Gründen in der Mobilitätsbranche: Zwei Frauen nehmen Fahrt auf

Shownotes

Zwei Frauen, eine Mission: eine klimafreundliche, nachhaltige und menschenzentrierte Mobilität der Zukunft. Martha Wanat, Co-Gründerin der „Gesellschaft für urbane Mobilität“ BICICLI Holding GmbH und der Mobilitätsberatung MOND, und Katja Diehl, die unter der Marke „She Drives Mobility“ zu Mobilität und nachhaltiger Verkehrswende berät. Die beiden Gründerinnen berichten aus der Perspektive der Unternehmerin und der Beraterin von ihren Erfahrungen im Mobilitätsbereich: von Denkbarrieren und mangelnder Diversität in der Mobilitätsbranche, von Netzwerken und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen in puncto Mobilität und Infrastruktur sowie von dem einen oder anderen Shitstorm, den sie auf ihrem Weg erlebt haben. Jetzt in einer neuen Spezialfolge von „Ungeschönt In die Zukunft“.

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BICICLI Holding GmbH

Katja Diehl, She Drives Mobility

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Kfw Podcast „Ungeschönt“

BICICLI Holding GmbH und She Drives Mobility

mit Martha Wanat und Katja Diehl

Wenn wir heute in der Mobilitätsbranche gründen, dann sollten wir nicht auf so toxische Versprechen gehen, die weit in der Zukunft liegen: das große Hyperloop-Thema oder autonomes Fahren, sondern das betrachten, was wir heute haben, welche Werkzeuge wir haben, welche Möglichkeiten wir haben, relativ schnell etwas zu verändern, gute Ideen zu verknüpfen.

Wenn ich immer auf Erstaunen stoße: „Ja, dann müssten wir ja dann wirklich alles ändern, also auch die Garagen, die Parkplätze, das Wohnen, das Arbeiten, wenn wir nicht mehr mit dem Auto kommen, dann muss ich ja alles ändern“ – und so ist es auch. Es wird ein über Jahrzehnte oder vielleicht auch ein Jahrhundert dauernder Prozess. Nur wir müssen anfangen.

Bei „Ungeschönt In die Zukunft“ haben wir in der jüngsten Folge mit der yuri GmbH nach den Sternen gegriffen. Diesmal geht es weitaus geerdeter zu. Es geht um unsere Mobilität heute und in Zukunft, vor allem in den Städten. Ich bin Holger Thurm und spreche mit zwei Expertinnen, die beide Gründerinnen im Mobilitätsbereich sind.

Herzlich willkommen, Martha Wanat von BICICLI und Katja Diehl, auch bekannt unter ihrer Marke „She Drives Mobility“. Hallo!

Hallo, Herr Thurm!

Ja, hallo aus Barcelona!

Frau Diehl, wie kommen Sie denn nach Barcelona?

Ich habe mir seit Langem mal wieder eine Auszeit gegönnt, aber kann natürlich die Mobilität auch nicht lassen, im Ausland mir mal anzuschauen, mit dem Interrail-Ticket und dem Faltrad unterwegs die Städte anzureisen, wo die Mobilitätswende schon spürbar ist.

Sie bewegen sich beide als Beraterinnen und Unternehmerinnen in der Mobilitätsbranche. Wir sprechen gleich darüber, wollen Sie und Ihre Firmen aber erst einmal ganz kurz vorstellen.

Luftiger, leiser, lässiger – so stellen sich Martha Wanat und ihr Co-Gründer Stephan Jansen von BICICLI, der „Gesellschaft für urbane Mobilität“ und ihrer Mobilitätsberatung MOND, die städtischen Quartiere der Zukunft vor. Umweltfreundliche Mikromobilität wie das Fahrrad soll sich den urbanen Raum zurückerobern, der bisher Autos und Parkflächen gehört. Das Ziel: eine nachhaltigere, gesündere und flexiblere Mikromobilität mit digital vernetzter Park- und Lade-Infrastruktur. Martha Wanat und Stephan Jansen bieten Unternehmen, Immobilienentwicklern und Wohnungswirtschaft über die datenbasierte Mobilitätsberatung hinaus auch Dienstrad-Leasing und Fahrradflotten-Management an.

Unter ihrer Marke „She Drives Mobility“ arbeitet Katja Diehl als Beraterin vor allem zu Themen wie Mobilität der Zukunft und nachhaltige Verkehrswende. Mobilität ist für sie weniger eine technische Frage denn eine der Einstellungs- und Verhaltensänderung. Durch jahrelange Tätigkeiten in verschiedenen Marketing- und Kommunikationspositionen im Verkehrsbereich hat sie sich ein Netzwerk von Mobilitätsakteurinnen und -akteuren aufgebaut. Mit Unternehmen, Städten und Kommunen arbeitet sie an einer klimafreundlichen und menschenzentrierten Mobilität der Zukunft.

Frau Wanat, Frau Diehl, Sie haben ein identisches Ziel: eine gesündere, nachhaltigere, klima- und menschenfreundlichere Mobilität der Zukunft. Was hat Sie denn an der Mobilitätsbranche so sehr gereizt, dass Sie schließlich auch in diesem Bereich gegründet haben?

Ich habe 15 Jahre tatsächlich in den Konzernen der Mobilität gearbeitet, alles außer Auto. Ich war in der Logistik, ich war in Bahnunternehmen, in Stadtwerken, habe Carsharing mit aufgebaut, also habe sozusagen den Maschinenraum auch ein bisschen kennengelernt. Und dann habe ich aber diese Branche auch verlassen, weil diese Branche ein eklatantes Diversitätsproblem hat und ich die einzige Frau in Führung war in diesem Bereich. Habe dann einen kurzen Exkurs über ein Brillenunternehmen gemacht in Hamburg und habe währenddessen meinen Twitter-Account wieder reaktiviert und habe aber nicht über Brillen, sondern über Mobilität geschrieben. Und ich glaube, dieser Umweg war auch so ein bisschen notwendig, um Wunden zu lecken und etwas hinter sich zu lassen, aber dann zu merken, das Thema an sich ist immer noch da. Es treibt mich um, und ich möchte vielleicht eher von außen die Dinge dann verändern, weil ich selber ja gesehen hatte: Manchmal kommen Externe, die das Gleiche erzählen wie man selbst, und auf die wird anders gehört, als wenn man intern die einzige Prophetin ist. Und es ist für mich auf jeden Fall ein Thema, was unglaublich Dynamik gerade gewinnt. Es ist ein Thema, wo unglaublich viele Facetten ja auch möglich sind, wo eigentlich jeder Mensch vielleicht einen Job finden könnte oder ein Unternehmen gründen könnte. Und es ist etwas, wo ich so ein bisschen das Gefühl habe: Wir gestalten wirklich die Zukunft. Also es ist etwas, wo wir nicht nur die Mobilität verändern, sondern natürlich auch lebenswerte Räume schaffen, natürlich klimaresilient auch Städte und ländlichen Raum aufstellen wollen. Also eine sehr hohe intrinsische Motivation ist es bei mir – und einfach auch eine Neugier, also da kommt die Journalistin in mir auch wieder raus, was ich ganz am Anfang gemacht habe von meiner Vita. Ich gehe den Dingen gerne auf den Grund. Ich hinterfrage gerne, und da bietet Mobilität sehr viel gute Basis für viele Fragen.

