Risiko wagen – mit grüner Überzeugung zur Marke

Shownotes

Grüner verpacken geht nicht: Jan Patzer, Can Lewandowski und Lennart Heyner haben mit ihrer Firma Crafting Future GmbH der Flut von Einwegverpackungen und Plastikmüll den Kampf angesagt. Für die Gründer stehen Nachhaltigkeit, Klimafreundlichkeit und Kreislaufwirtschaft im Vordergrund. Millionen von Menschen kennen und nutzen ihre Mehrwegprodukte aus nachhaltigen Kunststoffen. Denn mit Deutschlands größtem Pfandsystem-Anbieter für Mehrwegverpackungen, der reCup GmbH, haben die drei einen wichtigen Kunden mit der Marke REBOWL gewonnen. In knapp 11.000 Cafés, Bäckereien, Tankstellen, Kiosken, Restaurants und Mensen essen Kundinnen und Kunden heute aus Produkten von Crafting Future. Holger Thurm spricht mit Co-Gründer Jan Patzer und Kunststoffexperte Felix Böttcher von Crafting Future über die Herausforderungen bei Mehrwegsystemen, fairen und nachhaltigen Lieferketten und warum ein Totalausfall in der Produktion sie noch enger mit der reCup GmbH verbunden hat.

Mehr Informationen zu Fördermöglichkeiten auf

kfw.de/gruenden

kfw.de/nachfolge

kfw.de/ungeschoent

kfw.de

Crafting Future GmbH

Transkript anzeigen

KfW Podcast „Ungeschönt“

Crafting Future GmbH

mit Jan Patzer und Felix Böttcher

Transkript

Unser Ziel war es ja immer, wirklich messbar nachhaltige Produkte und Verpackungen zu entwickeln, die wirklich von der Materialauswahl bis zum Recycling auch wirklich nachhaltig sind und auch wirklich zirkulieren und eben nicht nur „grün“ klingen und am Ende dann irgendwo im Müll landen und vielleicht nur verbrannt werden.

Da benutzt man die Verpackung, bringt die zurück, und die wird dann in Anführungszeichen „recycelt“. Aber daraus wird niemals mehr eine Lebensmittelverpackung, sondern im besten Fall vielleicht noch ein Blumentopf oder eine Parkbank. Und das ist ja nicht wirklich eine Kreislaufwirtschaft.

Wir haben den Aufwand total unterschätzt. Also wirklich eine Marke, die auch eine Bekanntheit hat, aufzubauen, die von den Prozessen her funktioniert, die Produkte, die gut ankommen – das war wirklich eine ganz schön lange Reise.

Willkommen zur zweiten Staffel von „Ungeschönt“! In dieser Staffel setzen wir auf verschiedene Themenschwerpunkte: auf nachhaltiges Gründen und Green Economy, auf Gründungen junger Menschen und auf Start-ups in besonders zukunftsträchtigen Branchen. Die kommenden drei Folgen sind also ganz „ungeschönt grün“. Es geht um Nachhaltigkeit, klimafreundliche Produkte und um Kreislaufwirtschaft. All diese Aspekte verbindet die Crafting Future GmbH, die Einwegverpackungen und Plastikmüll den Kampf angesagt hat – und zwar mit Mehrwegprodukten aus Kunststoff. Ich bin Holger Thurm und freue mich jetzt auf das Gespräch mit Jan Patzer und Felix Böttcher von Crafting Future.

Hallo Herr Patzer! Hallo Herr Böttcher!

Hi! Schön, dass wir hier sein können.

Hallo, freut mich auch!

Herr Patzer, Sie haben gemeinsam mit Can Lewandowski vor einigen Jahren Crafting Future ins Leben gerufen. Sie sind Ökonom, Herr Lewandowski arbeitete im Gastronomiebereich. Wie kommt man da auf die Idee, Kunststoffprodukte herzustellen?

