Mehr als nur altes Brot: nachhaltiger Knödelkult

Shownotes

500.000 Tonnen genießbares Brot werden pro Jahr in Deutschland weggeschmissen. Janine Trappe und Felix Pfeffer von der Kultimativ GmbH wollen diese Verschwendung nicht hinnehmen. Sie „retten“ das Brot und machen daraus haltbare Knödel im Glas, Brotlinge und Kekse. Unter den Marken „Knödelkult“ und „Heldenbrot“ vertreiben sie ihre Produkte online und im Feinkosthandel. Dabei kämpfen sie auch gegen Vorurteile über gerettete Lebensmittel. Janine Trappe ist überzeugt: Food Upcycling ist kein „hartes Brot“, sondern bald ein Mainstream-Thema wie es Bio-Produkte sind.

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Kultimativ GmbH: Knödelkult und Heldenbrot

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KfW-Podcast „Ungeschönt“

Kultimativ GmbH

mit Janine Trappe

Transkript

Lebensmittel retten, das macht irgendwie so ein selbst gefilzter Hippie, ein hängen gebliebener Student, der irgendwie abends in den Container vom Supermarkt steigt und da jetzt zwischen all dem Müll noch etwas Brauchbares rauszieht. Ich bin überzeugt, dass wir sehen werden, dass das Thema Food Upcycling in den nächsten zwei bis drei Jahren einfach Mainstream-Thema sein wird, so wie Bio.

Wir haben in unserem Schwerpunkt „Ungeschönt Grün“ zuletzt the nu company mit ihren nachhaltig produzierten Schokoriegeln vorgestellt. Um nachhaltiges Wirtschaften geht es auch in dieser Folge von „Ungeschönt“, vor allem um Lebensmittelverschwendung und wie man sie verhindert. Die Kultimativ GmbH will das sinnlose „Brotsterben“ beenden und dem Brot ein zweites Leben als Knödel ermöglichen. Wie das klappte und wo die Hürden lagen, das erfahren Sie jetzt. Hallo, sagt Holger Thurm!

Ich begrüße Janine Trappe von der Kultimativ GmbH. Hallo nach Konstanz!

Hallo, Herr Thurm, grüße Sie!

Ja, im Namen Ihrer Firma Kultimativ steckt ja schon der „ultimative Kult“ drin. Sie haben gemeinsam mit Ihrem Lebenspartner Felix Pfeffer die Marken „Knödelkult“ und „Heldenbrot“ ins Leben gerufen. Jetzt mal zunächst die Frage: Warum Knödel? War das Ihre Lieblingsspeise?

Ich esse tatsächlich sehr gern Knödel, und der Knödel an sich ist ja wirklich so das klassische Resteverwerter-Essen. Deswegen ist es natürlich ein supernaheliegendes Gericht, wenn man darüber nachdenkt, wie zum Teufel man das ganze Brot retten könnte.

Ja, Brot retten ist das Stichwort. Was hinter Knödelkult und Heldenbrot steckt, das beleuchten wir jetzt noch einmal genauer und stellen die Kultimativ GmbH kurz vor.

Pro Jahr werden in Deutschland über 500.000 Tonnen genießbares, aber unverkauftes Brot weggeschmissen, sagt Janine Trappe von der Kultimativ GmbH. 10 bis 20 Prozent der Tagesproduktion einer Bäckerei wandern im Normalfall in den Müll. „Nicht normal!“, fanden das Janine und ihr Freund, der Architekt Felix Pfeffer. Ihre Lösung: Aus Brot und Brötchen mach Knödel! Die beiden gaben ihre sicheren Jobs auf und gründeten mit einem weiteren Knödelfreund die Kultimativ UG, später eine GmbH. Die Anfangsidee mit einer Knödelmaschine ließen sie rasch fallen. Stattdessen kamen handgemachte Knödel unter der Marke „Knödelkult“ ins Glas. Anfangs wurde noch selbst Brot geschnippelt, getrocknet und „verknödelt“, heute macht das ein Produzent. Ihr Mitgründer verabschiedete sich jedoch. Zu aufreibend war das geschäftliche und finanzielle Auf und Ab. Janine und Felix machten weiter und führten auch noch die Marke „Heldenbrot“ mit Brotlingen und Keksen ein.

Ja, Frau Trappe, jetzt bin ich natürlich gespannt, wie es eigentlich zu der Idee kam, gerettete Brote als Knödel ins Glas zu bringen!