Bei mir war das so: Es hat angefangen eigentlich mit meinem Studium. Ich habe Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaften und Soziologie studiert und hatte schon immer ein Interesse an gesellschaftlicher Transformation – oder:Welche Themen treiben uns an, uns zu verändern? Und damals habe ich in der Innovationsmanufaktur in München das erste Mal Berührungspunkte mit dem Thema nachhaltige Mobilität in der Stadt, vor allem damals auch Fahrradstadt, gehabt und habe dort beim Projekt „Radlhauptstadt München“ mitgearbeitet, habe die Speaker-Szene, die internationale, kennengelernt, dadurch die aus Skandinavien, vor allem auch aus Kopenhagen und die, die damals schon Vorreiter einer Bewegung Richtung Fahrrad und anderer Mikromobilität [waren]. Und ich habe relativ schnell gemerkt, wie viel Musik dort drin ist und wie viel Potenzial natürlich das Thema auch vor allem in einer Autonation wie Deutschland hat. Und da Mobilität ja wirklich alle Lebensbereiche betrifft – das Wohnen, das Arbeiten, die Freizeit und auch jedes Alter ja spezifisch hat … aber auch da: Familienmobilität, Frauenmobilität, Mobilität von Senioren … Das ist ein Thema, was sowohl die gesamte Gesellschaft betrifft, aber auch natürlich die Akteure. Was es für mich spannend macht, ist vor allem: Wir arbeiten ja einmal mit dem privaten Sektor – also wirklich Immobilien- und Quartiersentwickler, Arbeitgeber –, aber auch kommunalen Betrieben zusammen. Und da ist die Geschwindigkeit natürlich auch unterschiedlich und auch die Budgets sind unterschiedlich. Was mich daran reizt, in diesem Bereich immer noch auch zu sein und zu arbeiten und mich reinzuentwickeln, ist: Wir haben noch eine Menge zu tun. Und als Unternehmerin, die eben vor allem auch so was wie Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Energiewende [berücksichtigt], Immobilien, Bausektor, jede Branche – ob es der Bildungssektor ist oder der Einzelhandel – spürt die Drücke und spürt sozusagen das Handlungsmoment, das wir jetzt haben. Wir müssen in diese Richtung gehen. Deshalb ist das Thema Nachhaltigkeit bei mir und meinem Unternehmen und meinem Team einfach zentral.

Darauf wollte ich gerade hinaus. Frau Wanat, Sie waren ja auch bei der Videoserie der KfW „Die Klimaretter – nachhaltig gründen“ dabei. Vielleicht sagen wir noch mal ganz kurz: Welches Gewicht hat der Mobilitätssektor für eine nachhaltige, klimagerechte Zukunft?

Wie ich eben auch schon angedeutet habe, betrifft Mobilität ja alle Lebensbereiche, die wir sozusagen in der Stadt antreffen. Das fängt eben an: Wie bringt man die Kinder zur Kita – ist es der SUV oder ist es ein Lastenrad? Hat dann das Lastenrad eine Infrastruktur vor Ort, also das heißt, kann man dort gut hinkommen, kann man da parken? Wir müssen auch die Folgeprobleme natürlich mit berücksichtigen. Also das: Was ist die Konsequenz vor der Veränderung, die wir gerade wollen? In Bezug auf die Stadtentwicklung ist sozusagen der eine Punkt, nämlich der der Infrastruktur, wesentlich, weil wir natürlich die Städte, die wir gerade haben oder die wir gerade leben, nach dem Auto konfiguriert haben oder geplant haben. Und das heißt: Wenn ich immer auf Erstaunen stoße: „Ja, dann müssten wir ja dann wirklich alles ändern, also auch die Garagen, die Parkplätze, das Wohnen, das Arbeiten, wenn wir nicht mehr mit dem Auto kommen, dann muss ich ja alles ändern“ – und so ist es auch. Es wird ein über Jahrzehnte oder vielleicht auch ein Jahrhundert dauernder Prozess. Nur wir müssen anfangen, also dürfen nicht warten auf das autonome Fahren oder andere sozusagen Technologieversprechen. Die werden sicherlich auch ihren Platz haben in der Stadt der Zukunft. Aber es geht darum, sozusagen jetzt anzufangen. Wir haben nur noch acht Jahre, um sozusagen den Klimawandel auf so ein Niveau zu bekommen, dass er noch für uns erträglich ist. Das heißt, es geht sozusagen um kluge Lösungen, die im sozialen Bereich stattfinden. Und damit meine ich eben auch Schulen. Aber damit meine ich eben auch vor allem Arbeitskontexte. Brauchen wir überhaupt noch das Büro? Wovon arbeiten wir? Arbeiten wir mobil, Homeoffice und so weiter. Das sind alles Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Und in dem Sinne hat das Thema Mobilität eine enorme, wenn nicht die verbindende, nämlich vernetzende Funktion inne in der Stadt der Zukunft.

Also für mich ist Mobilität etwas, was noch unglaublich starke Routine natürlich ist, was ganz schwer zu durchbrechen ist, was vielleicht auch so ähnlich ist wie diese Silvestervorsätze, weniger Schokolade und Bier zu trinken im nächsten Jahr. Das ist etwas, wo wir alle, glaube ich, wissen, dass sie was Verkehrtes tun. Natürlich gibt es Menschen, die aufs Auto angewiesen sind, das stelle ich auch gar nicht in Abrede. Die werden auch weiterhin Auto fahren können. Aber es geht darum, einen neuen gesellschaftlichen Vertrag zu schließen, indem wir füreinander solidarisch da sind, indem wir sagen: „Meine Bequemlichkeit geht nicht über deine Freiheit“ – und Automobilität ist etwas, was Freiheit raubt. Wer da ein Nein dagegen setzt, der lügt entweder oder hat sich noch nicht mit den ganzen Zusammenhängen auseinandergesetzt. Für mich ist Mobilität zu verändern eine unglaublich große Chance, eine tolle Zukunft zu gestalten, wo Kinder wieder vor den Häusern spielen, wo ältere Menschen über die Ampeln kommen, wenn sie denn überhaupt noch vorhanden sind. Und ich schöpfe hier auf meiner Interrail-Tour auch gerade ganz schön viel Hoffnung, weil hier spürbar ist, dass sich was verändert. Und ich sehe doch, dass, wenn ein Wille da ist und auch manchmal Schmerzen als Politiker*in durchgehalten werden – etwas zu verändern, ist immer mit Widerstand verbunden –, dann geht es auch.