Tatsächlich kam es zu der Gründungsidee ein Stück weit durch unser privates Interesse für Nachhaltigkeit, was uns schon lange begleitet hat. Der Can Lewandowski hat ja auch im gastronomischen Umfeld gearbeitet. Gerade dort sieht man, dass unglaublich viele Mengen Müll anfallen im täglichen To-go-Geschäft. Wir waren auch zusammen reisen, unter anderem in Asien, wo das Müllproblem noch mal viel deutlicher wird. Und nachdem uns dieses Thema immer wieder beschäftigt hat, haben wir uns irgendwann zusammengesetzt und haben gesagt, wir wollen da etwas tun, wir wollen Müll vermeiden und insbesondere in dem Feld, wo unglaublich viel Müll anfällt, und das ist der Bereich Essen, Getränke, Take-away. Es war tatsächlich zu Beginn auch eher eine fixe Idee und noch gar nicht der große, final durchdachte Geschäftsplan, wie es bei der einen oder anderen Start-up-Idee meistens ist, und [sind] einfach aus der Passion heraus gestartet.

Herr Böttcher, Sie sind ein gutes Jahr jetzt mit an Bord. Was ist denn Ihre Funktion bei Crafting Future?

Genau, ich habe früher mal Maschinenbau studiert und Kunststofftechnik und bin jetzt bei Crafting Future Projektingenieur und leite das Engineering Team.

Wir wollen über die Hindernisse und Hürden seit der Gründung von Crafting Future sprechen, sowohl was Marke und Produkt, aber auch was den Anspruch lückenlos nachhaltiger Lieferketten und die Hürden bei der Finanzierung betrifft. Bevor wir das aber tun, stellen wie Ihr Unternehmen erst mal vor.

Ein Blick in unsere Mülltonnen verrät es: Plastik, Einwegprodukte und Verpackungen machen den Großteil unseres Mülls aus. Jan Patzer und Can Lewandowski wollten das ändern – mit Mehrwegprodukten aus Kunststoff, die messbar nachhaltig sind und einen möglichst langen Lebenszyklus haben. Mit ihrer Gründung, der Crafting Future GmbH, versuchten die beiden, eine eigene Marke für Lunchboxen und Trinkflaschen aufzubauen. Nebenberuflich klappte das nicht so gut, und so kündigten die beiden ihre Jobs und konzentrierten sich voll und ganz auf ihre Firma. Von nun an produzierten sie Mehrwegprodukte für Firmen im Lebensmittelumfeld, denn hier fällt besonders viel Plastikmüll an. Ihre Produkte fanden rasch die Aufmerksamkeit bekannter Marken wie Recup und Rebowl, die Becher und Schalen für Coffee- und Essen-to-go im Pfandsystem anbieten. Crafting Future designt und fertigt heute ausschließlich Produkte aus Altplastik und Biokunststoffen – Materialien, die auch wirklich wieder recycelt werden.

Ja, Herr Patzer, so richtig los ging es für Sie nach den ersten zwei Jahren. Warum war das am Anfang eine Durststrecke? Und was gab den Ausschlag, sich voll und ganz Crafting Future zu widmen?

Das ist eine sehr gute Frage. Es war tatsächlich eine unfassbar lange Reise, und es fing im Wesentlichen auch damit an, dass wir zu Beginn versucht haben, eine eigene Marke aufzubauen für Endkonsumierende. Und diese Marke trägt den Namen „Avoid Waste“, also so wie „Müll vermeiden“. Unser Ziel war es, hier einfach Menschen Produkte zur Verfügung zu stellen, die helfen, im Alltag Müll zu vermeiden. Und als wir diese Reise gestartet sind und diese Experimente gestartet haben, waren wir auch noch nebenberuflich unterwegs. Es war wirklich erst mal ein Start, auszuprobieren: Sind die Konsumierenden da draußen bereit dafür? Sind wir bereit dafür? Und dann muss ich sagen, wir haben den Aufwand total unterschätzt. Also wirklich eine Marke, die auch eine Bekanntheit hat, aufzubauen, die von den Prozessen her funktioniert, die Produkte, die gut ankommen – das war wirklich eine ganz schön lange Reise. Und eingangs wurde ja auch erwähnt: Wir sind als Gründerteam Ökonomen, also kommen gar nicht aus dem Produktentwicklungsbereich. So kompetente Personen wie den Felix Böttcher haben wir ja erst später dazugeholt. Und so wurden wir relativ schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, dass das mal nicht eben so aufzubauen ist. Wir haben uns also vor einer wesentlichen Entscheidung befunden: Wie geht es jetzt weiter? Wir haben angefangen, unsere ersten Produkte von Lieferanten zu beziehen, die auf nachhaltige Materialien setzen. Wir haben online unsere ersten Verkäufe erzielt, aber haben gemerkt, mit dem Taschengeld, was wir reinstecken konnten in die Firma, wird es schwierig. Und haben uns dann tatsächlich entschieden, 2019 unsere damaligen Vollzeitjobs – bei mir im Beratungsumfeld, bei dem Can Lewandowski im Start-up-Umfeld – quasi an den Nagel zu hängen, um auch wirklich die Energie reingeben zu können, die es braucht, um so eine Marke aufzubauen.

