfen, dass es einfach deutlich mehr Zeit gedauert hatte.

Sie haben gesagt, Sie haben das Tiny House zu kompliziert entworfen. Ist Ihr Plädoyer also eher, am Anfang ein einfacheres Produkt zu entwickeln, was sich leichter umsetzen lässt, oder was genau hat denn dieses Musterhaus so kompliziert gemacht?

Ja, diese Entscheidung ist so ein Trade-off letztendlich. Entweder möchte man ein Haus bauen, welches schnell fertig ist, welches einfach ist, welches natürlich ein günstiges Musterhaus ist. Auf der anderen Seite möchte man sich von der grauen Masse abheben. Man möchte anders sein als die anderen. Man möchte vielleicht ein Haus bauen, welches wirklich große Wellen schlägt, welches eine Neuentwicklung eventuell ist. Ich denke, wir haben das geschafft mit diesem flexiblen, zweistöckigen Tiny House. Aber am Schluss muss man einfach einen der beiden Wege gehen. Wir haben den steinigeren und komplizierteren Weg gewählt, haben dafür aber auch die Rechnung kassiert. Aber so weit sind wir ganz happy damit.

Sie haben das Musterhaus mit einer Partner-Schreinerei umgesetzt, die nicht auf den Bau von Tiny Houses spezialisiert ist. Wie kam es denn zu dieser Partnerschaft? Warum haben Sie diese Schreinerei ausgewählt?

Schreinereien generell haben ja nicht wirklich so viel Zeit für so kleinere Aufträge wie den unsrigen. Die möchten ihr Geld verdienen, und mit so einem Prototypen-Bau verdient man in erster Linie erst mal nicht das große Geld. Wir hatten das Glück, dass von Luca Knipp, dem Kollegen von mir – er ist Architekt –, seine Eltern haben eine Messebau-Schreinerei, die viel im Bereich Küche und anderer Möbelbau schon Erfahrung haben. Wenn man mit der eigenen Familie zusammenarbeitet, gibt es natürlich auch wieder neue Hürden und neue Challenges, die man so vorher nicht erwartet hätte, unter anderem, dass man vielleicht nicht alle Themen so anspricht, wie wenn man mit einem Unternehmen, welches, ja, mehr Distanz zu dir hat, arbeitet. So Dinge wie die Fertigstellungstermine von unserem Musterhaus jetzt, das hat sich leider immer wieder nach hinten verzögert. Da gab es natürlich auch immer wieder kritische Stellen, in denen diese Partner-Schreinerei auch ihrer eigenen Arbeit hinterhergehen musste. Da wurde natürlich unser Projekt immer mal wieder nach hinten angestellt. Das verstehen wir auch absolut.

Wenn wir jetzt mal die technische Seite betrachten – Sie haben ja gesagt, das ist ein kompliziertes, komplexes Produkt –: Wo liegen denn die Knackpunkte, wenn man auf so minimalem Raum baut, und wie haben Sie diese Schwierigkeiten gelöst?

Einerseits liegt der Knackpunkt dabei: Wenn wir jetzt unser Musterhaus betrachten, das ist 7,45 Meter lang und 2,55 Meter breit, so kann man es auf der Straße unkompliziert transportieren. Da ist einer der Knackpunkte das Thema Dämmung: dicker oder weniger dick versus das andere Thema: mehr oder weniger Wohnraum. Je mehr man dämmt, desto mehr schrumpft der Wohnraum innen drin. Und da muss man natürlich die goldene Mitte treffen. Wir haben, glaube ich, eine ganz gute goldene Mitte jetzt getroffen mit unserem Musterhaus. Auf der anderen Seite gehört dazu die Innenarchitektur, nämlich die intelligente Raumgestaltung dieses Hauses. In manchen Modul-, Minimal- oder Tiny-Häusern ist die Raumaufteilung meiner Meinung nach sehr unüberlegt, sodass alles so zugestellt wirkt. Bei unserem Haus muss ich wirklich dem Luca, unserem Architekten, noch mal ein großes Lob aussprechen. Es ist alles am rechten Fleck. Die Küche ist keinen Zentimeter zu groß. Der Wohnraum ist schlau gelöst, es ist eine Kombination aus Aufenthalts- sowie Esszimmer. Im oberen Geschoss haben wir dann noch das Schlafzimmer. Und, ja, die komplette Idee ist wirklich sehr gut gelungen. Und das ist die andere Seite, die wirklich sehr wichtig ist, wenn man dann eben dicker dämmt, was wir gemacht haben, dass dann innen drin der Wohnraum intelligent gestaltet ist.