Frau Wanat, Sie haben mit Professor Stephan Jansen gegründet. Wie kam es dazu?

(lacht) Das ist eine gute Frage. Es war eine Mischung aus einem Momentum. Also wir haben gegründet direkt nach dem Dieselskandal, der eben sozusagen da durch die Medien kursiert ist. Und ich kam, wie gesagt, aus dieser Stadtperspektive; er kam auch aus einer Beraterperspektive, er ist wissenschaftlicher Berater gewesen. Und wir haben dann uns gefragt: Warum gibt es das, was es für das Auto gibt – nämlich, auch über den Arbeitgeber, eine Steuerprivilegierung mit Full-Service-Paket: Leasing, Versicherungen, Werkstattservice –, wieso gibt es das nicht fürs Fahrrad beziehungsweise andere Mikromobilität? Das heißt, „ein vorstandstaugliches Produkt“ haben wir das dann genannt, nämlich ein Gesamtpaket für eben nachhaltige Mobilität. Und das bedeutete sozusagen: Wie haben wir angefangen? Durch eine Skizze: Wie sollte dieses Geschäftsmodell aussehen? Und vor allem welches Ziel haben wir? Ich würde sagen, vielleicht auch: welche Visionen? Und da haben Katja und ich dieselbe Vision, nämlich lebenswerte, gesündere, sozial gerechtere Städte. Und so ist die Idee entstanden, also aus einer persönlichen Motivation und auch Leidenschaft für das Thema, definitiv, die uns bis heute auch geblieben ist.

Die Leidenschaft für das Thema haben Sie ja auch schon deutlich gemacht, Frau Diehl. She Drives Mobility heißt Ihre Marke. Wie wurde denn aus einer Angestellten im Verkehrssektor, die sich zwischenzeitlich auch mit Brillen befasst hat, eine selbstständige Mobilitätsberaterin?

Ja, anders als Martha glaube ich, dass meine Gründung fast schon so eine Art Wachstumsprozess war. Also ich bin dann ja das zweite Mal aus einem Job rausgetreten, den alle verstanden haben, der auch mit einem gewissen Gehalt verbunden war und einer Verantwortung und wo man als Außenstehende vielleicht gesagt hat: „Katja ist erfolgreich“. Aber ich habe das halt innen drin nie gefühlt. Und so habe ich, glaube ich, Monat für Monat meine Komfortzone auch verlassen, habe She Drives Mobility als meinen Podcast erst mal gestartet, wo ich Frauen an die Mikros bringen wollte und sagen wollte: Hey, wir brauchen hier mehr Diversität! Und da fangen wir doch mal an, dass wir die Frauenquote in unserem Bereich mal erhöhen. Da zeige ich mal die Rolemodels, die es schon lange gibt, die aber vielleicht nicht so auf den Bühnen stehen. Wenn jemand nach Mobilitätsbranche guckt, dann sind die Bilder alle dieselben (lacht): Mittelalte weiße Männer in schlecht sitzenden Anzügen, und in der Autobranche sind immerhin die Anzüge besser sitzend. Und da wollte ich ein Gegenbild setzen. Ich habe dann angefangen, eine Webseite zu machen, einen Blog zu schreiben, und bin so immer mehr sichtbar geworden. Und zum Teil hat mich das, ehrlich gesagt, auch überrannt. Weil es eben nicht so viele weibliche Stimmen gibt, war da sehr viel Fokus auf mich. Ich weiß noch, wie ich mit einem Freund in Berlin in einem Café saß und mich so über den ersten Shitstorm beklagte. Und da meinte er: Ja, ja, Katja, willkommen in der Realität! Du bist jetzt eine öffentliche Person. – Und ich habe gedacht: Hä? Wie, ich? – Und ich glaube, das war aber etwas, wo ich trotz aller Schmerzen, die das manchmal auch hat, immer was gelernt habe, immer gemerkt habe, ich bleibe auch dabei, egal wie hart der Gegenwind ist. Dadurch, dass ich jetzt auch dieses Buch geschrieben habe, dadurch, dass ich in vielen politischen Beiräten bin, dass ich bei Kommunen vor Ort bin, aber immer als Einzelperson, habe ich so das Gefühl, so ganz viele Facetten aufnehmen zu dürfen, auch die Geschwindigkeiten aufzunehmen: Wo geht’s schneller? Wo sind die Leute, die was machen wollen? Wie kann ich die auch bestärken, sodass ich diesen Schritt tatsächlich nie bereut habe.

Sie haben Shitstorms erwähnt. Sie sind also offensichtlich auch in dieser männlich dominierten Branche auf Hindernisse gestoßen. Bestehen die noch? Würden Sie sagen, dass die Hindernisse, die Sie jetzt bewältigen oder bewältigt haben, heute auch noch für Gründerinnen in diesem Bereich bestehen, oder ist da ein deutlicher Wandel spürbar?

Da kümmern sich die Start-up-Verbände in Deutschland ja auch sehr gut oder auch Sie mit KfW. Das ist ja eine Ansprechbasis, wo man sagen kann, das ist eher neutral. Gleichzeitig zeigen die Zahlen aber, dass Frauen weniger Gelder bekommen, dass Frauen zwar langsamer wachsen und gesünder wachsen und auch weniger scheitern, was ja eigentlich für Investor*innen sehr interessant sein sollte. Dass aber, wenn Bekannte von mir in so eine Runde gehen, wo es um Geld geht, immer der Mann angesprochen wird, obwohl sie genauso wie der Mann das Unternehmen gründen wollen. In der Mobilität, glaube ich, dass es aber auch eine Chance ist. Weil eben so wenig Frauen sind, gibt es auch sehr viele Initiativen, die sich da auf den Weg machen, weil vielleicht so wenig Frauen auch nach vorne gehen. Aktuell ist so was wie die KfW auch ein guter Ansprechpartner zu sagen: Gerade deswegen müsst ihr da auch investieren und Menschen auch hosten, Mentoring machen. Tatsächlich glaube ich aber, dass es auch nicht genug ist, nur Frau/Mann zu denken, sondern die brauchen die Diversität der gesellschaftlichen Gruppen, die wir in Deutschland haben. Also eigentlich müssten alle, die Lust darauf haben, die gleichen Chancen haben, gründen zu können – und der Weg ist auch ziemlich lang, glaube ich.

Sie haben viel genickt, Frau Wanat. Sie haben ganz ähnliche Erfahrungen gemacht?