Jetzt war aber doch das öffentliche Bewusstsein und die Gesetzgebung durchaus eine gute Voraussetzung für den Aufbau so einer eigenen Marke. Was ist da bei „Avoid Waste“ schiefgegangen?

Also für uns war diese unternehmerische Reise ja auch etwas ganz Neues, und es stimmt: Die allgemeine gesellschaftliche Aufmerksamkeit war auf Themen wie den Einweg-Kaffeebechern und Ähnliches auf jeden Fall an einem reifen Punkt. Und wir haben ja auch ganz guten Zuspruch bekommen. Nur man muss sich vorstellen, wir haben wie gesagt unsere Sparschweine geköpft, um erste Produkte einzukaufen. Und wir haben einfach gemerkt, mit diesem Geld, was wir dort auf der hohen Kante hatten, das war einfach schon sehr schnell aufgebraucht einfach dadurch, dass wir uns Produkte auf Lager gelegt haben. Und dann braucht es natürlich noch Marketing. Irgendwann merkt man, man schafft die Dinge auch nicht mehr alleine. Und es hat sich einfach gezeigt, dass wir viel mehr Energie da reingeben müssen und dass wir eigentlich auch viel mehr Geld brauchen. Wir sind da wirklich mit dem Kopf auch ein Stück weit durch die Wand, sind mehreren verschiedenen Routen nachgelaufen und haben geschaut, was funktioniert. Und was man schon sagen muss, diese grundsätzliche Idee der Marke „Avoid Waste“, die kam schon gut an. Wir haben gemerkt, da ist ein Riesenpotenzial; sonst hätten wir unsere Jobs ja auch nicht gekündigt. Aber [es gab] eben diese gewisse Unwissenheit, dass es doch einfach viel mehr Geld braucht, wirklich so eine Marke aufzubauen. Es braucht einfach viel mehr Energie. Und das war auch einer der Gründe, warum wir uns dann wirklich getraut haben, mehr reinzugehen. Weil wir haben gesagt: Alles oder nichts! Wir müssen das jetzt probieren. Wir glauben schon, da ist ein Riesenpotenzial bei „Avoid Waste“, aber wir können es einfach mit so einer Nebenberuflichkeit nicht heben. Und es hat natürlich ein bisschen Mut gefordert. Und ab da ging dann die wilde Reise wirklich los. Es wurde aber letztendlich auch belohnt, weil in dem Moment, als wir wirklich volle Energie in das Thema gegeben haben, sind nicht nur normale Kunden auf uns aufmerksam geworden, sondern auch Firmen, die dann zum Beispiel sich gewünscht haben, dass Produkte mit ihren Firmenlogos bedruckt werden, aber auch dass wir wirklich neue Produkte für Firmenkunden entwickeln. Es war etwas, an das wir selber damals gar nicht gedacht haben, was aber eigentlich ein entscheidender Wechsel war, der uns auch dahin gebracht hat, wo wir heute sind. Weil man müsste ganz klar sagen: Ohne dieses Firmenkundengeschäft würde es uns so heute wahrscheinlich nicht mehr geben; weil uns schon immer klar war, dass wir nicht einfach unendlich viel Geld in die Firma holen wollen, um eine Endkonsumentenmarke aufzubauen, war das wirklich ein essenzieller Schritt, der aber auch durch Ausprobieren letztendlich entstanden ist.

Würden Sie dann sagen, dass so ein Markenaufbau oder auch E-Commerce im B2C-Bereich grundsätzlich schwieriger ist als bei B2B? Oder wie wird man denn im B2B-Bereich entdeckt?