Also die Initialzündung kam durch unseren damaligen Mitgründer, das war der Matze. Und wir saßen da bei einem Stammtisch zusammen von der Innovationswerkstatt in Konstanz, hatten da auch einen Neffen von einem Bäcker mit am Start, der mal wirklich erzählt hat, wie viel Brot übrig bleibt. Und es hat uns einfach schockiert, wo man doch aus dem ganzen Brot Knödel machen könnte.

Na gut, das ist eine Idee. Aber dass man daraus gleich eine Firma macht?

Ja, das ist natürlich nichts, was man irgendwie innerhalb von fünf Minuten dann mal eben so entscheidet. Wir haben die Idee immer weitergesponnen, haben Prototypen gebaut von unseren Knödeln im Glas und haben nachher ein Crowdfunding gemacht, ziemlich zu Beginn unseres Projektes, um einfach mal zu testen: Hey, findet diese Idee da draußen irgendjemand auch so gut, so witzig und so lecker wie wir? Gibt es da überhaupt ein Marktpotenzial für so was?

Also Sie haben mit dem Crowdfunding quasi einmal getestet, welche Nachfrage gibt es für dieses Produkt? Zur Finanzierung wollen wir später auch noch kommen. Sie waren ja anfangs also zu dritt. Ihr Mitgründer schied nach einiger Zeit wieder aus. Was hieß denn das konkret für Sie jetzt als nunmehr nur noch zweiköpfiges Gründungsteam?

Ja, es ist erst mal auf jeden Fall ein Schock. Also, Sie können sich vorstellen, als uns das unser Mitgründer eröffnet hat, dass er sich entschieden hat auszusteigen, haben wir alle zusammen in unserem Besprechungsraum Rotz und Wasser geheult. Es war wirklich schon ein krasser Moment. Und so geht man ja nicht ins Rennen, ja? Also die Idee war da zu dritt, auch entsprechend befreundet, die Welt zu verändern. Und am Ende sind halt dann nur noch zwei übrig geblieben. Das war auf jeden Fall supertraurig, aber ich kann die Beweggründe auch echt gut nachvollziehen, weil es ist ein harter Weg.

Muss man denn als Gründer oder Gründerin eine … ich nenne das jetzt mal gewisse „Leidensfähigkeit“ mitbringen?

Ja also, ich glaube, es gibt nicht so diesen Über-Nacht-Erfolg und dass alles einfach so von vornherein flutscht. Also man muss da schon ein dickes Fell haben und auch bereit sein, da durch die ganzen Tränentäler hindurchzumarschieren. Und von dem her ja, also Leidensfähigkeit trifft es ganz gut als Wort, ja.

Zunächst einmal, Sie haben sich ja nachhaltige Produktion auf die Fahnen geschrieben. Das wollen wir mal näher beleuchten. Woher beziehen Sie denn Ihre Brote?

Wir bekommen unser Brot von Bäckereien, die hier in Baden-Württemberg angesiedelt sind. Wir verwenden hauptsächlich helle Brotsorten im Moment, also alles, was so Brötchen, Ciabatta, Baguette, Weißbrot ist, so in die Richtung. Wir sind aber auch dabei, jetzt mit unserer neuen Marke Heldenbrot weitere Brotsorten zu integrieren, wie zum Beispiel Laugengebäck. Und bald kommen auch noch die dunkleren Roggen- und Körnerbrote an die Reihe, gerettet zu werden.

Warum nehmen Sie denn das verhältnismäßig teure Bäckereibrot statt Industriebrot?

Uns ist es superwichtig, Brot vor der Tonne zu retten. Es gibt natürlich auch Hersteller, die extra Knödelbrot beispielsweise produzieren. Und tatsächlich wären unsere Produkte dann auch günstiger und unsere Prozesse wesentlich einfacher. Aber das, worum es uns geht, ist ja wirklich, Brot zu retten und dem Brot die Chance zu geben, doch noch auf dem Teller zu landen. Und deswegen nehmen wir das auch gern in Kauf, dass wir dadurch aufwendigere Prozesse haben, die sich natürlich auch ein Stück weit in dem Preis unserer Produkte widerspiegeln.

Wie kann ich mir das Einsammeln der Brote bei den Bäckereien denn so konkret vorstellen?