Ja, also ein bisschen natürlich anders. Jeder erlebt ja auch diese Themen ein bisschen anders in dem eigenen Kontext. Aber bei mir war das ja mein Gründerteam und wir als Gründerteam: Stephan Jansen und ich. Stephan Jansen, 18 Jahre älter, Professor Doktor und männlich vor allem. Also ich will wirklich das „männlich“ betonen, weil das bei mir immer wieder sozusagen diese Momente gebracht hat, dass man mir – obwohl wir beide Geschäftsführer sind und Gründer, gleichermaßen sozusagen, auch dieselbe Verantwortung operativ und strategisch haben –, immer sozusagen die Rolle der Assistentin oder Buchhalterin oder Mitarbeiterin zugeschrieben wurde. Das heißt, wenn uns jemand gesehen hat, auf einem Event oder in unserem Store in Berlin, sind sozusagen ganz viele Menschen – und darunter gleichermaßen Frauen wie Männer – davon ausgegangen, dass er natürlich der Chef ist. Und das heißt, es war für mich so ein bisschen schwierig, weil ich auch da sagen muss: Mir blieb jetzt nicht genug Zeit, weil wenn man ein Unternehmen aufbaut, das bedeutet einfach Mitarbeiter*innen einarbeiten, entwickeln, Probleme lösen, die sozusagen täglich anfallen, mit dem Steuerberater sprechen, um die Finanzierung kümmern. Infrastruktur, also auch Kommunikationsinfrastruktur. Also, das heißt, man baut einfach sehr viel auf und man hat nicht Zeit für das, was später kommt – oder später kam bei mir: nämlich das Netzwerken … Und auch wirklich so: die vielleicht ein bisschen Selbstmarketing, weil ich ja auch … Und wir sind beide, Stephan Jansen und ich, sehr inhaltlich getrieben. Also das heißt, uns geht es wirklich um das Thema, um da einen Unterschied zu machen mit unserem Unternehmen. Aber das war für mich schwierig, muss ich sagen. Also da habe ich mich auch unsichtbar gefühlt und nicht relevant, also von außen sozusagen, von der Gesellschaft nicht als jemand gesehen, der so viel Verantwortung trägt, auch eben, wenn man Mitte 20 ist; und das war natürlich eine Herausforderung für mich, in diese Rolle reinzuwachsen. Aber die Zuschreibung war natürlich nicht da. Aber ich kann nur den Punkt sozusagen auch noch mal im Rückblick auf das, wie ich das erlebt habe, einfach noch mal wirklich unterstreichen, dass wir mehr Diversität brauchen. Und ich muss sagen, das ist uns gelungen. Wir haben ein sehr, sehr diverses Team, was sozusagen Bildungshintergrund, Bildungsweg angeht, Fachexpertise, Alter ist superwichtig, weil – dass ich sozusagen da noch mal den Schlenker über die Start-up-Szene in Berlin [mache] – viele Start-ups haben da Altersdurchschnitte von 30. Und ich glaube selber, dass wir auch ältere Menschen, die sozusagen sehr viel Erfahrung mitbringen, auch einbeziehen sollten. Und das ist uns wirklich gelungen. Darauf bin ich auch am meisten, glaube ich, stolz: dass wir das geschafft haben, die Diversität nach innen, obwohl ich sie mir auch von außen gewünscht hätte natürlich.

Sie haben die ersten Monate bei BICICLI erwähnt. Nun ist „Ungeschönt“ ja ein Podcast, der sich speziell für Gründerinnen und Gründer um die Hindernisse kümmert, der Lösungsansätze bietet. Wie entwickelte sich denn BICICLI? Wie entwickelte sich Ihr Geschäftsmodell?

Wir sagen ja auch immer: Das, was wir selber sozusagen gemacht haben, nämlich entwickelt, innovative Geschäftsmodelle, das heißt entwickelt nicht nur Produktinnovationen, sondern auch wirklich: Wie wirtschaften wir in Zukunft? Und das ist ein Thema, was mich auch sehr beschäftigt. Das heißt, es geht ja um ungeschönte Phasen. Ich würde einfach jetzt empfehlen, sich wirklich nicht zu übernehmen. Also das heißt: Bei uns ist das Geschäftsmodell direkt dagewesen, also wir haben direkt das sozusagen in die Welt gesetzt und mussten alle Bereiche – wir haben nämlich drei große Bereiche – gleichzeitig entwickeln: die Mobilitätsberatung, wo wir Konzepte für Mobilität, für Immobilienentwickler oder Arbeitgeber machen, dann eben der zweite Geschäftsbereich mit Dienstrad und Flottenmanagement und der dritte auch noch: ein Einzelhandelskonzept. Und das, muss ich sagen, war einfach überfordernd. Also das ist einfach für ein kleines Team, was gerade auch erst vielleicht die richtigen Mitarbeiter*innen findet, nach und nach einfach eine Riesenaufgabe gewesen. Und ich würde sagen: Vielleicht wäre es klüger gewesen, den einen erst mal zu entwickeln, dann den anderen. Aber: Nichtsdestotrotz haben wir ja – das ist heute unser USP – ein Geschäftsmodell, was es so auch nicht gibt – zumindest wissen wir bis heute nichts davon –, das nämlich so integriert arbeitet und eine Komplettlösung darstellt. Und es soll ja mit dem Ziel sein, es Arbeitgebern und Stadtentwicklern leichter zu machen, klimaneutrale Mobilität wirklich anzubieten und umzusetzen. – Was haben wir unterschätzt? Den kaufmännischen Bereich und das Controlling und die Buchhaltung. Hier würde ich ganz anders investieren im Nachhinein und wirklich sagen, wir brauchen da richtig gute Leute. Natürlich im Nachhinein zu sagen, wie delegiert man direkt was weg, weil am Anfang, glaube ich, aber das kennt jeder Gründer, machen alle alles.

Frau Diehl, Sie haben vorhin schon das Netzwerken erwähnt. War es für Sie leicht, aufgrund Ihres Netzwerks, Kundinnen oder Kunden zu finden? Beruht das auf Empfehlungen oder betreiben Sie aktiv Akquise?