Ich habe wirklich großen Respekt vor allen Unternehmern und Unternehmerinnen, die eine Marke da draußen im B2C-Sektor aufbauen. Wir haben wirklich gelernt, dass das unglaublich viel Know-how und Energie braucht. Und ich denke, dass der B2B-Sektor ebenfalls viel Energie braucht. Aber es ist einfach ein anderes Geschäft, gemeinsam mit anderen Firmen zu agieren, bedarf anderer Prozesse, anderer Eigenschaften. Und wir haben in dieser Zeit gemerkt, in der wir angefangen haben, Produkte zu entwickeln, dass wir ziemlich gut darin sind, Produkte zu designen, das passende Material zu finden, wirklich nachhaltige Produkte auf den Markt zu bringen, die es so in der Form noch nicht gibt. Und über diese Firmenkunden, die da draußen wirklich schon ein breites Kunden-Netzwerk haben, dann optimal eigentlich auf den Markt zu treffen. Und das sind einfach zwei verschiedene Welten. Die B2B-Welt, die ein Stück weit auf dem Produkt, auf der Funktionalität ist, und die B2C-Welt, die stark auch von Marketing, Online-Marketing und Vertrieb lebt. Und wir haben einfach gemerkt, wir sind sehr gut im Produkt, und mussten uns dann entscheiden, worauf wir uns fokussieren. Und haben uns glücklicherweise auf diesen B2B-Bereich fokussiert, in dem wir, würde ich sagen, mittlerweile auch sehr gut geworden sind.

Könnte man sagen, dass die Hebelwirkung oder der nachhaltige Effekt, den Sie ja auch mit Crafting Future erzielen möchten, größer ist, wenn Sie als Spezialist Produkte für andere Firmen produzieren?

Viel größer. Das war auch einer der Gründe, warum wir uns entschieden haben, in diesen B2B-Sektor letztendlich zu gehen. Weil, wir haben es eingangs erwähnt, wir sind ja Überzeugungstäter. Wir sind aus diesem Problem heraus Unternehmer geworden und wollten unseren Impact maximieren. Und wir haben einfach gemerkt, mit der eigenen Marke da draußen, wenn wir da rausgehen und immer nur mehr Produkte versuchen an die einzelnen Kunden zu verkaufen, dann ist es vielleicht gar nicht das Nachhaltigste. Aber wenn wir es schaffen, anderen Firmen zu helfen, wirklich messbar nachhaltige Produkte an eine breite Kundenbasis zu bekommen, denen zu helfen, wirklich Müll einzusparen, dann können wir viel schneller viel mehr Impact haben und viel mehr Müll sparen. Und das war natürlich einer der wesentlichen Schritte, die dann auch dafür gesprochen haben, sich auf dieses Geschäftsfeld zu fokussieren.

Jetzt haben Sie ja von Anfang an das Ziel gehabt, nur mit recyceltem Altplastik oder mit Biokunststoffen zu arbeiten. Wie hat das denn anfangs geklappt, da die richtigen Materialien und auch die Lieferanten dafür zu finden? Wie sind Sie da vorgegangen?

Es war zu Beginn wirklich eine große Herausforderung, die richtigen Lieferanten und Partner*innen zu finden, denen auch Nachhaltigkeit wirklich am Herzen liegt. Auch hier, wir waren natürlich unerfahren, also wir haben erst mal wirklich ganz stumpf Suchmaschinen bedient, haben in unserem Netzwerk herumgefragt und sind so auf erste Lieferanten gestoßen. Da muss man allerdings sagen, dass für uns am Anfang natürlich fast jeder Marketing-Claim wunderbar geklungen hat. Wir wollten ja besonders auf viele biobasierte Materialien setzen, wollten Plastik um jeden Preis vermeiden und sind da vielleicht auf den einen oder anderen Marketing-Claim hereingefallen. Es hat also wirklich einige Zeit gebraucht, um ein Stück weit die Spreu vom Weizen zu trennen. Was steckt dahinter? Was ist dran? Das war eine große Herausforderung, die sehr viel Energie auch in der ersten Zeit gefressen hat und wo wir viele Fehler gemacht haben, die wir heute wahrscheinlich ganz anders machen würden.

Sie haben es ja gerade angedeutet, Sie waren Neulinge in der Kunststoffindustrie. Wie schwer ist es Ihnen da gefallen, sich das nötige Know-how anzueignen? Wie haben Sie das bewerkstelligt?

