Nachfolge gesucht: Transformation von Traditionsbetrieben

Shownotes

Eine Pension für Unternehmen? Gemeinsam mit einem Freund hat Jan Heipcke eine solche gegründet. Die „Unternehmenspension“ ist eine Dachgesellschaft für handwerklich geprägte kleine und mittelständische Traditionsunternehmen, die keine Nachfolge mehr finden. Dazu zählte die familiengeführte Klar Seifen GmbH, die 140 Jahre lang hochwertige Seifen produziert hatte. Jan Heipcke übernahm das nahezu insolvente Unternehmen mehrheitlich und machte es fit für die Zukunft. Wie er trotz drohender Zahlungsunfähigkeit festgefahrene Strukturen, veraltete Produktsortimente und Marketingkonzepte transformiert und Klar Seifen mit zukunftsfähigen Produkten wieder am Markt etabliert hat, verrät Jan Heipcke im Staffelfinale von „Ungeschönt“.

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Klar Seifen GmbH

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Kfw Podcast „Ungeschönt“

Klar Seifen GmbH

mit Jan Heipcke

Es ist erst mal wichtig zu verstehen, dass ein Unternehmen zu übernehmen gar nicht so viel anders ist als eine eigene Gründung. Unternehmen übernehmen kann auch eine gute Alternative dazu sein. Aber ich glaube, eine der wichtigsten Fragen ist natürlich genauso wie beim Gründen: Ist man selber und auch für sich, sprich: für sein privates Umfeld dafür bereit, auch eine Zeit lang auf einiges zu verzichten, sei es Freizeit, Geld … Man bringt halt Sorgen mit, die dann letztendlich auch gewissermaßen abgefedert sein müssen. Es gibt sie halt noch, die guten Dinge, und irgendwie es ist wichtig, dass man versucht, diese Geschichten weiterzuschreiben.

Willkommen zu einer weiteren Folge von „Ungeschönt In die Zukunft“, der letzten Folge dieser Staffel, bevor wir im kommenden Jahr in eine neue Staffel ungeschönter Fakten rund ums Gründen und Nachfolgen eintreten. Vergangenes Mal haben wir mit zwei Expertinnen über das Gründen in der Zukunftsbranche Mobilität gesprochen. Jetzt geht es um Traditionsunternehmen, die transformiert und fit für die Zukunft gemacht werden sollen. Ich bin Holger Thurm und begrüße Sie ganz herzlich!

Ich spreche mit Jan Heipcke, geschäftsführender Gesellschafter der Klar Seifen GmbH und zweier weiterer Unternehmen mit langer Firmengeschichte. Herzlich willkommen, Herr Heipcke!

Ja, herzlich willkommen!

Sie sind Geschäftsführer gleich dreier Unternehmen, die allesamt stark handwerklich geprägt sind. Eines davon, die Klar Seifen GmbH, stand kurz vor der Pleite, als Sie einstiegen. Bevor wir Sie und Klar Seifen vorstellen: Wie muss man denn gestrickt sein, um bei einem fast insolventen Unternehmen die Nachfolge anzutreten?

Ich glaube, im Vorfeld ist es ganz, ganz wichtig, dass man eine Vision und Vorstellungen hat, wie so ein Unternehmen auch wieder in einem Idealbetrieb laufen kann. Und mich haben die Produkte wahnsinnig begeistert, bin vorbeigekommen, das erste Mal Klar Seifen kennengelernt, als wir eine Honig-Seife produziert hatten und der Imker frischen Honig vorbeigebracht hat und ich dann fragte: „So machen wir wirklich Honig-Seife hier?“, und alle mit den Schultern zuckten und sagten: „Ja, klar, wie denn sonst?“ Und das war für mich eigentlich so die Motivation zu sagen: Es gibt sie halt noch, die guten Dinge, und irgendwie es ist wichtig, dass man versucht, diese Geschichten weiterzuschreiben. Ich war ein paar Jahre in der Unternehmensberatung, habe auch da verschiedene Sanierungs- und Restrukturierungsfälle betreut und fand es einfach wahnsinnig spannend und habe halt ein immenses Potenzial gesehen, einmal in der Produktion, einmal in der Marketing-Aussage „Made in Germany“, „Deutschlands älteste Seifenmanufaktur“, „Heidelberg“, „Klar“; und das passte für mich alles zusammen und war ein sehr, sehr attraktives Paket.