Ja, das ist so ein ganz wichtiger Kernprozess von uns, die Qualität von dem geretteten Brot sicherzustellen. Wir arbeiten mit Filialbäckereien zusammen, die uns ihr Restbrot quasi dann verkaufen. Und schon die Bäcker in der Filiale, die müssen natürlich eine Auswahl treffen und schon uns nur die Sorten abpacken, die wir letztlich auch für unsere Produkte weiterverwenden. Und das ganze Brot wird dann in einer Brotrettungsstation im Schwarzwald angeliefert. Und da findet noch mal einfach zur Sicherheit ein Sortierprozess statt. Dann wird das Brot zerkleinert und getrocknet. Und, ja klar, das ist natürlich schon aufwendig und muss auch sehr sorgfältig gemacht werden, dass wir gewährleisten können, dass unsere Produkte immer gleich schmecken, dass wir nicht irgendwie uns doch ein Allergen reinholen. Ja, von dem her betreiben wir da schon einen gewissen Aufwand.

Ich denke mal, dass die Bäckereien am Anfang vielleicht nicht gleich so Feuer und Flamme von dieser Idee waren. Wie schwierig war es denn, diese Prozesse zu etablieren?

Also, Bäcker und Bäckereien sind begeistert von der Idee, dass Brot gerettet wird. Aber davon begeistert sein ist nicht gleichbedeutend damit, dass man dann auch bereit ist, diese Prozesse für uns dann auch zu implementieren im Betrieb. Weil es ist ein Extraaufwand, den Verkäufern und den ganzen Mitarbeitern zu verklickern, wie wichtig es ist, dass wir jetzt hier gut sortiertes Brot bekommen. Aber wir haben wirklich coole Partner gefunden, die da mitgehen, die sich auch in anderen Unternehmensbereichen das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben haben und, ja, die da einfach den Weg mit uns gehen.

Mit wie viel Aufwand ist das für die Bäckereien verbunden?

Ja, normalerweise kann man sich vorstellen, dass das ganze Brot, was abends in der Filiale übrig bleibt, eigentlich unsortiert in die Tonne geworfen werden kann. Das wird dann zu Tierfutter gemacht oder es wird verbrannt. Von dem her ist es natürlich schon einfach ein zusätzlicher Prozess, den so eine Bäckerei dann bei sich implementieren muss, um mit uns zusammenzuarbeiten.

Und den müssen Sie dann auch bezahlen? Oder machen die Bäckereien freiwillig mit?

Wir bekommen das Brot von den Bäckereien nicht geschenkt, sondern wir zahlen da einen fairen Preis pro Kilo, einfach um die ganzen Rohstoffe, die da drin stecken, und letztlich auch diesen zusätzlichen Aufwand auszugleichen, abzugelten.

Jetzt werden Ihre Knödel ja im Glas produziert. Warum?

Ja, wir stellen die Knödel im Glas her, weil uns das von Anfang an ganz wichtig war, dass wir ein Produkt herstellen, was eine lange Haltbarkeit hat, und nicht zum Beispiel jetzt frische Knödel fürs Kühlregal herstellen, die nachher noch mit einer Halbwertszeit von ein bis zwei Wochen vielleicht doch wieder in der Tonne landen. Und da war das Glas für uns einfach eine super Möglichkeit.

Sie haben ja angefangen in einer kleinen, angemieteten Catering-Küche. Wie lief denn die Produktion so im Eigenbetrieb?

Wir haben natürlich am Anfang alles selber gemacht. Wir haben die Rezepte selber entwickelt, sind dann zu den Bäckereien hier bei uns rund um den Kirchturm gefahren, haben das Brot eingesammelt, per Hand geschnippelt, haben dann halt diese Knödel gemacht und den Teig händisch ins Glas gebracht. Das war super-, superaufwendig. Aber es war auch wichtig für uns, überhaupt erst mal zu lernen: Wie funktioniert denn das Produkt? Was braucht das für Parameter, um die irgendwie haltbar zu machen? Ja, von dem her hat es auf jeden Fall Sinn gemacht, da die ersten Schritte so im händischen Eigenbetrieb zu gehen. Aber es lief nicht ganz ohne Probleme. Wir hatten da tatsächlich wirklich Haltbarkeitsprobleme bekommen, weil derjenige, der die Catering-Küche mit uns mit genutzt hat, hatte in dem daneben liegenden Kühlhaus Käse, schönen Schweizer Käse, reifen lassen, bis der so eine schöne rote Schmiere bekam. Und ja, man kann sich vorstellen, dass das nichts ist, was man gerne in der Küche haben möchte, wenn man irgendetwas haltbar, also keimfrei machen will. Sprich: Diese Käsesporen, die man auf dem Käse gerne haben möchte, weil die einfach saulecker sind, haben sich über die Lüftungsanlage in unserer kompletten Küche verteilt. Und wir haben unsere Produkte nicht mehr haltbar bekommen. Das war natürlich eine Katastrophe, weil wir mussten und wollten und durften unsere ganzen Crowdfunding-Unterstützer beliefern, wollten da entsprechend die Produkte herstellen – und dann so ein Desaster, ja? Also du willst ein haltbares Produkt verkaufen und kriegst es einfach nicht mehr haltbar, ja?