Ich bin in der glücklichen Situation, tatsächlich keine Akquise betreiben zu müssen. Und ich will nur noch gute Sachen mit guten Leuten machen – das ist 2022 mein Motto –, weil ich genau deswegen ja die Konzerne verlassen habe: Ich verbiege mich nicht mehr. Tatsächlich habe ich genetzwerkt, aber eben nicht so, wie ich das von meinen männlichen Kollegen vorgelebt bekommen habe. Deswegen fand ich Netzwerken auch immer erst so ein bisschen „igitti-bäh“, weil ich gedacht habe: Nee, ich gehe jetzt hier nicht auf den Marketing-Kongress und gucke auf der Liste, wer hier überall ist, wo die Geschäftsführer sind. Ich habe Leute am Kaffeetisch kennengelernt, und das war viel spannender, weil das Leute waren, die in den Projekten steckten, die echten Talk gemacht haben und nicht dieses „alles ist wunderbar, alles klappt immer“. Und dieses Netzwerk ist mir geblieben, und das habe ich erst gemerkt bei so einer Situation in einem ganz anderen Kontext, wo wir aufmalen sollten bei so einem Seminar: Wie ist eigentlich unser Netzwerk, privat, beruflich und so weiter? Und da fielen mir immer mehr Leute ein, die ich zu bestimmten Fragen hätte fragen können oder die mir helfen könnten. Aber diese Reflexion, dass ich so ein Supernetzwerk habe, habe ich so nie gemacht, weil ich immer gedacht habe: Nee, so wie die das machen, netzwerke ich ja nicht. Und das ist auch ein ganz großer Appell, den ich habe: Bleibt bei euch sozusagen, macht das, was euch guttut, verbiegt euch nicht! Wanzt euch nicht an Leute ran, nur weil sie vielleicht irgendwelche Funktionen in irgendwelchen Konzernen haben, sondern es ist auch viel mit Sympathie. Also man kann nicht mit Menschen netzwerken, die einem unsympathisch sind – ich zumindest kann das nicht. Und deswegen habe ich die große Freude, tatsächlich in den dreieinhalb Jahren, die jetzt so hinter mir liegen, mit She Drives Mobility auf etwas zurückzugucken, was sehr organisch wachsen durfte, wo ich auch mit Menschen zusammenarbeite, die ich mag, aber auch in der Kompetenz schätze und die mich auch wachsen lassen, weil wir zusammen unsere Kernkompetenzen immer anders zusammenstecken. Und das macht großen Spaß.

Vielleicht nur eine kleine Sache: Ich glaube, ich habe dasselbe erlebt wie Katja. Ich war auch so: Oh, muss ich da jetzt hin? Aber was für mich den Unterschied gemacht hat, ist eine Regelmäßigkeit. Also das heißt – ich bin zum Beispiel im Netzwerk Unternehmensverantwortung der IHK Berlin, und dort geht es um nachhaltiges Wirtschaften in der Stadt Berlin; und wir sind viele Unternehmer*innen, aber auch Menschen aus größeren Betrieben wie der BSR zum Beispiel –, eine Regelmäßigkeit zu haben und sich alle zwei Monate zu sehen, immer in diesem Netzwerk, wo man ja Verbündete hat, dass das extrem hilft, neue Kontakte zu knüpfen, aber auch eben die Beziehung zu stärken. Und ich habe auch da über dieses Netzwerk meine Mentorin kennengelernt. Also das heißt, ich war nicht auf der Suche, auch wenn ich das irgendwie vielleicht passiv war. Aber auf einmal habe ich festgestellt: Oh, wir verstehen uns so gut und sie ist eben Unternehmerin in ihren Fünfzigern, eine unfassbar tolle Frau, die ein Vorbild für mich ist in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit. Und das heißt, das hat für mich den Unterschied gemacht, wirklich zu schauen: Okay, wer ist mir sympathisch? Genau das, was Katja gesagt hat. Und daraus entsteht viel, viel mehr, als man am Anfang denkt.

Sie beraten viele Unternehmen und treffen dadurch natürlich auch auf viele Gründerinnen und Gründer. Was ist Ihr Eindruck? Auf welche Probleme stoßen diese Gründerinnen und Gründer?

Ich bin ja im Nachhaltigkeitsbereich. Das heißt, wir haben da in jeder Branche, ob das jetzt die Textilbranche ist, die Food-Branche, Energiesektor – alle Lebensbereiche sozusagen betrifft eine Transformation in Bezug auf mehr Nachhaltigkeit und die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie. Und ich glaube, das Schwierigste, mit das Schwierigste ist, eine Finanzierung zu finden für ein Geschäftsmodell in der Nachhaltigkeit, weil es dort sozusagen auch um Investoren geht immer wieder. Und da muss ich aus meiner Erfahrung sagen: Wir haben auch mal sozusagen einen Investor gehabt für einen Geschäftsbereich, für das Dienstrad-Leasing. Was aber sozusagen dann relativ schnell klar wurde: dass dieser Investor unser Geschäftsmodell nicht verstanden hat, weil es auch kein einfaches Geschäftsmodell ist. Es ist keine App, die man schnell erklären kann und wo klar ist: „Ah, okay, die wollen das und das damit lösen“, sondern wir sind ein Akteur zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, wir sind ein politisches Unternehmen. Und diese Komplexität, die wir abbilden im Geschäftsmodell, die haben auch andere. Das heißt, viele Gründer*innen sind sozusagen mit dem Problem beschäftigt oder haben da sozusagen Schwierigkeiten, einen Investor zu finden, der sie wirklich versteht und der wirklich weiß: Was zeichnet dieses Unternehmen aus? Weil bei uns ist es daran gescheitert, dass wir unterschiedliche Erwartungen hatten von Investorenseite und von unserer Seite. Und auch in diesem Kontext: Macht das, wo ihr sicher seid, dass ihr das seid. Weil wir haben uns mit dem Geschäftsbereich ein bisschen sozusagen von dem wegentwickelt, was wir eigentlich wollten. Wir haben den Geschäftsbereich heute noch, aber er ist ein Add-on und er ist nicht sozusagen der Kern. Von daher würde ich sagen, da muss man sozusagen schauen: Versteht derjenige, der das Fremdkapital mit einbringt, was man macht?

Ich würde gerne noch eine Sache ergänzen. Ich bin natürlich auch in dem beruflichen Netzwerk LinkedIn. Und da werden von bestimmten Gruppen – meistens auch männlich, weiß, mittelalt – bestimmte Start-ups immer so gehypt: „ist jetzt genauso viel wert wie die Lufthansa“. Das ist für mich mittlerweile kein Anpack, also der Wert – auch gerade von Uber, da haben wir ja gerade die Uber-Files gehabt in der Mobilitätsbranche –, das ist einfach für mich nichts, woran wir, als wenn ich eine Investorin wäre, messen sollten, wo rein wir unser Geld auch geben sollen. Also ich glaube, es gibt gerade eine ganz harte Lernphase, dass wir raus müssen aus diesem fossilen Wachstum, sondern rein müssen in … wie zum Beispiel in der Verkehrswende auch die erste Regel „Wege vermeiden“; es war gerade eben schon mobiles Arbeiten. Das kann ich mir zum Beispiel sehr gut auf dem ländlichen Raum vorstellen. Aber das heißt ja auch so ähnlich wie mein Geschäft. Es ist nicht das Riesending, sondern es sind vielleicht kleine, feine Sachen, die auch gar nicht so viel Geld benötigen, die aber Geld benötigen, um loslegen zu können. Also Sie brauchen ganz andere Strukturen auch von Investments und von einer Sichtbarkeit, auch von Menschen, die was verändern wollen. Ich habe auch eine Präsenz als Speakerin, als Moderatorin, also ich bin auch geladen auf bestimmten Innovationskongressen. Und dadurch, dass ich nur mich ernähre und nicht wie Martha ein gesamtes Unternehmen, kann ich da auch sehr gut für mich jetzt mal diese Auszeit zum Beispiel nehmen – das ist das erste Mal seit vier Jahren – und sagen: Nee, mal keine Termine, mal einfach ein bisschen sich durchs Leben gleiten lassen können. Das gehört nämlich auch dazu.