Jetzt haben Sie vorhin erwähnt, Ihr Tiny House ist zweigeschossig. Es lässt sich dann vermutlich recht schwierig transportieren.

Wenn es komplett ausgefahren ist, haben wir eine Höhe von über sechs Metern. Dann darf man es gar nicht so per Lkw transportieren, wir haben eine Maximalhöhe auf deutschen Straßen von vier Metern. Von gewöhnlichen Tiny-Häusern kennen wir es so: Da haben wir zum Beispiel eine Galerie oben, da haben wir dann eine Schlafnische. Da kann man aber dann nicht drin stehen. In unserem Tiny House haben wir uns gedacht, wir wollen einen kompletten Wohnraum schaffen, so wie man es gewohnt ist. Wir wollen ein kompromissloses Wohnen schaffen. Wir wollen, dass man im oberen Geschoss genauso viel Platz hat wie im unteren Geschoss. Und dementsprechend haben wir oben sowie unten eine Wohnfläche, in der man nicht Angst haben muss, dass man sich den Kopf anstoßen muss. Wie hat das Ganze geklappt? Mit einem Hubsystem. Also wir haben da ein elektrisches Spindel-Hubsystem verbaut. Das hört sich jetzt wahrscheinlich für viele der Zuhörer sehr kompliziert an – ich kann es bestätigen, es war auch wirklich kompliziert. Da gab es viele Probleme damit, und da haben wir uns auch lange Zeit damit herumgeschlagen und auch da sind wir sehr naiv rangegangen an das Ganze.

War das denn technisch sehr schwer umsetzbar?

Auf den ersten Blick nein. Wir haben uns bei einem der Hersteller, die Hubsysteme vertreiben, informiert. Die haben uns dann gesagt: Ja, dieses Produkt wäre dafür ideal. Und da haben wir uns dann letztendlich für eines der Produkte entschieden, die uns dort empfohlen worden sind, bestellt. Da lag das Hubsystem wirklich für einige Monate während dem Bau schon vor Ort in der Werkstatt rum. Und als es dann so weit war, haben wir gemerkt: Wie können wir das Ganze denn jetzt wirklich hier installieren? Wie synchronisieren wir die zwei verschiedenen Motoren? Das war dann gar nicht so einfach. Und das ist auch so ein Punkt: Man darf nicht jedem sofort trauen, was er dir erzählt, auch wenn es ein Unternehmen ist. Die Unternehmen wollen Geld verdienen und wollen einen Umsatz kreieren, die wollen dir was verkaufen, da haben sie uns was verkauft. Im Nachhinein ist es gut gegangen, aber wir hatten damit zu kämpfen und haben einige Fachleute kontaktieren müssen, bis wir dann denjenigen gefunden haben, der uns das wirklich final einrichten konnte. Aber es war wirklich ein sehr, sehr langer Weg und da waren auch einige Zweifel mit dabei, ob das jetzt wirklich noch funktionieren wird. Und das ist natürlich kurz vorm absoluten Albtraum, wenn man sich überlegt: Man konzipiert ein Haus, es ist zweistöckig – man kommuniziert das Ganze parallel auf Social Media, alle wissen Bescheid. Es gibt einen gewissen Druck natürlich auch von außen; und intern waren wir uns zwischenzeitlich nicht zu 100 Prozent sicher, ob das Ganze klappt. Ich bin so der Optimist in unserer Runde. Ich war mir immer sicher, es klappt irgendwie, auch wenn ich manchmal auch dem Ganzen kritisch zugeschaut habe. Der Michi, der war derjenige, der sich mit dem technischen Thema mehr auseinandergesetzt hatte; der war näher dran. Der war wirklich teilweise kurz vor der Verzweiflung. Wir hätten jetzt auch für das Folgeprodukt ein schlaueres Hubsystem, welches einfacher zu installieren ist und weniger Probleme bereitet, da würden wir nicht noch mal beim gleichen Hersteller kaufen.