Die Klar Seifen GmbH steht exemplarisch für Ihr Modell, traditionsreiche Unternehmen für die Zukunft neu aufzustellen. Lassen Sie uns also, bevor wir weitersprechen, erst einmal einen Blick auf Ihren Werdegang und auf Klar Seifen werfen.

Jan Heipcke hatte schon als Unternehmensberater ein Interesse am Thema Nachfolge. An die Manufaktur-Szene geriet er eher zufällig. Ein Freund von ihm war Inhaber von Deutschlands ältester Seifenmanufaktur, der Klar Seifen GmbH im badischen Plankstadt. Das Traditionsunternehmen existiert seit 1840 und stellt qualitativ hochwertige Seifenprodukte her. Hinzu kommen feste Shampoos und Conditioner, Rasierwasser, Rasierpinsel und Handcremes. Der finanziell angeschlagene Familienbetrieb suchte erstmals eine Nachfolge außerhalb der Klar-Familie. Jan Heipcke zögerte nicht und kündigte seinen gut dotierten Job als Berater. Zusammen mit einem Freund, Philipp Schäfer, gründete er die Unternehmenspension als Dachgesellschaft und übernahm die Klar Seifen GmbH sowie zwei weitere handwerkliche Traditionsunternehmen in den Segmenten Bettwäsche und Naturwaren mehrheitlich. Das Ziel: die langfristige Nachfolge zu sichern sowie die Firmen und Produkte nachhaltig und zukunftsfähig aufzustellen.

Herr Heipcke, Sie kommen aus einer eher IT-lastigen Unternehmensberatung mit festem Job und sicherlich auch sehr gutem Einkommen. Warum sind Sie denn Nachfolger von Unternehmen in doch sehr handwerklich geprägten Branchen geworden?

Ach, ich hatte eigentlich schon während der Universitätszeit immer die Begeisterung gehabt für Manufakturen und Manufakturprodukte. Und auch da während der Unizeit ist mir eigentlich auch schon immer wieder mal oder sind mir immer wieder mal verschiedene Statistiken zugespielt worden, dass knapp – damals – 70.000, 80.000 klassische Unternehmen keine Nachfolge finden. Und ich fand es eigentlich immer ganz spannend, mir so diese, ich sage mal, Hidden Champions – die es in Deutschland da ja doch recht zahlreich gibt – anzuschauen, und fand eigentlich immer so eigentlich ausgehend von den Produkten das sehr, sehr spannend.

Jetzt sind Sie ja eigentlich ein Branchenneuling, also mit Seifenmanufaktur und Handwerk hatten Sie an sich beruflich nichts zu tun. Haben Sie sich das einfach so zugetraut? Oder war da vielleicht doch ein bisschen Respekt vor der Aufgabe?

Absolut. Respekt hat man immer und ich glaube, es wäre auch fahrlässig oder gefährlich, wenn man diesen nie richtig verliert. Ich glaube, was aber dann viele Unternehmen oder eigentlich alle Unternehmen vereinen sollte: dass halt grundsätzliche Züge wie Umsatz, Kosten, Ertrag im richtigen Verhältnis stehen müssen und so weiter und so weiter. Und da ist es eigentlich im ersten Sinne erst mal irrelevant, welches Produkt oder welcher Artikel am Ende dahinter steht.

Nun stimmten die Bilanzen bei Klar Seifen zu dem Zeitpunkt, als Sie einstiegen, gar nicht. Klar Seifen war eigentlich erheblich ins Schlingern geraten, als Sie an Bord kamen. Woran hat das eigentlich gelegen?