Wir haben zu Beginn relativ schnell auf die Kooperation mit Expert*innen gesetzt. Das heißt, wir haben in unserem Umfeld beispielsweise ein Hochschulinstitut identifiziert, das IfBB, das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe, die natürlich extrem viel Expertise mitbringen, und haben so versucht, ein Stück weit auszugleichen, dass unser kleines Team zu Beginn noch kein umfassendes Material- und Kunststoff-Know-how hatte. Zu einem späteren Zeitpunkt haben wir das natürlich durch unser Team ausgeglichen. Unser Ziel war es ja immer, wirklich messbar nachhaltige Produkte und Verpackungen zu entwickeln, die wirklich von der Materialauswahl bis zum Recycling auch wirklich nachhaltig sind und auch wirklich zirkulieren und eben nicht nur „grün“ klingen und am Ende dann irgendwo im Müll landen und vielleicht nur verbrannt werden. Und deswegen haben wir mit unseren Kooperationspartnern da relativ viel am Produkt gearbeitet und unglaublich viel gelernt, um diese Produkte besser zu machen.

Sie haben ja jetzt schon das Team erwähnt. Felix Böttcher ist ja bei Ihnen auch Projektingenieur. Sie sagten, Sie haben sich Know-how ins Haus geholt. Wo haben Sie denn die Leute gefunden?

Tatsächlich kam der Felix Böttcher ungefähr zu dem Zeitpunkt des Aufbaus der eigenen Produktion zu uns ins Team. Und wir sind sehr glücklich, dass viel Know-how zu uns ins Haus gefunden hat über dieses Thema Purpose und den Glauben daran, was wir tun. Eines der Dinge, die uns natürlich täglich antreiben, ist, weiter Müll zu vermeiden und noch etwas wirklich für die Nachhaltigkeit zu tun. Und das ist auch ein Weg, wie der Felix Böttcher zu uns gefunden hat, der sich tatsächlich initiativ bei uns beworben hat. Und genau das war dann noch einmal ein wesentlicher Schritt, das Team deutlich auszubauen. Wir sind jetzt, heute, 17 Personen. Vor einem Jahr waren wir noch vier bis fünf. Es war an dieser Stelle superwichtig, sich diese Menschen mit ins Team zu holen, damit wir an den Produkten arbeiten und diese Überlegungen reinbekommen, die wir als Ökonomen gar nicht hatten.

Herr Böttcher, Sie haben die Produktion mit aufgebaut. Wie etabliert war zu diesem Zeitpunkt eigentlich das Thema Kreislaufwirtschaft?

Ja, also tatsächlich ist das alles gar nicht so einfach, wie man sich das oft vorstellt. Denn die Frage ist, was braucht es denn wirklich für ein kreislauffähiges, nachhaltiges Produkt? Grundsätzlich ist der erste Punkt, den man auf jeden Fall nennen kann, dass es schon mal schwierig ist, wenn ein Produkt aus mehreren Materialien zum Beispiel besteht. Also mein Lieblingsbeispiel ist der Joghurtbecher. Da hat man einen Becher aus Kunststoff, einen Aluminiumdeckel und im schlimmsten Fall noch eine Papierbanderole außenrum. Und wenn man das kreislauffähig entsorgen möchte, dann muss man quasi den Aluminiumdeckel abziehen, in die gelbe Tonne schmeißen, den Kunststoffbecher auch, vorher aber die Papierbanderole abtrennen, die in den Papiermüll schmeißen. Das ist für Konsument*innen ein Riesenaufwand, die müssten quasi das ganze Produkt zerpflücken. Und bei der Rebowl, die wir ja schon angesprochen haben, die wir für Recup entwickelt haben und produzieren, war und ist das oberste Ziel immer Kreislaufwirtschaft in Form eines Pfandsystems im Lebensmittelumfeld. Und da war der erste Step für uns ganz klar: Wir brauchen ein Monomaterial. Das heißt, das komplette Produkt besteht aus einem Material – sowohl der Deckel als auch die Schale –, um das dann sortenrein recyceln zu können. Also man kann sagen, dass … im Lebensmittelumfeld kennt man einen wirklichen Produktkreislauf von PET-Flaschen. Hier funktioniert auch das Recycling beziehungsweise der Kreislauf wirklich gut, weil das auch wirklich ein Kreislauf ist. Bei anderen Verpackungen im Lebensmittelumfeld, bei fast allen, ist es anders. Da benutzt man die Verpackung, bringt die zurück, und die wird dann in Anführungszeichen „recycelt“. Aber daraus wird niemals mehr eine Lebensmittelverpackung, sondern im besten Fall vielleicht noch ein Blumentopf oder eine Parkbank. Und das ist ja nicht wirklich eine Kreislaufwirtschaft. Und mit Recycling hat das eigentlich eher auch nichts zu tun. Das ist dann eher ein Downcycling. Deshalb kann man sagen, bei uns, also sagen wir … sprich, bei der Rebowl, da haben wir ein Closed-Loop-System. Das heißt, die Bowls kommen am Ende des Produktlebenszyklus zu uns zurück, und wir können die dann gesondert in einem Recyclingkreislauf recyceln. Theoretisch könnte man das in einem geschlossenen Kreislauf für jeden thermoplastischen Kunststoff machen. Aber „theoretisch“, weil es so ist, dass beim industriellen Recycling die meisten Produkte eben nicht kreislauffähig sind, obwohl sie aus Monomaterial sind. Was kann in Deutschland gut recycelt werden? Da kennen wir Aluminium, Glas, Papier und teilweise auch Kunststoff. Und wieso sage ich teilweise? Weil in Deutschland industriell vielleicht eine Handvoll Kunststoffe recycelt werden und der Rest eben nicht. Der Rest wird verbrannt. Und wenn man das auch weiß, kann man da ansetzen. Und man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass Kunststoffe an sich überhaupt nicht das Problem sind, sondern der Umgang damit. Und deswegen war auch ein großes Learning bei uns: In unserem Produktentwicklungsprozess muss man einfach beim Produktdesign schon anfangen. Das Produktdesign muss schon stimmen, damit man einfach ein Produkt herstellt, das am Ende des Produktlebenszyklus eben wieder wirklich recycelt wird und nicht gedowncycelt wird oder verbrannt wird.