Und hatten Sie jemals daran gedacht, das Ganze vielleicht einfach abzubrechen, weil die Kosten aus dem Ruder laufen, das Hubsystem nicht so leicht implementierbar ist, wie Sie dachten?

Ich glaube, ganz offiziell hat sich es niemand getraut, je zu erwähnen, dass wir kurz vor der Aufgabe oder vor der Verzweiflung stehen. Aber ich glaube, das war schon manchmal so, dass wir uns gedacht haben: Hätten wir es vielleicht anders machen sollen? Aber wenn man einen Weg so weit gegangen ist, dann muss man einfach mit Optimismus vorangehen und einfach schauen, was es für Möglichkeiten gibt. Und wir können uns glücklich schätzen, dass wir in so einem hochtechnisierten Land wie Deutschland leben, in dem man dann doch einen Fachmann für fast jedes Problem findet. Aber zugegebenermaßen: Wir waren nicht kurz vorm Aufgeben, das glaube ich nicht. Aber es wäre natürlich schade gewesen um viel Geld, was wir selbst privat investiert hatten bisher in das Unternehmen.

Zu den finanziellen Aspekten wollte ich auch noch kommen. Ich wollte aber zunächst noch wissen, wie Sie denn diese Vagabundo Tiny Houses vermarkten. Also wer gehört zu Ihren Kunden und wie finden Sie diese?

Die Frage der Kundengruppe oder der Zielgruppe ist eine sehr gute und auch etwas komplizierte. Eine junge Person, ein Student wäre an sich sehr smart, sehr schlau, wenn er schon in jungem Alter sich ein Eigentum, eine eigene Wohnung, ein eigenes Haus oder auch ein Tiny House beschaffen würde. Mit den aktuellen Preisen in Deutschland ist es natürlich immer ein bisschen unrealistisch aktuell. Jedoch habe ich in meiner Zeit, die ich in München wohne, eine enorme Summe an Miete schon verprasst, und deswegen stelle ich mir die Frage immer wieder: Warum sind da nicht mehr junge Leute, die wirklich aktiv diese Anfragen stellen? Also, was wir merken: Es ist schon so, dass es tendenziell ältere Personen sind, die sagen: Sie wollen sich reduzieren, sie wollen auf einem kleineren Wohnraum leben. Sie möchten vielleicht Platz machen für ihre Söhne, die ihre Enkel im Elternhaus großziehen, so ein bisschen dieser Tausch von den Häusern. Und selbst wollen sie natürlich ein Haus haben, welches barrierefrei ist, für das Alter passend ist. Und vielleicht will der eine oder andere an einen Wunschort ziehen. Und das wäre die für viele einzige Möglichkeit, diesen Wunsch zu realisieren. Deswegen: Die Tendenz ist schon da, dass die Zielgruppe die älteren Personen sind, die sich sozusagen bereit für ihre Pension oder ihr Seniorenleben machen.

Das ist ganz interessant, weil wir haben eine Hörerinnen-Frage, wir haben das über Social Media abgefragt. Zum Thema Tiny Houses haben wir Fragen gesammelt, und diese Frage steht eigentlich stellvertretend für einige Fragen der Hörerinnen und Hörer zum Thema Investition in Tiny Houses.

Hallo in die Runde, ich bin Josefine, 25 Jahre alt, aus Heilbronn. Und mich würde interessieren, ob es sich für junge Menschen eher lohnt, eine Ein-Zimmer-Wohnung zu kaufen oder ein Tiny House? Was wäre denn da das bessere Investment?

Ja, wie würden Sie diese Frage beantworten, Herr Müllner?