Also war das quasi ein totaler Produktionsausfall, gleich zu Beginn?

Ja, das war ein totaler Produktionsausfall, gleich zu Beginn. Da kannst du auch nichts machen. Ja, und selbst wenn dir noch ein Glas haltbar erscheint, weißt du ja nicht, kommt das auch noch – wird da der Deckel auch noch aufploppen? Und wir haben dann einen befreundeten Lebensmitteltechniker, der auch ein Labor hat, befragt. Weil wir wussten ja nicht: Was zum Geier ist da los? Warum klappt das nicht? Wir haben wirklich alles untersucht. Wir haben das Wasser untersucht. Wir haben von sämtlichen Oberflächen Abklatschproben genommen. Ja, und dann kam er natürlich mit der Hiobsbotschaft: „Ihr habt da hier so diesen Käsekeim am Start.“ Und ich so: „Alles klar! Gut, dann wissen wir das jetzt. Was sollen wir machen?“ Und die ernüchternde Antwort lautete nur: „Fackelt die Hütte ab!“ Also er hat wirklich ganz klipp und klar gesagt: „Hier irgendetwas Haltbares zu produzieren, ihr könnt es vergessen! Superküche, wenn man irgendwie für Restaurantbetrieb und Catering irgendetwas produzieren will. Aber zum Haltbarmachen – vergesst es, Leute!“

Das hört sich nach einem kritischen Moment gleich nach der Gründung an. Welche Strategie haben Sie dann weiterverfolgt?

Also, für uns war einfach die Frage: Bauen wir jetzt hier eine eigene Produktionsstätte für Knödel im Glas auf der grünen Wiese neu? Oder suchen wir uns einen Partner, der das schon kann? Und ja, wir haben uns die Entscheidung auch nicht superleicht gemacht. Letztlich haben wir aber dann festgestellt: Dieses Investment in eine eigene Produktionsstätte, das wollen wir nicht haben. Und es ist auch die Frage: Wie groß baut man dann so was eigentlich? Macht man es zu klein, muss man in kurzer Zeit, ja, irgendwie anbauen oder wieder umziehen. Macht man es zu groß, wird man auf einmal selber Lohnproduzent für andere Marken, um seine Produktion auszulasten. Und deswegen haben wir ziemlich schnell entschieden: Nein, das wollen wir nicht! Wir suchen uns einen Betrieb, der das schon kann, der da auch die ganze Expertise hat. Und wir selber machen halt die Rezeptentwicklung, Marketing und Vertrieb, sodass letztlich jeder das macht, was er irgendwie am besten kann und worauf er sich fokussieren möchte. Wir haben angefangen mit einem kleineren Metzgereibetrieb hier vor Ort, der schon Einkochmöglichkeiten hatte. Dem haben wir dann eine Maschine zum Abfüllen zur Verfügung gestellt. Natürlich spielen auch da eigene Erfahrungswerte mit rein, wenn ich schon ein Lebensmittelbetrieb bin. Wir mussten aber jetzt mittlerweile schon einige Male den Produzenten wechseln, um einfach überhaupt skalieren zu können, ja, um da für uns die Produktionskapazitäten überhaupt zu bekommen. Kapazitäten sind das eine, und ab einer gewissen Stelle spielen auch Zertifikate eine wichtige Rolle. Also im Lebensmittelbereich ist das IFS-Zertifikat zum Beispiel ganz wichtig, was man auch wirklich zwingend braucht, um Produkte an den Handel zu liefern. Ja, und so mussten wir uns jetzt mittlerweile schon zwei-, dreimal einen neuen Produzenten suchen, um da einfach wachsen zu können.

Aber das stelle ich mir jetzt aufwendig und kostspielig vor. Also da kommen ja dann auch Produktionsausfälle womöglich auf Sie zu. Oder noch einmal die Anschaffung von mehr Maschinen und der Umzug – also, das sind ja auch alles Kosten. Wenn man da zwei- bis dreimal umziehen muss, geht das nicht zulasten des Geschäfts?