Ja, Frage an Sie beide: Welche Geschäftsmodelle haben aus Ihrer Sicht denn eine Zukunft, wenn es um die Mobilität von morgen geht?

Das habe ich eben, glaube ich, schon mal kurz angesprochen: Geschäftsmodell-innovationen. Das bedeutet, die Frage zu stellen – vor allem in dieser Mobilitätsbranche –: Was braucht unsere Gesellschaft wirklich? Ist es sozusagen mehr Material? Also sind das neue Produkte? Oder sind es kluge, ressourcenschonende Lösungen? Wir brauchen mehr Mobilität bei weniger Verkehr. Wir dürfen nicht darauf reinfallen, dass wir neue Anbieter sind oder noch mehr Anbieter darauf kommen auf den Markt mit Mikromobilität und so weiter, sondern es geht darum: Welche Verkehrsmittel brauchen wir – aus meiner Sicht – an welchen Stellen in der Stadt? Also es geht eher darum sozusagen, eine Makroperspektive zu haben. Das heißt, in Bezug auf Geschäftsmodellinnovationen wäre das die Frage: Braucht es noch ein neues Verkehrsmittel, was irgendwie elektrisch funktioniert? Oder braucht es nicht eher soziale Innovationen statt technologische, dass wir uns wirklich anschauen: Okay, für welchen Akteur oder für welche Gruppe unserer Gesellschaft können wir eine Lösung sein – wirklich jenseits von Shareholder-Values und Stupid Money, also das heißt, Investoren, die an der Performance oder dem Wert eines Unternehmens interessiert sind, versus gesellschaftlicher Wert und Mehrwert und soziale Gerechtigkeit und vor allem Gemeinwohlorientierung?

Ich will dann auch ergänzen, dass Mobilität, wenn sie gut funktioniert, ein ganz toller Organismus ist, also wo eine Resilienz entsteht und eine Gesundheit, die wir heute nicht haben. Hier in Barcelona habe ich heute die Warnung bekommen, die Luftqualität ist gefährlich. Na, und hier passiert ja schon viel an Veränderung. Aber eine App warnt mich, dass ich eigentlich am besten wahrscheinlich FFP2 auf dem Fahrrad tragen soll. Und das ist eine ungesunde Situation, die natürlich durch Automobilität kommt. Und da glaube ich, dass wir, wenn wir einen gesunden Organismus Mobilität bauen, das unglaublich viele Vorteile für ganz viele Bevölkerungsgruppen hat, die wir schon längst vergessen haben, die nicht stattfinden auf der Straße. Da geht es um Barrierefreiheit, da geht es um Sicherheit. Das war ganz spannend an meinem Buch auch: dass alle möglichen Menschen, die heute im Auto sitzen, sagen, es müssen fünf Dinge als Voraussetzungen erfüllt sein, dann lasse ich das Auto auch stehen: „Verfügbarkeit von Alternativen“ – ist jetzt keine große Enthüllung –, „Sicherheit“ – das hat ganz viele Facetten, was Leute als sicher betrachten –, „Barrierefreiheit“, „Bezahlbarkeit“. Es geht darum, eine Mobilität zu haben, die gesund ist und die allen ermöglicht, gut unterwegs zu sein. Und dann erst kommt „klimagerecht“. Also wenn diese vier Punkte vorher nicht erfüllt sind, bleiben die Leute im Auto. Und das ist unsere Herausforderung: die Kernkompetenzen von ganz vielen zu nehmen. Es müssen nicht alle alles können, aber diese neu zusammenzustecken zu einem ganz gesunden System und wir dann auch in der Straße, der Stadt alle Menschen, die dort wohnen, auch stattfinden sehen.

Ja, noch mal konkret nachgefragt: Wenn ich jetzt Gründerin oder Gründer bin und die Mobilitätsbranche interessiert mich, soll ich dann Geschäftsmodelle in der Wegevermeidung oder im Bereich der Infrastruktur oder eben soziale Innovationen suchen? Wo liegen da die Geschäftsmodelle der Zukunft?

Wenn Sie jetzt sagen Infrastruktur, dann würde ich da definitiv drauf gehen, auf das Thema, als Gründer*in derzeit, weil es ja tatsächlich etwas damit zu tun hat: Wie komfortabel ist es eigentlich, etwas anderes zu nutzen als das Auto? In den Neubauquartieren, die wir in Berlin, aber auch in vielen anderen Städten auch weltweit sehen, gibt es das Wort der Mobilitätsgarantie. Und die Mobilitätsgarantie bedeutet einfach: Man hat von dort, wo man wohnt oder wo man arbeitet, in dem Quartier maximal 300 Meter Fußweg zur nächsten Mobilitätsstation, mit klimaneutraler Mobilität natürlich. Also das heißt, man hat Lastenräder, E-Bikes. Man hat aber auch so was wie Bollerwagen und andere sozusagen Mikromobilitätsvehikel. Auch der Trolley zum Einkaufen, der eigentlich von den älteren Generationen immer bekannt ist, wird wie in der Seestadt Aspern in Wien zum Beispiel jedem Mieter, der dort einzieht, als Gutschein zum Selberabholen geschenkt. Das heißt, man bekommt direkt einen Anreiz, dort zu Fuß einkaufen zu gehen. Und genau diese kleinen Dinge, die das in der Infrastruktur … damit meine ich eben auch physische, weil: Natürlich müssen wir in Deutschland viel, viel schneller sein. Und das ist auch ein Bereich, um Daten richtig zu nutzen, um Verkehrsplanung zu machen. Das müssen sowohl die Kommunen, aber auch die Arbeitgeber natürlich auch berücksichtigen: Wie sind meine Mitarbeiter gerade unterwegs? Können wir das analysieren? Und das heißt, wir brauchen einmal einen digitalen Bereich Innovationen, die für die physische Infrastruktur dann hilfreich sind, und natürlich die physische Infrastruktur selbst.