Sie wollen ja durch die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette fair handeln und nachhaltig produzieren. Wo lagen da die Knackpunkte?

Das war gar nicht so einfach, muss man sagen. Denn zu Beginn haben wir noch mit externen Lieferanten zusammengearbeitet, die teilweise aus Deutschland gekommen sind, teilweise aber auch aus dem EU-Ausland oder sogar dem Non-EU-Ausland. Und für uns war deswegen ein wirklich wichtiger Schritt: Wir müssen selber die Wertschöpfungskette verstehen, wir müssen sie überblicken können. Und das war auch ein wesentlicher Grund, warum wir dann eine lokale Produktion in Deutschland aufgebaut haben mit Partnern, die wir regelmäßig besuchen, wo wir wirklich in der Produktion aktiv sind, wo wir sicherstellen können, dass es mit allen sozialen und den sonstigen Rahmenbedingungen wirklich mit unseren Werten einhergeht. Dinge wie zum Beispiel: Werden unsere Produkte auf Ökostrom produziert? Wo kommt das Material her? Ist es einfach nur erdölbasiert, ist es biobasiert oder recycelt? Wie wird es verarbeitet? Sind die Personen, die in diesen Fabriken arbeiten, fair bezahlt? Und letztendlich bis zum Vertrieb: Für welchen Zweck wird das Produkt eingesetzt? Spart es wirklich Müll ein? Und das war auch etwas, was in unserer Laufbahn durchaus viel Energie und Zeit gekostet hat, für uns aber total wichtig ist. Denn bei Nachhaltigkeit gehört auch Transparenz dazu, dass wir unseren Kunden – egal ob jetzt den B2B-Kunden oder den Endkonsumierenden, die die Produkte benutzen – einfach transparent zeigen können: „Schau mal, das ist unsere Wertschöpfungskette. Und ihr könnt euch das auch angucken. Und ja, das stimmt! Wir sind nicht perfekt, aber wir werden immer besser.“ Und wir versuchen wirklich, Nachhaltigkeit ganzheitlich zu sehen und dadurch dann überhaupt auch messbar zu machen.

Und wie haben Sie das jetzt sichergestellt? Sind Sie von Ort zu Ort gereist und haben die Produktionsbedingungen selber angeguckt? Und wo sind Sie nicht ganz perfekt?