Ich glaube, in der Historie von Klar Seifen etwas zurückblätternd, muss man sagen: Das Unternehmen, 1840 gegründet, hat auch sehr, sehr viele Generationen, wahrscheinlich auch Herausforderungen, Probleme schon meistern können, ist dann aber so in den 90er-Jahren mit dem Aufkommen der Flüssigseife, glaube ich, wie viele andere Festseifenproduzenten schon noch mal irgendwie in eine weitere Bedrängnis gekommen und war auch eigentlich schon zeit seines Bestehens immer bekannt für das Private-Label- und Lohnherstellungsgeschäft, also sprich: wo wir Seife für andere Firmen, andere Marken produziert haben – und diese klassische Marke oder was Marketing ausmacht, hat man in dieser Firma eigentlich nie wirklich gelebt gehabt. So, und das war eigentlich für mich dann auch mit das ausschlaggebende Potenzial zu sagen: Okay, das ist ein Hebel, ein Ansatzpunkt, wo man letztendlich weiter reingehen kann und auch da Potenziale heben kann.

Klar Seifen stand vor der Insolvenz. Wie fühlt es sich denn eigentlich an, wenn man weiß, dass man ab morgen keine Rechnungen mehr bezahlen kann?

Das ist schon auf der einen Seite ein sehr, sehr unangenehmes Gefühl, zumal man auch sagen muss, das ist natürlich immer ein bisschen anders, wenn man in einer unternehmerisch selbstständigen Rolle in der Position ist, als wenn man das in einem Angestelltenverhältnis halt hat, weil die Verantwortung natürlich bei dem Unternehmen, den Mitarbeitern immer natürlich noch ein Stück weit eine andere ist. Auf der anderen Seite hatte ich ja auch einen gewissen Plan, wie wir sozusagen die Probleme lösen können. So, und das war natürlich dann immer so das Für und Wider, wo man gucken musste und sagen wollte: Okay, über welche Rechnungen spricht man? Welche Dringlichkeit hat man da? Gibt es halt die Möglichkeit, mit Lieferanten auch verschiedene Zahlungsziele noch mal zu diskutieren? – um dann halt letztendlich so eine ganze Cash-Flow-Planung einigermaßen sinnvoll aufsetzen zu können.

Und wie haben Sie dann wirtschaftlich das Ruder insgesamt herumgerissen? Oder jetzt, um im Bild zu bleiben: Welche Klippen mussten Sie umschiffen?

Ich glaube, das Wesentliche war, bei Klar Seifen zum Beispiel, dass wir eine neue Marke gebaut haben oder bauen mussten, natürlich auf den Säulen oder dem Fundament der gesamten Geschichte des Unternehmens, in einem laufenden Geschäft, also sprich: Das ist jetzt nicht das klassische Start-up, was eigentlich erst vielleicht bei Marke und Produkt und Sortiment dann anfängt, das entwickelt, das vielleicht dann von einem Lohnhersteller produzieren lässt und dann sozusagen in den Vertrieb geht. Bei uns war es halt, dass viele Themen parallel und gleichzeitig passiert sind, also sprich zu sagen: auf der einen Seite natürlich das Geschäft, das Private-Label- und Lohnherstellungsgeschäft so weiterzuentwickeln, dass letztendlich es rentabel, profitabel ist, und dann auf der anderen Seite aber letztendlich – und das war ja der ursprüngliche Hebel oder die Idee – zu sagen: die eigene Marke Klar Seifen quasi zu entwickeln.

Dann wollen wir uns mal die Kriterien ansehen, die Sie zum Beispiel bei Klar Seifen, aber eben auch bei den anderen Unternehmen bei der Neuausrichtung verfolgt haben. Wie sind Sie vorgegangen bei der Neuausrichtung?