Ich glaube, auch in Sachen Gründung. Auch da nahe bei sich sein: Was will ich? Will ich meine „da, wo ich lebe, wohne, arbeite“ verändern, sehe ich eine Gründung darin, dass ich verbesserte Mobilität anbieten will? Also ich glaube, da ist eine ganz hohe Veränderungskraft, die auch relativ schnell befriedigen kann, weil man selbst was tut für die eigene Region. Es kann aber auch etwas sein wie die Vernetzung von Kernkompetenzen, dass ich die Person bin, die die Spinne im Netz ist, die das aufbaut für eine Region. Also ich glaube, gerade in dem Bereich, wenn man jetzt nicht erst mal superreich werden will, sondern auch so wie wir beide vielleicht intrinsisch motiviert ist und sein Leben damit bezahlen will, sind viele Dinge auch regional möglich. Und ich merke auch, dass da immer mehr passiert, dass Coworking Spaces gegründet werden, dass auch zum Beispiel die Nahversorgung im ländlichen Raum wieder reingeholt wird, dass die Menschen die Wege nicht mehr antreten müssen. Und das ist, glaube ich, etwas, wo richtig viel Musik drin ist und wo ich mir auch vorstellen kann, dass Förderprogramme sich da verändern und auch in solche kleineren Dinge investieren anstatt immer nur in das große Ganze.

Welche Hilfs- und Informationsangebote können Sie für Gründerinnen und Gründer denn empfehlen? Also gerade wenn es um Gründungen in der Zukunftsbranche Mobilität geht?

Also bei mir ist auf jeden Fall das Wichtigste das Netzwerk tatsächlich. Bei mir ist es auf jeden Fall auch der regelmäßige Austausch, den man pflegen sollte. Aber ich denke, Mentoring war gerade schon ein Begriff, also sowohl Mentee selbst sein, aber auch Jüngeren vielleicht oder welchen, die in die Branche kommen wollen, ein Mentoring zu bieten. Das mache ich ziemlich viel, weil mich auch viele ansprechen: „Ich habe die und die Qualifikation. Ich möchte damit aber etwas Sinnvolleres machen, als Apps zu bauen.“ Und da halt den Leuten auch die Türen zu öffnen, weil ich glaube, dass sehr viele Quereinsteiger in unserer Branche gerne gesehen sind, weil sie andere Dinge mitprägen und nicht so BWLig oder ingenieurig daherkommen, sondern vielleicht mit einem sozialen Hintergrund. Ich glaube, solche Menschen gucken noch mal anders auf Rechenmodelle, Excel-Modelle, wo ja am Ende möglichst ein Plus rauskommen muss. Also ich denke, das ist ganz wichtig, dass wir uns da enger verdrahten, dass wir zusammenwirken, dass wir auch in die richtige Richtung gehen, aber auch uns die Pausen gönnen. Diese intrinsische Motivation darf nicht dazu führen, dass die, die was verändern wollen, ausbrennen.

Frau Wanat, Frau Diehl, Sie haben ja über die Zeit wahrscheinlich auch einige Erfahrungen gesammelt, aus denen Sie jetzt Lehren gezogen haben für Ihr weiteres Dasein als Unternehmerinnen. Wir fragen diese Business-Mantras immer in unserer Rubrik „Mantra Mantra“ ab.

Welches sind die wichtigsten Instrumente der Unternehmensführung für Gründerinnen und Gründer?

Ich würde da drei Punkte nennen, in Bezug auf das Thema Führung in jungen Unternehmen oder Gründungen. Erstens: Suchen Sie sich selbstständig denkende und arbeitende Menschen, weil Sie sich das nicht leisten können, am Anfang Menschen mitzuziehen. Zweitens: Geben Sie Verantwortung direkt ab, weil das sozusagen Vertrauen einerseits erzeugt, aber auch das Wachstum der Mitarbeiter*innen oder Kolleg*innen ermöglicht. Und das Dritte wäre: Machen Sie nicht Dinge dauerhaft, die Sie nicht können beziehungsweise wo nicht Ihre Stärken liegen – das heißt, Stärken stärken und nicht Schwächen stärken.

Was soll ich da noch ergänzen? Also mir wäre tatsächlich auch wichtig, dass wir hinschauen, beim Fokus zu bleiben, warum wir mal angefangen haben, eine Gründung zu machen: Was war uns wichtig? Was wollten wir vorantreiben? Und ich habe genau das Gleiche auch gemacht. Ich habe mir Menschen gesucht, die zum Beispiel meinen Instagram-Account machen oder meine Steuer, weil das definitiv Dinge sind, wo ich erstens keine Lust zu habe, zweitens viel zu viel Zeit benötigen würde und drittens ein anderer Mensch es sehr viel besser kann als ich.

Worauf sollte ich achten, wenn ich in der Mobilitätsbranche heute gründen möchte?

Wenn wir heute in der Mobilitätsbranche gründen, dann sollten wir nicht auf so toxische Versprechen gehen, die weit in der Zukunft liegen: das große Hyperloop-Thema oder autonomes Fahren, sondern das betrachten, was wir heute haben, welche Werkzeuge wir haben, welche Möglichkeiten wir haben, relativ schnell etwas zu verändern, gute Ideen zu verknüpfen. Also das wäre meine [Antwort]: in der Gegenwart bleiben – vielleicht so, um es kurz zu fassen.

Ich würde dazu Jennifer Keesmaat zitieren, die bekannteste Stadtplanerin und Verkehrsentwicklerin in Toronto, in Kanada: Alles, was wir haben, um unsere Städte zu transformieren, ist bereits da. Keine Technologie wird uns diese Aufgabe abnehmen. Das heißt: Es ist alles schon da; wir müssen nur anfangen, uns vor allem heute [aufmachen] – und nicht in Bezug auf übermorgen zu warten, welche Technologien wohl da uns retten werden oder welche E-Fuels oder welche alternativen Antriebe.

Wie sollte mein Unternehmen in Bezug auf Team und Werte aufgestellt sein?

Also tatsächlich mag ich es sehr gerne, wenn Leute mich aus meiner Komfortzone holen. Ich war immer, als ich noch in den Konzernen tätig war und eingestellt habe, habe immer so ein bisschen für Stirnkrausen bei meinen Chefs gesorgt, weil ich zum Teil Menschen aus der Event-Branche geholt habe, weil die ganz anders an Organisationen von Veranstaltungen gehen. Also einfach die Skills von Leuten betrachten und gar nicht unbedingt den Job, den sie vorher gemacht haben, und vor allen Dingen aber auch mal gucken: Mit was kommen sie denn rein?

Unser Team besteht zu 100 Prozent aus sehr starken Persönlichkeiten – was natürlich auch bedeutet: Man muss Meinungen gegeneinander abwiegen. Man führt Diskussionen und hat Austäusche, die aber inhaltlich sozusagen wichtig sind. Das heißt, ich würde sagen: Holt euch starke Persönlichkeiten, aber holt euch auch Menschen, die diese Hilfsbereitschaft haben. Man braucht in einer Gründungsphase immer wieder eine Hand mal da, und da brauche ich Feedback, hier muss ich das alleine stemmen, brauche aber dann zwischendurch doch jemanden, der mir dabei hilft. Das heißt, Toleranz natürlich. Und die Werte, die man teilt als Team, sind natürlich sehr, sehr wichtig. Auch wenn man nicht gleich sozusagen denkt, sondern nicht dieselben Anreizstrukturen hat, ist eine gemeinsame Vision von „Wofür arbeiten wir eigentlich?“, also das Thema Purpose, ist superwichtig, dass man da einfach absteckt: Sind das auch die Leute, die mit mir an dieser Vision arbeiten? Und das Dritte wäre: Bestenfalls haben wir den gleichen Humor. Also, das heißt einmal starke Persönlichkeit, dann Hilfsbereitschaft und Offenheit in Bezug auf Purpose und drittens der gleiche Humor, weil: Man muss einfach zwischendurch lachen, wenn alles gerade nicht läuft.