Tatsächlich kennen wir jeden unserer Produktionspartner sehr gut. Wir haben tatsächlich freundschaftliche Verhältnisse mit diesen Partnern, besuchen sie regelmäßig. Wir haben einen Hauptproduktionsstandort im Norden von Deutschland, in einem Familienbetrieb, wo die essenzielle Entscheidung auch nicht nur war: Gibt es dort passende Arbeitsbedingungen und passende Maschinen? Sondern was sind denn das für Menschen? Wie ticken die? Und was man aber sagen muss, ganz klar: Gemeinsam mit unseren Partnern gibt es immer noch Punkte, wo wir besser werden können. Beispielsweise ist die Umstellung auf Ökostrom in der Produktion … so etwas haben wir auch nicht von Tag eins. Das ist ein Prozess. Auch bei den Materialien haben wir immer wieder dazugelernt. Wir haben schon erwähnt, dass wir da echt auch auf Dinge reingefallen sind, ja? Wir können da ein Beispiel machen: Wir haben zu Beginn versucht, konventionellen Kunststoff so gut es geht zu reduzieren, und haben dann zu Beginn viel mit Naturfasern gearbeitet, zum Beispiel mit Weizenstroh, den wir in die Produkte eingebracht haben. Und das hat auch dazu geführt, dass wir vielleicht ein Produkt hatten, was einen niedrigeren CO2-Fußabdruck hatte, weil wir quasi Reststoffe aus der Landwirtschaft genommen haben, das in ein Produkt gebracht haben; und der Gedanke war sicherlich nicht schlecht. Aber irgendwann haben wir dann gelernt: Hm, Produkte, die nicht nur aus einem Stoff bestehen, sind sehr schwer zu recyceln. Das heißt, unsere Weizenstroh-Produkte hatten zwar auf der einen Seite einen tollen CO2-Fußabdruck, andererseits konnten sie aber am Ende des Lebenszyklus gar nicht mehr recycelt werden. Was natürlich nicht im Sinne des Erfinders ist und auch nicht im Sinne der Nachhaltigkeit. Und so sind auch wir letztendlich auf Marketing-Claims, auf schwarze Schafe, reingefallen und mussten sehr, sehr viel dazulernen und würden es so auch nicht weitermachen. Und für uns ist eben wichtig, auf diesem Weg immer wieder auch mit unseren Partnern und Kunden zu sprechen und zu sagen: „Schau mal, wir haben etwas dazugelernt. Wir würden es jetzt in Zukunft anders machen.“ Und wir glauben tatsächlich, dass diese Offenheit und auch nicht so zu tun, als wäre schon alles perfekt, für unglaublich viel Vertrauen sorgt. Und das mussten wir dann auch teilweise hart lernen. Aber im Endeffekt kommt es uns jetzt zugute. Und das ist die Art und Weise, wie wir auch gemeinsam mit unseren Partnern umgehen.

Können Sie da anderen Gründerinnen und Gründern Tipps geben, damit Sie diese Fehler von vornherein vermeiden, wenn Sie in einem ähnlichen Produkt- oder Materialumfeld unterwegs sind?

Ein wesentlicher Tipp ist es, mit Experten in diesen Bereichen auf jeden Fall zusammenzuarbeiten, Experten zum Beispiel aus Hochschulen. Das ist eine sehr gute Anlaufquelle. Aber wenn es wirklich um Materialthemen, um Produktionsthemen geht und jetzt nicht um Software, dann können einem wirklich die alten Hasen aus der Branche auch noch helfen. Und man sieht auch sehr schnell: Wie kommunizieren die eigentlich auf ihren Websites? Wie kommunizieren die eigentlich im persönlichen Gespräch? Meinen die es ernst mit der Nachhaltigkeit? Dann entstehen ganz spannende Synergien, weil man auch gemeinsam an einem ein Stück weit übergeordneten Ziel ist, das nicht nur „Wir wollen jetzt alle mehr Geschäft machen!“ ist, sondern dass wir gemeinsam eine Branche nachhaltiger machen wollen. Und das verbindet und ermöglicht ganz neue Arten der Zusammenarbeit. Nicht nur zu versuchen, alles im stillen Kämmerlein mit dem eigenen kleinen Team zu klären, sondern wirklich rauszugehen, die Herausforderungen zu diskutieren. Und auch wirklich diese Offenheit und Transparenz, kann ich nur noch einmal hervorheben, ist etwas, was sich langfristig auf jeden Fall auszahlt.

Herr Böttcher erwähnte vorhin ja auch die Bedeutung des Designs für Kunststoffprodukte in der Kreislaufwirtschaft. Sie designen und produzieren Kunststoffprodukte und Verpackungen für einige Marken, darunter auch die vorhin erwähnte und auch mittlerweile sehr bekannte Pfandmarke Recup, die nun auch unter dem Namen Rebowl Pfandschüsseln aus Ihrer Fertigung anbietet. Wie kam es denn zu dieser Zusammenarbeit? Und wie wichtig ist diese Marke für Sie?