Also der Optimalfall wäre, man findet von Anfang an den perfekten Partner, mit dem man bis in alle Ewigkeit zusammenbleibt. Das wünscht man sich ja auch in anderen Lebensbereichen durchaus. Aber letztlich muss es halt auch weitergehen, ja? Und man sollte da nicht in irgendwelchen Strukturen verharren, die man sich einst aussuchte, und nachher hinnehmen, dass man nicht wachsen kann. Also es musste halt einfach sein, und deswegen haben wir das gemacht, ja? Und klar, es gibt dann eine Zeit lang Lieferengpässe, bis bei dem neuen Produzenten alles aufgegleist ist. Aber ja, letztlich ist es halt einfach erforderlich.

Wir sprachen schon über die Knödel im Glas und über Ihren Anspruch, nachhaltig zu sein. Wie nachhaltig sind denn Ihre Verpackungen? Also Glas kann man wiederverwenden. Aber Ihre Heldenbrot-Produkte, also Kekse und Brotlinge zum Beispiel, sind ja nicht in Glas verpackt.

Ja, das Thema Verpackung ist eines, was uns wirklich umtreibt. Ich meine, wir alle kennen die Bilder, wie die Meere überschwemmt sind mit Plastikmüll und da die arme Schildkröte irgendwie so einen Plastikding um den Kopf hat. Es ist einfach wirklich nicht cool. Und dennoch ist es superschwierig, in der Produktion von Lebensmitteln auf Plastik zu verzichten, weil es einfach so wichtige Produktschutzeigenschaften hat. Glas wiederum, finde ich, eignet sich für Produkte, die man irgendwie haltbar machen will. Aber will ich da jetzt irgendwie ein trockenes Produkt wie zum Beispiel Müsli oder andere Sachen drin abfüllen? Es ist halt auch schwer. Und Glas, wenn es nicht wiederverwendet wird, ist halt auch energieaufwendig. Also wir verwenden teilweise Plastik bei unseren Produkten da, wo es nicht anders geht. Wir sind da aber auch immer auf der Suche nach neuen Verpackungsmöglichkeiten, die wirklich eine gute Alternative bieten. Und um das auszugleichen, diesen Einsatz von Plastik, arbeiten wir mit der Plastikbank zusammen. Das ist eine Institution, die sich darum kümmert, dass Plastik aus dem Meer gesammelt wird; und Menschen in ärmeren Ländern sind dann quasi diese Sammler und kriegen eine Vergütung dafür, dass sie da das Plastik einsammeln. Und ja, damit werden halt dann auch soziale Projekte unterstützt. Und klar, es ist eine Kompensation. Besser wäre es, überhaupt kein Plastik einsetzen zu müssen. Aber Stand jetzt ist es einfach für viele Produktkategorien ein alternativloses Verpackungsmaterial. Aber es tut sich da was am Markt. Glas ist natürlich ein Thema. Viele Hersteller, die zum Beispiel die Technik gehabt hätten, um unsere Produkte zu sterilisieren, haben aber beispielsweise nur mit Dosen gearbeitet. So eine Blechdose, die kann natürlich nicht splittern. Also, da irgendwie Glas neu in einem Betrieb einzuführen, ist ziemlich schwierig. Und man muss sich vorstellen, wenn so ein Glas mal runterfallen würde in der Produktion, da würde erst mal der komplette Betrieb stillstehen. Dann geht auf einmal alles nach Protokoll, und unter Umständen müssen auch bereits produzierte Waren, die noch offenstanden, weggeworfen werden. Glas ist ein Risikofaktor in Produktionen. Und die Produktionen sind natürlich extrem darauf getrimmt, wie damit umzugehen ist.

Bleiben wir nochmal bei dem Nachhaltigkeitsaspekt. Brot weiter zu verwerten statt wegzuschmeißen, ist nachhaltig. Das leuchtet irgendwie jedem zunächst ein. Aber wie kommt das beim Verbraucher an?