Also es ging eigentlich immer damit los, dass wir geguckt haben: Wo können wir Synergien gewinnen in Produktionen, die wir vielleicht gerade mit anderen Kunden halt fahren? Also sprich: Wenn wir gesagt haben: Okay, wir haben auf der einen Seite Lohnherstellungrezepturen entwickelt für eine Lavendelseife zum Beispiel, zu sagen: Okay, gibt es die Möglichkeit, auf eine charmante Art und Weise bei Klar Seifen ein neues Sortiment, eine Lavendelseife mit einzubringen? Man muss da noch mal die Zeit so ein bisschen zurückdrehen. Das Ganze mobile Internet, also alles, was rund um iPhone und Co. jetzt existiert, war da überhaupt nicht vorhanden. Es gab keine wirkliche Website, es gab ein PDF-Formular zum Runterladen, Ausdrucken, Ankreuzen und per Post Zurückschicken. Dementsprechend war halt dann für mich eigentlich so dieser Sortimentsgedanke das Erste, wo man sagt: Okay, wie schafft man es, schnell vielleicht einen Online-Shop aufzusetzen, um da halt verschiedene Produkte, wie ich eben gesagt hatte, zum Beispiel bei einer Lavendelseife, auszutesten, um zu gucken, wie kann man da letztendlich irgendwie vorwärts mit kommen. Aus meiner Beraterzeit war eigentlich so mein Hauptwerkzeug PowerPoint und Excel. Dementsprechend habe ich auch einen ersten Produktkatalog erst mal nur in PowerPoint gebastelt, bin damit dann irgendwie zu einer Druckerei gelaufen, die dann sagte: Na ja, wir brauchen aber fünf Millimeter Anschnitt und ein CMYK angelegt und so weiter. Das sagte mir alles gar nichts, habe dann letztendlich mich eingearbeitet in InDesign und Illustrator, bin wieder da hingegangen, habe dann letztendlich meinen ersten Produktkatalog hier auf die Reise gebracht und bin dann von Flensburg bis Lindau eigentlich rauf- und runtergelaufen mit einem Rollkoffer, um zu sagen: „Okay, guten Tag, ich bin Jan Heipcke von Klar Seifen, Deutschlands ältester Seifenmanufaktur“ – sagte den meisten häufig gar nichts –, „darf ich Ihnen meine Produkte anbieten?“ So, und das war eigentlich so der klassische Weg, wo wir bei Klar Seifen angefangen haben: zum einen auf dem B2B, also Händler-/Retailgeschäft, und dann relativ früh, relativ zeitig, eine Website aufzusetzen, um Newsletter-Empfänger einzusammeln und eine gewisse Aufmerksamkeit auch zu generieren.

Welche Erfahrungen haben Sie im B2C-Segment über den Online-Shop von Klar Seifen gemacht?

Also wir hatten … das war eigentlich ganz spannend, weil wir natürlich dann so wie auch heute das jetzt noch machen in der Produktentwicklung, immer versuchen, sehr, sehr eng mit unseren Kunden zusammen zu machen oder zusammenzuführen, sprich: Auch heute noch schicken wir regelmäßig Newsletter raus, wo wir Kunden dazu befragen, welche Produkte zum Beispiel in unserem Sortiment noch fehlen. Und das ist eigentlich sehr, sehr spannend. Also wir haben jetzt so knapp 50.000, 60.000 Empfänger in unserem Newsletter bei Klar Seifen und kriegen da eigentlich schon immer von knapp 10 Prozent ein sehr, sehr dezidiertes Feedback, also sprich: teilweise zwei, drei Bildschirmseiten darüber, welche Produkte im Sortiment noch fehlen könnten oder welche Produkte vielleicht besser sein könnten oder welche vielleicht auch schon sehr, sehr gut sind. Und so hatten wir eigentlich – und das war für mich auch wichtig – ganz am Anfang angefangen, unsere Kunden – ob es jetzt, wie gesagt, einzelne Händlerkunden waren oder letztendlich auch die Kunden über den Online-Shop, die Website – relativ zeitnah mit einzubinden. Das heißt, wir sind auch letztendlich, wenn wir Richtung Händler gegangen sind, ganz am Anfang, so wie auch heute noch, immer ganz bewusst auf kleinere eigentümergeführte Geschäfte gegangen. Wir vertreiben Klar Seifen jetzt so eben knapp gut über tausend Einzelhändler in Deutschland, und das sind Parfümerien, Geschenkartikelgeschäfte, Blumenläden, Apotheken und so weiter und so weiter. Und was für mich da auch noch wichtig war: letztendlich die direkte Rückmeldung von den Kunden, von den Verkäufer*innen auf der Fläche zu hören, was wir vielleicht an unserem Sortiment noch besser machen können, was fehlt und so weiter und so weiter, und wir eigentlich da gefühlt mit fünf, sechs Artikeln angefangen haben und jetzt, glaube ich, knapp über 150 Artikel gerade im Sortiment letztlich bei uns führen.