Das ist eine sehr gute Frage. Im städtischen Bereich, so wie die Entwicklung der letzten Jahre war, würde ich wirklich Richtung Wohnung tendieren. Wenn man sich das anschaut, die Zahlen, inwieweit der Wert von Wohneigentum im städtischen Bereich gestiegen ist, denke ich, dass das finanziell gesehen die schlauere Investition ist. Das ist die eine Seite der Medaille, die finanzielle. Die andere ist die Seite der Freiheit. Wenn man die Immobilie dann doch selbst nutzen möchte, hat man natürlich mit einem mobilen Haus einerseits wirklich den geringeren Investitionsbedarf und andererseits: Du kannst darin einen Zeitraum am Wohnort A leben und einen weiteren Zeitraum woanders. Also du kannst es wirklich von A nach B bewegen, und das ist mit einer städtischen Wohnung nicht möglich. Wenn du genug Kapital hast, kannst du natürlich beides machen, das wäre die schlauste Variante. Aber bei den aktuellen Preisen ist es sicherlich nicht einfach für den Großteil der Bürger und Bürgerinnen, gerade in Deutschland.

Jetzt ist die Tiny-House-Bewegung ja ursprünglich eine, die sich an Menschen mit ausgeprägtem Umweltbewusstsein und kleinerem Einkommen wendet. Wo liegen die Vagabundo-Tiny-Houses preislich ungefähr?

Also unsere Häuser bewegen sich im Preis 60.000 Euro brutto bis 150[.000], ja, könnten auch 180[.000] werden. Wir haben jetzt aktuell einen Kunden, mit dem besprechen wir ein Projekt, das bewegt sich im Bereich von 300.000 Euro. Das ist aber auch Wohnraum von fast 100 Quadratmetern. Und das ist dann sozusagen ein Modulbau, wo zwei Tiny-Häuser bzw. zwei Modulhäuser aneinandergebaut werden, kombiniert mit einem Wintergarten und einer Terrasse. Also auch solche Projekte realisieren wir. Aber letztendlich, aktuell ist es so: Wir gehen auf die Wünsche des Kunden ein. Der Kunde formt das Produkt, also das Produkt, was der Kunde haben möchte, wird in fünf Jahren in unserem Portfolio stehen.

Okay, sagen wir mal, um die 100[.000] bis 150.000 kann man durchaus locker für so ein Tiny House bezahlen. Angesichts der Tatsache, dass hier wahrscheinlich keine Wertsteigerung zu erwarten ist, ist das natürlich schon auch ein Luxusprodukt, würde ich sagen. Damit mehr Menschen nachhaltig oder ressourcenschonend und flexibel wohnen können, wie Sie es ja beabsichtigen, müssten Ihre Produkte da nicht sehr viel erschwinglicher sein?

Zum Thema Erschwinglichkeit, isage jetzt mal so: Es ist natürlich schwierig, das Produkt günstiger anzubieten, denn wir bieten einfach eine Qualität „Made in Germany“ an, wir schlagen unsere eigene Marge drauf, sodass das Unternehmen überleben kann. Deswegen: Diese Preise sind absolut gerechtfertigt, das ist auch nicht teuer. Letztendlich, klar, das hängt so ein bisschen von der Nutzung ab. Wenn du jetzt das Haus dir als Ferienhaus kaufst, dann ist es natürlich fraglich, warum du hier 150.000 Euro für ein Ferienhaus ausgibst. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sagen: Es gibt auch Personen, die kaufen sich Ferienhäuser für noch mehr Geld. Und letztendlich auch die Frage, die Sie hatten mit der Wertsteigerung: Das hängt immer davon ab. Sinken wird der Preis nicht. Und was auch neu ist im Bereich Immobilien: Du kannst das Haus natürlich überallhin verkaufen. Also es ist nicht ortsgebunden. Dementsprechend wirst du eventuell viel schneller einen Käufer finden.

Jetzt hatten Sie erwähnt, Sie haben eine Marge, mit der das Unternehmen mal so gerade überleben kann. Wie haben Sie denn Ihre Gründung überhaupt finanziert? Sie hatten ja alle drei feste Jobs bei großen Unternehmen. Die haben Sie gekündigt und haben gegründet. Wie haben Sie das finanziert?