Wir haben ja jetzt schon Erfahrungen mit dem Thema, waren auch gerade zu Beginn unserer Knödelkult-Karriere viel auf Verbrauchermessen. Und da kam schon oft so das Statement: „Was? Ihr macht Produkte aus altem Brot, aus Müll, und dafür sollen wir dann auch noch was zahlen?“ Also nicht jeder hat dafür Verständnis. Vielleicht auch liegt es daran, wie ich selber aufgewachsen bin. Ob ich selber so groß geworden bin, dass eben Lebensmittel oder insbesondere Brot nicht weggeworfen werden. Wir sehen aber gerade in letzter Zeit da eine extreme Wende in den Köpfen der Menschen. Also, die Verbraucher werden deutlich offener für das Thema. Auch der Handel wird deutlich offener für das Thema. Und letztlich wird die Zukunft zeigen, wie die Verbraucher noch auf das Thema reagieren. Aber ich bin da wirklich superpositiv gestimmt. Und wenn man jetzt von geretteten Lebensmitteln redet, muss man sich natürlich auch vorstellen, welche Bilder die Konsumenten aus zum Beispiel dem Fernsehen kennen. Ja, also Lebensmittel retten, das macht irgendwie so ein selbst gefilzter Hippie, ein hängen gebliebener Student, der irgendwie abends in den Container vom Supermarkt steigt und da jetzt zwischen all dem Müll noch etwas Brauchbares rauszieht. Das ist das Bild, was der Verbraucher von Lebensmittelrettung durch die Medien bekommen hat. Und da erst mal ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das nicht unsere Arbeitsweise ist und dass unsere Lebensmittel nie den Lebensmittelkreislauf, den Hygienekreislauf verlassen haben, das ist so eine wichtige Aufgabe, die wir zu bewältigen haben und letztlich auch unsere ganzen Lebensmittelretter-Freunde, die sich da in der Branche tummeln.

Okay, und wie haben Sie diese Herausforderungen angepackt? Wie konnten Sie Ihre Verbraucherinnen und Verbraucher überzeugen oder ihnen näherbringen, wie Ihre Arbeitsprozesse sind? Oder auch Ihren Preis erläutern?

Ja, letztlich erklären wir es. Wir erklären es, wenn wir auf Messen sind. Wir erklären es auf unserer Webseite. Und es ist ein neues Thema, dieses Thema Upcycled Food, Lebensmittel aus geretteten Lebensmitteln. Und da kann man nicht erwarten, dass jeder Kunde der Erste sein wird. Es gibt halt die Menschen, die sind dafür offen. Die gehen vielleicht sowieso schon auch im Biomarkt einkaufen und haben einfach ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit und wollen dadurch ihren eigenen Konsum auch, ja, quasi mit anpacken und dem Planeten was Gutes oder doch zumindest nichts Schlechtes tun. Und diese Leute, die eh schon so ticken, das sind so unsere ersten Kunden. Und von da aus wird es einfach immer weiter in die Breite diffundieren. Und ich bin überzeugt, dass wir sehen werden, dass das Thema Food Upcycling in den nächsten zwei bis drei Jahren einfach Mainstream-Thema sein wird, so wie Bio.

Sie deuteten schon Ihre Website an. Sie verkaufen über Ihren eigenen Online-Shop Ihre Produkte Knödelkult und Heldenbrot. Wo kann man die sonst noch finden?

Man findet unsere Produkte deutschlandweit auch in Feinkostläden, in Hofläden und jetzt vermehrt auch im ganz klassischen Lebensmitteleinzelhandel. Feinkosthändler, die stehen diesem Thema superoffen gegenüber. Die suchen auch immer noch nach neuen Produktinnovationen im Lebensmittelbereich. Und da kommt man eigentlich relativ leicht rein, wenn man ein Produkt hat, von dem man die Leute überzeugen kann. Mit dem Lebensmitteleinzelhandel ist es natürlich wesentlich schwieriger, weil auch die Strukturen ganz anders organisiert sind. Also um überhaupt den Lebensmitteleinzelhandel, also sprich Supermärkte, beliefern zu können, braucht man eine Listung als Lieferant. Da vorgeschaltet sind Listungsprozesse. Man muss mit den Einkäufern verhandeln. Das sind Sachen, die dauern lang. Und in so einem Supermarkt hat ja auch jedes Produkt seinen Platz im Regal. Und wenn da jetzt ein neues Produkt rein will, ist natürlich die Frage: Wo stellen wir das denn hin? Also haben wir dann überhaupt noch Platz? Welches Produkt fliegt raus, damit wir dieses neue Produkt ins Sortiment aufnehmen können? Von dem her ist es natürlich ein viel langwierigerer Prozess, und man muss sich da viel mehr beweisen, ja, und kann es nicht mal eben so schnell testen, wie man es jetzt in einem Feinkost-Umfeld hat.