Sie haben gesagt, Sie haben selbst ein Produktsortiment eingangs erstellt, mussten sich doch erst mal reinfuchsen. Woher wussten Sie denn, welche Produkte ankommen und welche nicht?

Die Produkte haben natürlich die Kollegen aus der Produktion entwickelt. Das war natürlich dann auch immer so ein bisschen in Zeiten der Alchemie, wo ich gesagt habe: „Mensch, lass uns doch mal das und das probieren!“, und dann vielleicht die Rückmeldung kam, [sie] meinten: „Ach, das ist Quatsch, das haben wir schon mal gemacht, das funktioniert nicht“, sozusagen. Aber es war dann eigentlich immer dieser iterative Prozess zu sagen: Okay, man baut ein schlankes Sortiment an Produkten auf, spielt das letztendlich dann ausgewählten Kunden [zu], und die einem dann wirklich auch sehr, sehr qualifiziertes Feedback gegeben haben.

Sie haben schon Rückschläge erwähnt. Welche Fehler haben Sie gemacht in der Anfangsphase, aus denen Sie dann für später lernen konnten?

Was ich vielleicht wirklich unterschätzt habe, war gerade bei Klar Seifen auch die ganze technische Herausforderung, die halt eine Seifenproduktion mit sich bringt. Wir haben halt auf der einen Seite dann Maschinen gehabt, die teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert [stammten] oder Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut worden sind, die heute einen sehr, sehr schön musealen Charakter haben, aber man dann vielleicht etwas, ich sage mal, überfordernd auf Produktionen und Co. halt eingewirkt ist, weil man halt einfach trotz alledem in diesem klassischen Manufakturbetrieb auch einfach Ausfallzeiten hatte. Man muss auch da immer gerade bei Naturkosmetik-Produkten … hat man teilweise eine gewisse Chargen-Abhängigkeit von Inhaltsstoffen, sprich: Die Lavendelblüten, die Sie heute geliefert bekommen, müssen nicht zwingend die gleichen sein in der Qualität wie von gestern, so ungefähr. Dementsprechend war da vielleicht manchmal … manche Wege etwas zu schnell oder zu ambitioniert.

Gab es denn auch mal so richtige, wie man in der Start-up-Sprache sagt, „Fuck-ups“?

Die gab es und die gibt es natürlich immer noch. Also das war ganz am Anfang für mich eine Phase: Wir hatten einen größeren Kunden in der Lohnherstellung, Seife geliefert, viel Seife – das waren, glaube ich, knapp 25 Paletten, das heißt da immer mit je 5.000 Stück –, die dann halt über einen Großhändler weiter nach Japan gegangen sind und die in Japan dann komplett ranzig, kaputt und verschimmelt angekommen sind. Und das war relativ kurz nachdem ich sozusagen angefangen hatte und ich mir schon fast dachte, das war’s jetzt eigentlich schon wieder.

Wie geht man denn mit so einer Situation um? Wie haben Sie sich da rausmanövriert?