Über die letzten Jahre haben wir uns ein bisschen Geld angespart, und ein Großteil des Geldes ist jetzt wirklich in das Unternehmen geflossen. Dementsprechend ist es eine komplette Eigenfinanzierung ohne externe Investoren. Wir haben uns proaktiv dafür entschieden, weil wir einfach die Vorteile dieser Art von Gründung gesehen haben oder diese Art von Finanzierung gesehen haben. Und ob wir das Geld jetzt irgendwann zurückzahlen müssen oder ob andere bei uns mitverdienen werden – für uns war es einfach der schönere Weg und auch der Weg, in dem wir sehen: Wir können das Produkt so gestalten, wie wir wollen. Uns wird nicht reingeredet und wir haben die Entscheidungshoheit. Und letztendlich dadurch, da wir das Kapital von uns drei eben freimachen konnten für die Unternehmensgründung, war die Entscheidung klar: Wir wollen das eigenfinanzieren.

Und was meinen Sie, wie wird sich Vagabundo Living denn weiter entwickeln?

2022 haben wir unsere ersten Umsätze erzielen können. Durch natürlich sehr hohe Ausgaben immer noch haben wir keinen Gewinn erzielt bisher. Aber wir sehen da sehr optimistisch in die Zukunft. Auch jetzt, vor allem im Jahr 2023, rechnen wir damit, dass wir die ersten Gewinne erzielen werden, ja.

Und wie haben Sie jetzt die letzten Monate finanziert? Auch sich selbst, meine ich?

Das ist eine gute Frage, sicherlich auch sehr spannend für andere Gründer, weil ich glaube, das ist so was ganz Elementares, was sich viele Gründer fragen. Ja, wir haben immer noch unsere Teilzeitjobs, in denen wir so weiterarbeiten. Auf Dauer wünschen wir uns schon, dass Vagabundo das einzige Unternehmen ist, für das wir arbeiten müssen bzw. für das wir arbeiten auch wollen. Und ja, aber wir sind guter Dinge – da höre ich ein bisschen Naivität aus meiner Stimme, aber auch ein bisschen Optimismus raus. Und ohne das geht es ja auch gar nicht.

Wie viele Tiny Houses müssten Sie denn so im Jahr verkaufen, um Gewinne zu machen?

Da würden auch schon ein paar davon reichen. Aber man muss natürlich auch Rücklagen bilden. Man muss immer wieder mal Geld in die Hand nehmen, um zu investieren, sei es zum Beispiel, ob wir jetzt ein Grundstück zum Beispiel kaufen müssen für das Ausstellen von verschiedenen Haustypen. Also da gibt es schon große Investitionen, die da eventuell auf uns zukommen könnten. Oder die Eventualität, dass in der Zukunft irgendwann mal das Thema kommt, dass wir das Ganze inhouse produzieren. Dann geht es darum, die ganzen Dinge, die eine Schreinerei so hat, Maschinen und so weiter, das alles zu kaufen. Das ist eine gigantische Investition. Aber ich sage jetzt mal: Eine schlaue Sache ist es schon, in dem Bereich das Ganze inhouse zu produzieren. Aber auf der anderen Seite muss man so sehen: Aktuell sind wir einfach sehr flexibel dadurch.

Jetzt haben Tiny Houses ja ihren Ursprung in den USA, aber auch in Deutschland eine durchaus wachsende Fangemeinde. Allerdings darf man hierzulande ja sein Tiny House nicht überall hinstellen. Wie ist denn da so die baurechtliche Situation?