Sie deuteten ja vorhin schon an, Sie haben mit einer Crowdfunding-Kampagne erst mal getestet, ob Ihr Produkt ankommen kann. Haben Sie mit dieser Crowdfunding-Phase auch den Start finanziert? Oder wovon haben Sie persönlich gelebt? Sie sind ja Juristin, Ihr Partner ist Architekt, und Sie haben beide Ihre Jobs aufgegeben, um Knödelkult aus der Taufe zu heben.

Ja, so eine Crowdfunding-Kampagne ist eine supercoole Sache, um das Marktinteresse zu testen. Und natürlich, man sammelt einen Geldbetrag ein. Es ist aber nicht so – zumindest war es das bei uns nicht –, dass das jetzt wirklich so als Startkapital ausreichen würde, weil auf der anderen Seite produziert man ja dann von diesem Kapital schon die Produkte, die sogenannten Dankeschöns für die ganzen Unterstützer, was natürlich wieder einen großen Teil dieses Geldes auffrisst. Von dem her finanziert es natürlich erst mal nicht irgendwie das weitere Wachsen und Werden so einer Firma. Also, wir haben ziemlich viel eigenes Geld reingesteckt in die ganze Sache. Wir haben auch als Gründer Kredite aufgenommen, um das Ganze einfach jetzt mal so weiter wachsen zu lassen. Auch Familienmitglieder haben daran geglaubt und uns entsprechend unterstützt. Und so, ja, arbeitet man sich halt ein Stück weit voran. Ich muss aber auch sagen: „Wann, wenn nicht jetzt?“, haben wir uns damals gedacht – keine Familie zu ernähren, kein Haus abzubezahlen. Also die Fallhöhe war für uns damals einfach unterm Strich schon gering, ja? Und in Deutschland wird man ja ohnehin eigentlich ganz gut aufgefangen, wenn da beruflich mal was schiefgehen sollte. Es gibt auch Gründerförderungen vom Arbeitsamt. Wenn man mal eine Zeit lang arbeitslos war, kann man darüber auch noch so einen kleinen Teil des Lebensunterhaltes mal für ein paar Monate zwischenfinanzieren.

Also Sie haben Eigenkapital verwendet. Familienmitglieder haben an Sie geglaubt. Die Crowdfunding-Kampagne gab es. Allerdings, was Sie da einnahmen, wurde dann auch wieder aufgefressen durch die Dankeschön-Produkte. Sie haben aber auch Kredite erwähnt. Wie haben Sie diese Kredite denn bekommen?

Wir haben uns informiert, was es für Förder- und Kreditmöglichkeiten gibt. Und wir haben letztlich zusammengearbeitet mit einer Förderbank hier in Baden-Württemberg, die zinsgünstige Kredite vergibt für Gründer und wo man auch eine gewisse Haftungsfreistellung hat. Da gibt es schon einige Angebote.

Haben Sie denn nicht auch an Investoren gedacht, die an Bord zu nehmen?

Ja, wir haben auch an Investoren gedacht. Das kam dann ja in einem späteren Schritt, nachdem wir quasi so die Eigenfinanzierung und die Finanzierung über Kredite angeleiert haben. Wir waren da ein bisschen gesegnet, muss ich sagen. Ich weiß, dass ganz viele Start-ups händeringend auf Pitch Events gehen und da nach Investoren suchen. Dieses Crowdfunding hatte auch für uns den großen Vorteil, dass wir eine gewisse Presse bekommen haben und dass man da auf uns aufmerksam geworden ist. Und letztlich hatten wir saumäßiges Glück, dass unter diesen ganzen Business Angels und Coaches, die dann auf einmal auf uns zukamen, auch unsere heutigen Investoren dabei waren, die wirklich echt megacool sind.

Wie waren denn Ihre Erfahrungen mit diesen Business Angels und Coaches?

Ja, da muss man als Gründer schon ein bisschen aufpassen. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo man echt dringend Kohle braucht und wo man sich gerne auch an die Vorstellung klammern will, dass da jetzt irgendwie zwischen all den Herausforderungen der Retter kommt, der irgendwie Erfahrung hat und ein bisschen Kohle mitbringt. Aber man muss echt schauen, dass man diesen Prozess nicht zu sehr in die Länge zieht, dass man schnell konkret wird und checkt: Will der dir überhaupt Kohle geben? Oder will der eigentlich hier gleich deine Anteile haben, weil er dich ein bisschen coacht. Also dieses Coaching for Equity, was da draußen so teilweise am Markt sich tummelt, halte ich für sehr, sehr gefährlich. Weil was will er mich denn beraten? Ja, dass ich irgendwie Marketingkampagnen machen soll und Vertriebsmitarbeiter einstellen soll. Aber Kohle hat er mir nicht gebracht. Und ich stehe immer noch da und habe keine Liquidität. Also, man muss einfach gucken und nicht panisch werden angesichts der finanziellen Lage. Und da lieber noch mal irgendwie ein bisschen zuwarten und dann einen guten Partner, einen soliden Partner finden.