Oh, das ist am Anfang schon natürlich ein Gefühl der Verzweiflung und wo man dann natürlich sagt: „Okay, ich habe schon viele Probleme, die ich hier gerade auf meinen Tisch habe. Und dann kommen jetzt noch mal solche Dimensionen dazu“, weil das natürlich – und das war das, was ich anfänglich auch schon sagte – immer wichtig war, weil ich auch in meiner Liquiditätsplanung natürlich solche Umsätze auch in einer gewissen Art und Weise einkalkuliert habe. Und das ist natürlich immer doppelt schwierig, weil ich zum einen, wie gesagt, den Umsatz nicht bekommen habe und neu produzieren musste, das heißt wieder Kosten entstanden sind und so weiter und so weiter. Aber ich glaube, das, was mir eigentlich immer geholfen hat, war es halt, die Probleme zu versuchen so klein wie möglich zu brechen, um sie dann halt in der Tat Stück für Stück angehen zu können. So, das heißt, da war es eigentlich ganz klassisch der Fall und das war eigentlich ganz schön, als dass sozusagen der Kunde trotz alledem auf, ich sag mal, unserer Seite geblieben ist und sagte: „Mensch, das ist jetzt irgendwie schiefgegangen. Aber wir müssen es irgendwie lösen“, und ich dann halt versucht habe: „Okay, kann man aus diesen 25 Paletten, die wir jetzt geliefert haben, das noch mal repriorisieren? Das waren auch verschiedene Sorten, gibt es da irgendwas, was ihr zuerst braucht? Können wir dann halt da irgendwie das auch auf den Zeitplan wieder setzen zu sagen: Okay, wir bringen nicht alles sofort in Ordnung, sondern haben halt eine gewisse Zeit, in der wir es sozusagen wieder ein bisschen splitten können?“ Und das hat halt immer eigentlich bei vielen Sachen sehr, sehr gut geholfen.

Wir sprachen ja eingangs schon von der mangelnden Liquidität der Klar Seifen GmbH, als Sie damals übernahmen. Wie gelang Ihnen selbst der finanzielle Einstieg?

Also bei Klar Seifen bin ich Gesellschafter geworden oder Inhaber geworden durch eine klassische Kapitalerhöhung. Das heißt, man erhöht das Stammkapital, was in Deutschland bei einer normalen GmbH 25.000 Euro ist, um einen gewissen Betrag, um die Gesellschafterstruktur zu verändern und somit als Gesellschafter in das Unternehmen einzusteigen – was dann auch den Vorteil hat, das letztendlich das Geld, was man mitbringt, quasi direkt zu 100 Prozent der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird, also sprich: dann letztendlich man auch am Unternehmen verwenden kann.

Und woher kam dieses Geld? Wenn es Ihr eigenes Geld war, hatten Sie dann nicht Angst, das eventuell in ein insolventes Unternehmen zu versenken?

Das Geld kam einmal von dem, was ich mir erarbeitet habe, plus halt natürlich Unterstützung durch Family and Friends, die halt auch die Vision mit mir getragen oder die sich durch mich haben überzeugen – sagen wir es vielleicht so – lassen können. Eine gewisse Sorge hat man natürlich immer, aber ich glaube, die versucht man eigentlich wegzumachen, einfach durch die stete Arbeit an dem Thema, an der Vorstellung, wo man letztendlich die Unternehmen hintreiben möchte.

Hatten Sie einen Plan B für den Fall, dass das Ganze schiefgeht?

Nein, in der Tat eigentlich nicht in dem Sinne. Ich wusste, dass ich eigentlich ganz gut ausgebildet bin oder war. Dementsprechend hatte ich da jetzt nicht die Sorge, dass ich, wenn es denn nicht klappen sollte, nie wieder einen Job finden könnte zum Beispiel und so weiter und so weiter. Aber vielleicht noch mal zurück: Es war wirklich meine feste Überzeugung oder ist auch wirklich meine Überzeugung, dieses Unternehmen, diese Unternehmen in die Zukunft zu führen. Und ich hätte für mich es eher wahrscheinlich als hinderlich erachtet, wenn ich jetzt schon gleich über einen Plan B nachgedacht hätte, weil ich dann gefühlt schon für mich den Plan A irgendwie aufgegeben hätte. Es muss halt einfach funktionieren.