Das stimmt. Man kann sein Tiny House, aber man kann auch sein Wohnhaus nicht überall hinstellen. Es gibt den Außenbereich einer Gemeinde, also das landwirtschaftliche Gebiet, und den Innenbereich einer Gemeinde. Im Innenbereich sind die Baugrundstücke in der Regel und im Außenbereich Landwirtschaft. Da ist es einfach weder für ein normales Haus noch für ein Tiny House möglich, das abzustellen. Eine Ausnahme bietet zum Beispiel, wenn man einen Bauernhof hat mit einer bestimmten Quadratmeter- oder Hektaranzahl, dann ist es möglich, da noch was mit abzustellen. Oder in touristischen Gebieten gibt es das auch. Im Innenbereich ist es tatsächlich so, dass Gemeinden gewisse Vorgaben haben, sei es zum Beispiel die Dachform, ob es jetzt ein Giebeldach, ein Flachdach sein soll oder eben nicht. Das muss man dann alles mit der Gemeinde eben in einer Bauvoranfrage klären. Es gibt schon viele Gemeinden, die dem Thema sehr offen gegenüberstehen. Wenn der Bebauungsplan es zulässt, ist es sehr realistisch, dass man es zusätzlich zu einem bestehenden Haus mit abstellen kann.

Gibt es eigentlich so etwas wie Tiny-House-Hotspots in Deutschland, also wo man sie gehäuft antrifft? Auf Campingplätzen sieht man diese Häuser ja nicht unbedingt.

Auf Campingplätzen kommt es immer mehr. Wir haben ja auf Campingplätzen so ein bisschen diese, na ja, schäbigen Plastik-Bungalows manchmal stehen. Das Thema Glamping wird immer größer, also glamorous Camping, sage ich jetzt mal. Dementsprechend: Wir sind da auch im Austausch mit ein paar Campingplätzen. Es gibt ein paar Tiny-House-Villages in Deutschland – das kann man online einsehen, zum Beispiel in der Nähe von Nürnberg gibt es eins –, die wurden von der Gemeinde so hochgezogen, ganz offiziell proaktiv, dass das wirklich nur Bauland für Tiny-Häuser ist. Und da funktioniert es dann normalerweise folgendermaßen, dass einzelne Parzellen – in der Regel 100 bis maximal 200 Quadratmeter – eben für einen gewissen Pachtpreis an die Eigentümer übergeben werden, mit einem Zeithorizont von 20 bis 30 Jahren. Und das Tiny-Haus stellt dann jeder alleine da, eben mit Bauantrag, noch dazu drauf.

Am Bau gibt es ja auch zahlreiche Normen und Vorschriften, also zum Beispiel, um Baumängeln vorzubeugen oder gewisse Vorgaben der Gemeinde einzuhalten. Wie stellen Sie denn sicher, dass diese Normen und Vorschriften eingehalten werden?

Bei uns im Bau wird grundsätzlich so gut wie immer, wenn es möglich ist, nach DIN-Normen gebaut, also nach den Normen, die sozusagen vorgegeben werden, die auch ganz normal im Hausbau alltäglich sind. Und man sieht es auch immer mal wieder auf irgendwelchen Baustellen von einem normalen Hausbau: Der Bauherr hat sich dann nicht an gewisse Normen gehalten, aber das führt dann eben im schlimmsten Fall, falls es zum Beispiel zu einem Personenschaden kommt – Beispiel Treppe: wenn die falsch gebaut ist oder es fehlt der Handlauf und dann stürzt eine Person –, und dann führt das natürlich zu einer Klage und zu großen, na, finanziellen Problemen. Und da muss man natürlich abgesichert sein, einerseits durch Versicherungen und andererseits müssen wir auch als Unternehmen dafür gewisse Rücklagen bilden, dass wir, wenn es zum Beispiel sich um eine Reparatur handelt, die wir nachträglich, oder irgendeine Anpassung, die wir nachträglich vornehmen müssen, dass wir das dann noch stemmen können.

Bei einem Unternehmen, das aber noch keine Gewinne erzielt, stelle ich es mir jetzt schwierig vor, Rücklagen zu bilden. Woher nehmen Sie denn das Geld für etwaige Rücklagen?

Also aktuell gibt es noch keine Rücklagen. Aktuell sind unsere Rücklagen unser Privatvermögen.

Und schlafen Sie dabei gut?

Ich bin Optimist im Leben, muss ich sagen. Und bisher hat alles sehr, sehr gut geklappt. Aber natürlich: Auf der anderen Seite spreche ich auch mit sehr viel Naivität. Aber anders geht es nicht und anders gründet man kein Unternehmen.