Sie waren ja auch bei der berühmten Fernsehsendung „Höhle der Löwen“. Hat Ihr Auftritt denn da geholfen?

Ja, die „Höhle der Löwen“, das war wirklich ein sehr, ein sehr spannendes Ereignis, kann man auf jeden Fall mal mitgemacht haben. Und ich muss sagen, es hat uns auf jeden Fall weitergeholfen. Es bringt auch Trust. Und wenn wir jetzt zum Beispiel Produzenten suchen für unsere Heldenbrot-Produkte, dann sind wir nicht irgendwie so das kleine popelige Start-up, sondern man hat uns schon mal irgendwo gesehen. Und daher kommt dann halt auch ein ganz anderes Vertrauen, sich überhaupt auf uns einzulassen.

Und haben Sie einen Deal bekommen?

Ja, wir haben einen Deal mit Ralf Dümmel bekommen tatsächlich, ja.

Ja, Frau Trappe, vielen Dank bis hierhin. Sie haben ja jetzt schon einige unternehmerische Erfahrungen gesammelt. Uns würde interessieren, an welchen Leitsätzen Sie sich orientiert haben, welches Business-Mantra Sie verfolgen. Und das fragen wir gerne ab in unserer Rubrik ...

Mantra Mantra

Was ist Ihr Verständnis von nachhaltigem Unternehmertum?

Nachhaltiges Unternehmertum bedeutet für mich, die großen Herausforderungen unserer Zeit durch wirtschaftliche Aktivitäten anzugehen.

Was sollten Gründerinnen und Gründer unbedingt ausprobieren?

Meditieren!

Welchen Leitsatz sollte man als Gründerin oder Gründer stets beherzigen?

Stetige Verbesserung ist besser als herausgezögerte Perfektion.

Ihre drei Finanztipps für nachhaltiges Gründen?

Genügend Zeit für die Finanzierung einplanen; Anteile nur abgeben, wenn es dafür auch Kohle gibt; und Liquidität vor Rentabilität.

Ja, vielen Dank. Frau Trappe! Wir haben am Ende unseres Gesprächs immer ein paar Sätze, die Sie vervollständigen sollen, schnell und ohne nachzudenken. Sie kennen das: Ich fange die erste Satzhälfte an, und Sie vervollständigen den Satz.

Hätte ich nicht gegründet, würde ich heute …?

Als Juristin die Welt zu einem besseren Ort machen.

Gründen mit dem Lebenspartner bedeutet …?

Die Business-Themen mit ins Bett zu nehmen.

Heldenbrot heißt Heldenbrot, weil …?

Weil jeder Kunde mit dem Konsum unserer Produkte eine Heldentat begeht, nämlich wertvolles Brot vor der Tonne zu retten.

Und schließlich: Meine Knödel esse ich am liebsten mit …?

Mit Vanillesoße, weil ich nämlich die süßen am liebsten mag.

Ja, vielen Dank, Janine Trappe von der Kultimativ GmbH! Wir haben heute viel gelernt über Knödelkultur und nachhaltiges Wirtschaften mit gerettetem Brot und wie man auf weiterverwerteten Lebensmitteln ein ganzes Geschäftsmodell aufbauen kann. Viel Erfolg weiterhin mit Knödelkult und Heldenbrot!

Dankeschön, Herr Thurm, für das nette Gespräch!

In der kommenden Folge wechseln wir den Fokus von nachhaltigen auf junge Gründungen. In „Ungeschönt Youngstars“ geht es um Unternehmen, die von ganz jungen Menschen gegründet wurden. Denn beim Gründen zählt nicht das Alter, sondern harte Arbeit und das Vertrauen in sich und das eigene Können. Wir stellen Beispiele vor, die andere inspirieren und ermutigen, selbst zu gründen, wie etwa die Lime medical GmbH. Aus einem „Jugend forscht“-Wettbewerb ging die Idee eines intelligenten Therapiegeräts hervor, mit dem Handgeschädigte trainieren können. „AnyHand“ heißt das Produkt, das beim Üben natürlicher Handbewegungen hilft. Wir stellen einen der jungen Gründer in der kommenden Folge von „Ungeschönt“ vor.

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