Welche Finanzierungsmöglichkeiten konnten in der finanziellen Schieflage des Unternehmens denn überhaupt noch genutzt werden, um da wieder rauszukommen?

[JH] Das war am Anfang sehr, sehr schwierig, weil eigentlich Banken, sobald man sieht, dass eine finanzielle Schieflage eingetreten ist – zumindest so habe ich das kennengelernt –, sich immer sehr, sehr, sehr zurückhaltend sind über die Vergabe von neuen Mitteln. Dementsprechend war eigentlich diese Möglichkeit, über externe Finanzierung, von Banken zum Beispiel zu gehen, ganz am Anfang in der, ich sage mal, sehr finanziell angeschlagenen Situation der Unternehmen eigentlich nicht möglich gewesen. Das ging dann halt später, sobald man zeigen konnte, man hat so diesen Turnaround erarbeitet, hat das Unternehmen quasi aus der Verlustzone in eine Gewinnzone vielleicht sogar gebracht; da kam dann auf einmal wieder ein bisschen anderes Interesse darauf. Was uns dann aber später geholfen hat – und das war eigentlich ganz toll –, ist: Sobald man dann so ein bisschen aufgezeigt hat, dass letztendlich das Unternehmen oder die Unternehmen halt auch eine Daseinsberechtigung nach wie vor oder wieder halt erlangt haben, dass wir über die KfW zum Beispiel verschiedene Darlehen oder Förderungen erhalten haben, die einem dann natürlich auch wieder helfen konnten, weiter auf dem Wachstumspfad nach vorne zu kommen.

Ja, vielen Dank, Herr Heipcke. Sie kennen vielleicht unsere Rubrik „Mantra Mantra“. Da wollen wir immer das aggregierte Wissen abfragen – und so auch bei Ihnen.

Welche Fragen muss man sich stellen, wenn man ein Unternehmen übernehmen möchte?

Also ich finde, es ist erst mal wichtig zu verstehen, dass ein Unternehmen zu übernehmen gar nicht so viel anders ist als eine eigene Gründung. Deswegen – das ist mir auch immer wichtig zu sagen –: Unternehmen übernehmen kann auch eine gute Alternative dazu sein. Aber ich glaube, eine der wichtigsten Fragen ist natürlich genauso wie beim Gründen: Ist man selber und auch für sich, sprich: für sein privates Umfeld dafür bereit, auch eine Zeit lang auf einiges zu verzichten, sei es Freizeit, Geld ... Man bringt halt Sorgen mit, die dann letztendlich auch gewissermaßen abgefedert sein müssen.

Was ja gleich zur nächsten Frage führt: Welche Gewissheiten benötigt man über sich selbst für eine erfolgreiche Nachfolge?

Ich denke, es ist wichtig, sich regelmäßig am Anfang und auch jetzt immer wieder zu fragen: Habe ich wirklich Spaß und Freude an den Produkten? Und sehe ich darin irgendwie eine Perspektive, ein Unternehmen draus zu machen? Also sprich: Das Produkt ist für mich immer am wichtigsten.

Wie entwickelt man traditionsreiche Betriebe weiter und führt sie in die Zukunft?

Ich glaube, es ist essenziell wichtig – das ist ein bisschen das, was ich auch da immer in der Historie der Unternehmen gesehen habe –, dass man die Marktnähe nicht verlieren darf. Also Tradition darf dann eigentlich nicht altbacken daherkommen. Und es ist wichtig, dass man so schnell wie möglich oder so kontinuierlich wie möglich quasi die eigenen Kunden mit einbindet, sei es in eine Produktentwicklung, sei es in Produkt-Feedback oder, oder, oder.

Ihre drei wertvollsten Tipps zum Umgang mit Rückschlägen?

Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man einmal verstehen muss, dass die meisten Rückschläge eigentlich erst im eigenen Kopf größer gemacht werden, als sie eigentlich sind. Dann ist es für mich immer wichtig zu überlegen: Was ist denn das Schlimmste, was überhaupt passieren kann? Und von da aus dann eher so ein bisschen zu reaktivieren, was man irgendwie daraus machen kann. Und was ich vorhin auch schon sagte: Kann man irgendwie große Probleme in kleinere zerlegen, um sie dann irgendwie besser bearbeiten oder klären zu können?

Auf was sollte man bei der Finanzierung von Unternehmensnachfolgen achten?

Da gibts halt für mich ja immer zwei Phasen, also einmal, um letztendlich das Unternehmen initial zu kaufen oder zu übernehmen und/oder aber auch im täglichen Geschäft. Und ich glaube, was so das Wichtigste ist: dass man versucht, immer noch eine gewisse Selbstständigkeit in den Finanzierungsmitteln zu bewahren. Also ich sehe halt viel auch Finanzierungsangebote derzeit im Markt, die dann einem sagen: Okay, du kriegst eine gewisse Finanzierung, musst dann über Zeitraum X letztendlich Summe Y prozentual aus deinem Umsatz tilgen und so weiter. Und ich würde da eher bei, ich sage mal, spezieller Fall wie bei mir, bei uns, immer ein gewisses Risiko sehen, weil man sich dann natürlich auch wieder Umsätze aus der Zukunft schmälert. Also sprich: Die Finanzierungsform als solche ist, glaube ich, sehr, sehr wesentlich, zu sagen: Okay, kriegt man das idealerweise so losgelöst oder individuell wirklich halt abgestimmt?

Ganz herzlichen Dank, Herr Heipcke. Jetzt vervollständigen Sie uns bitte noch folgende Sätze: Manufaktur bedeutet für mich …?

Produkte zu schaffen, wo die Begeisterung für das Produkt stets höher ist als das Entsetzen über den Preis.

Eine traditionelle Branche, in der ich gerne auch tätig wäre, ist …?

Lederwaren.

Mein Lieblingsprodukt bei Klar Seifen heißt …?

Das ist die Kernseife. Und aber auch jetzt ganz neu unsere feste Deocreme.

Verwenden Sie also folglich selber auch?

Ja!

Der peinlichste Fauxpas in meinem Unternehmerleben war …?

Wahrscheinlich wirklich ganz am Anfang, wo man sehr, sehr blauäugig mit Lieferanten, gerade was Grafik und Co. [betrifft], zusammengearbeitet hat, PowerPoint und Co. in die Druckvorstufe zu geben und so weiter und so weiter. Das war teilweise sehr, sehr unangenehm, weil man schon klar gezeigt hat, dass man keine Ahnung hat von dem, was man da macht.

Ja, danke schön, Herr Heipcke! Vielleicht übernehmen Sie ja dann bald ein Unternehmen in der Lederbranche.

Mal sehen! (lacht)

Jedenfalls viel Erfolg für Sie, für die Klar Seifen GmbH und natürlich auch Ihre weiteren Firmen. Und vielen Dank, dass Sie uns ganz ungeschönt heute Rede und Antwort gestanden haben.

Ja, vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Das war „Ungeschönt“. Wir haben in dieser Staffel nachhaltige Gründungen vorgestellt, außerdem sehr junge Gründerinnen und Gründer kennengelernt, die sich teils schon als Teenager für die Unternehmensgründung entschieden haben. Und schließlich haben wir Zukunftsbranchen wie Raumfahrt und Mobilität beleuchtet und heute erfahren, wie Traditionsunternehmen erfolgreich transformiert werden können. Wollen Sie auch künftig mehr über Unternehmensgründungen und Nachfolgen mit allen ungeschönten Fakten, Hindernissen und vor allem Lösungen erfahren? Dann folgen Sie uns auch im kommenden Jahr zu einer neuen Staffel von „Ungeschönt“. Herzlichen Dank fürs Zuhören, sagt Holger Thurm.

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