Das ist ja fast schon ein Business-Mantra. Solche Mantras fragen wir immer gerne ab in unserer Rubrik …

Was ist Ihre Vision fürs Wohnen der Zukunft?

Jede Person soll sich in der Zukunft Wohnraum leisten können.

Was ist der größte Vorteil am Leben in einem Tiny House?

Freiheit – finanziell, materiell, in vielerlei Hinsicht.

Was darf in einem Tiny House auf gar keinen Fall fehlen?

Gemütlichkeit. Aber wenn wir jetzt das Materielle ansehen: Ich würde sagen, das Badezimmer. Weil das ist etwas, was komplizierter zu installieren ist. Das kann nicht jeder selber machen. Das restliche Tiny House kann man sich vielleicht auch noch selber einrichten. Aber ich sage jetzt mal: Das Badezimmer ist so das Elementare. Andere würden sagen die Küche. Ich finde, beides so ein bisschen, aber Badezimmer in erster Linie, weil das so das Komplexeste ist zum Einbauen.

Wenn Sie Vagabundo Living heute noch einmal gründen würden, was würden Sie diesmal anders machen?

Wenn ich jetzt sagen würde: „alles genau gleich“, dann hätten wir diesen Podcast nicht machen müssen. Na, ich würde sicherlich viele Dinge ändern. Zum einen beim Musterhausbau würden wir sicherlich viele Dinge öfters hinterfragen. Also Problemstellungen öfters hinterfragen, glaube ich, ist so generell die Antwort dazu.

Würden Sie in einem Tiny House alt werden wollen?

Ehrlich gesagt kann ich mir nichts Schöneres vorstellen. Die Nähe zur Natur und alles, was dazugehört, die Flexibilität, die Entscheidung, mit dem Haus doch irgendwann doch noch mal umziehen zu können, ist schon sehr romantisch. In der Realität denke ich, dass in der Mitte meines Lebens ein Tiny House vielleicht zu klein sein könnte für Familiengründung und so weiter und so fort. Jedoch: Sobald das Thema vorbei ist und es darum geht, das Leben zu genießen, kann ich mir wirklich nichts Schöneres vorstellen. Ich bin gerne spontan. Deswegen: Das Thema Umziehen ist schon eine sehr interessante Sache.

Ja, herzlichen Dank, Herr Müllner. Jetzt wollen wir am Ende unserer Podcastfolge noch ein paar Sätze vervollständigen. Sie kennen das: Ich fange den Satz an und Sie antworten schnell und ohne nachzudenken, wie Sie den Satz beenden würden. Lebensqualität bedeutet für mich …

… Freunde um mich rum zu haben.

Mein größtes Architekturvorbild ist …

… Luca Knipp, unser Architekt.

Wenn ich mein Tiny House überall aufstellen könnte, dann wo?

Zunächst in Deutschland auf einem gepachteten Grundstück, und dann würde ich vermutlich in den Süden, nach Portugal damit, Alentejo und Algarve.

Vielen, vielen Dank, Herr Müllner! Viele Grüße auch an Ihre beiden Mitgründer, Michael Leitner und Luca Knipp. Und toi, toi, toi für Vagabundo Living GmbH!

Vielen Dank für die Einladung. Ich werde die Grüße ausrichten, und ich hoffe, ich konnte viele Insights mitgeben. Und wenn es sonst noch Fragen gibt von bevorstehenden Gründern oder jetzt schon Gründern, die können sich gerne jederzeit per E-Mail an uns richten. Die EMail-Adresse und alles gibt es bei uns auf der Webseite.

Alles klar. Vielen herzlichen Dank!

Bis bald. Tschüss.

Am 8. März ist Weltfrauentag. Zeit, einmal zu beleuchten, wie es eigentlich um weibliche Gründungs- und Nachfolgekultur in Deutschland bestellt ist. Wir reden mit der Geschäftsführerin des Social Business Women e. V. und der Chefvolkswirtin der KfW Bankengruppe zum Thema Female Entrepreneurship mit vielen Gründungsbeispielen. Bis dahin! Alles Gute, wünscht Holger Thurm.

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