Was ist aus Ihrer Sicht der Königsweg, die eigene Gründung zu finanzieren?

Also ich wäre auf jeden Fall nicht der Typ, die unsagbar viel Geld sich leiht, um die Dinge voranzubringen, die sie tun will. Also mir gefällt das organische Wachstum von meinem Business sehr gut. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass da auch mal Mitarbeitende dazugehören. Aber erst mal suche ich ja gerade auch meine Position: Was gefällt mir? Wo kommt das Geld rein? Also ich würde immer mit dem Geld arbeiten wollen und mit Partner*innen, die mir Geld geben, dass es überschaubar bleibt, dass es organisches Wachstum ist.

Organisches Wachstum ist auch unser Ziel gewesen. Das haben wir auch bis heute durchgehalten. Und ich würde sagen, da ich auch eben auch nur diese Perspektive kenne – und das heißt keine hohe Fremdkapitalfinanzierung durchlebt habe –, würde ich vielleicht sagen: Ja, es ist besser, es ist gesünder, auch für die Mitarbeiter*innen und auch für die Mitarbeiterbindung, organisch zu wachsen. Aber ich kann mir auch vorstellen, weil ich auch einige Menschen kenne, die sozusagen gründen innerhalb einer Konzernstruktur, das heißt eine Art Strategieabteilung, die sich mit Zukunftsfragen beschäftigt in der Mobilitätsbranche. Und ich halte das für sehr komfortabel, weil es auch wichtig ist, eine gewisse Sicherheit zu haben und nicht dauernd dieses existenzielle Risiko, was man halt eben einfach hat beim organischen Wachstum.

Also quasi Ausgründungen?

Genau, Ausgründungen halte ich jetzt als jemand, der das nicht gemacht hat, für die nächste Option, die ich vielleicht machen werde, weil das, wenn Sie nach dem Königsweg fragen, würde ich, wenn ich jetzt noch mal neu gründen würde, würde ich sagen, das wäre die beste Option.

Ich habe diesen Weg für mich gewählt, aus einem Job heraus das Ganze auch anzufangen. Ehrlich gesagt, nicht ganz bewusst. Also das wäre jetzt ein bisschen gelogen von mir zu sagen: Ja, es war auf jeden Fall immer der Masterplan. – Aber ich glaube, das gehört zur neuen Welt dazu: dass wir auch mal zugeben, dass sich manche Dinge auch einfach mal entwickeln und man selber denkt: Ja, cool, ich gehe jetzt diesen Weg auch mal weiter. – Und da habe ich natürlich Dinge aufbauen können, weil ich ein Einkommen hatte, weil ich bestimmte Dinge wie die Miete zahlen konnte und dementsprechend nicht sofort so performen musste, sondern auch eine Zeit hatte der Findung. Und das hat mir auf jeden Fall sehr geholfen, ja.

Liebe Frau Wanat, liebe Frau Diehl, ganz herzlichen Dank bis hierhin. Wir haben noch ein paar unvollständige Sätze, die gerne vervollständigt werden wollen, und zwar ganz schnell und ohne nachzudenken. Mein größtes Missverständnis als Unternehmerin war ...

Dass ich so sein muss wie die anderen.

Dass ich kreativ sein kann.

Mein Rat speziell an Gründerinnen lautet ...

Bildet Banden!

Just do it!

Das Fahrrad bedeutet für mich ...

Die Freiheit, sofort Mobilität zu haben, die mir gefällt.

Maximale Freiheit. (lacht)

Von Martha Wanat habe ich heute gelernt ...

Dass ich auf jeden Fall noch strukturierter netzwerken sollte. Also ich fand den Hinweis mit den regelmäßigen Treffen gut. Und dass ich auf jeden Fall mit ihr das nächste Mal einen Kaffee trinke, wenn ich in Berlin bin.

Von Katja Diehl habe ich heute gelernt ...

Ich habe gelernt, dass ich noch mehr bei mir sein sollte, weil ich das in den letzten Jahren der Gründung selten war.

Frau Wanat, Frau Diehl, ganz herzlichen Dank an Sie beide, dass Sie heute dabei waren. Abschließend: Was ist Ihr Wunsch? Wie sieht die Mobilität im nächsten Jahrzehnt aus?

Der Mensch mit all seinen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt – und damit meine ich nicht nur die Bedürfnisse nach Mobilität und Sichbewegen, sondern auch, Wege nicht antreten zu müssen, mehr Zeit für sich zu haben, vielleicht auch ein Arbeitssystem zu haben, wo wir nicht mehr 40 Stunden als das Ideal erheben und wo wir auch Lebensphasen haben – es heißt ja auch „Lebenslauf“ und nicht „Lebenskanal“ –, wo mal mehr Mobilität, mal weniger Mobilität ist, also die Menschen sich in der Mobilität widergespiegelt sehen.

Ich würde mir wünschen, dass wir die Mobilität der Zukunft diverser und mit den verschiedenen Anspruchsgruppen entwickeln. Das heißt, eben mit allen Generationen in Formaten, die eben auch Städte oder Kommunen oder eben auch Arbeitgeber zur Verfügung stellen, gemeinsam an dem zu bauen oder zu entwickeln, was wir unter einer lebenswerten und auch Mobilität, die uns einfach Spaß macht, verstehen.

Frau Wanat, Frau Diehl, vielen herzlichen Dank! Schön, dass Sie mit bei „Ungeschönt In die Zukunft“ waren. Ich hoffe, es hat Spaß gemacht.

Danke für die Einladung!

Vielen Dank! Es hat sehr viel Spaß gemacht.

Jan Heipcke hat mit einem Freund die Unternehmenspension gegründet – das ist eine GmbH, die kleine und mittelständische Betriebe mehrheitlich übernimmt und dann in die Zukunft führt, darunter auch ganz traditionelle Unternehmen wie die Klar Seifen GmbH im badischen Plankstadt. Jan Heipcke stieß auf jede Menge Hindernisse, innerbetriebliche Widerstände, festgefahrene Strukturen, nicht zukunftsfähige Produkte und drehte das Ruder. Wie er das geschafft hat, darüber spreche ich mit ihm in der kommenden Folge von „Ungeschönt“.

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