Damals wurden wir tatsächlich angeschrieben von einer Mitarbeiterin von der Firma Recup, die sich auf die Suche gemacht haben nach einem Partner, der mit ihnen eine Pfandschüssel entwickelt, die vielleicht nicht auf den konventionellen Regeln der Kunststoffbranche basiert, sondern Nachhaltigkeit neu denkt. So sind wir damals ins Gespräch gekommen und haben gemerkt, dass es von unseren persönlichen Werten und wie wir an Nachhaltigkeit herangehen, einen relativ hohen Match gibt. Und wir haben natürlich schon damals erkannt, dass es eine Riesenchance ist, mit so einer Marke wie der Recup GmbH zusammenzuarbeiten, und haben uns dann tatsächlich auch mit dem Hochschulinstitut, mit dem wir bereits erste Kooperationen getätigt hatten, zusammengetan und haben gesagt: Wir lösen diese Challenge! Wir schauen uns die verschiedenen Materialien an und Ideen, wie wir diese Rebowl entwickeln können. Und so ist es dann zu einer Kooperation gekommen. Tatsächlich sollte es damals alles sehr schnell gehen. Der Marktdruck war groß. Recup war schon bekannt von den Kaffeebechern, und man wollte der Konkurrenz immer einen Schritt voraus sein. Und das hat aber auch ehrlicherweise zu dem einen oder anderen Problem geführt. Und eines davon ist explizit bei dem Produkt Rebowl tatsächlich passiert. Wir haben uns so treiben lassen davon, die Ersten am Markt zu sein, dass wir bei dem Design nicht präzise genug waren. Und es musste natürlich dann der Worst Case eintreten, den niemand erhofft hatte. Wir haben das Produktdesign abgeschlossen. Wir haben ein teures Werkzeug bauen lassen, haben drei Monate auf die Fertigstellung dieses Werkzeuges gewartet und haben uns natürlich auf die ersten Bauteile gefreut, die aus der Maschine kommen, damit wir endlich an den Markt gehen können. Und auf einmal ist klar geworden: Es gab ein Riesenproblem mit dem Produktdesign. Unsere Bowl ist nicht auslaufsicher und erfüllt nicht unsere Anforderungen. Das war natürlich ein ziemlicher Dämpfer an dieser Stelle.

Herr Böttcher, was war da passiert? Also produktionstechnischer Totalausfall! Woran lag’s? Am Design? Am Material?

Das lag tatsächlich am Design. Denn die Bowl war am Anfang gar nicht rund, sondern die Bowl war oben leicht eckig. Und dadurch ist es erst mal nicht so einfach, den Deckel drauf zu bekommen wie bei einer runden Bowl. Und bei den abgerundeten Ecken kam das dazu, dass an den Ecken die Bowl einfach nicht dicht war.

Okay, wie haben Sie das Problem schließlich gelöst? Was für Lehren haben Sie aus diesem Product Fail für die Zukunft gezogen?

Wir hatten auf jeden Fall sehr Glück, dass Recup uns nach mehreren Gesprächen weiter vertraut hat. Und wir haben quasi den Produktentwicklungsprozess noch mal neu gedacht, uns noch mal Gedanken gemacht und das Design angepasst. Dabei ist eine wunderschöne Pfandschale herausgekommen. Eine Lehre, die wir daraus gezogen haben, ist, dass wir im weiteren Prozess, zum Beispiel bei der Rebowl mit Trennsteg, die es ja jetzt auch schon gibt – die sieht ungefähr genauso aus wie die reguläre Bowl, nur hat die in der Mitte einfach einen Trennsteg, damit man sein Essen separieren kann –,… und hier haben wir auf die Zusammenarbeit mit externen Expert*innen gesetzt und haben im Vorfeld zum Beispiel einen 3D-Druck anfertigen lassen, mehrere Qualitätsschleifen gemacht, um zu gucken: Ist das Produkt jetzt wirklich perfekt? Und haben uns quasi auch nicht stressen lassen. Wir haben quasi gesagt, ja, wir wollen diese Schale haben und auch so schnell es geht, aber nicht auf Teufel komm raus, sondern erst, wenn das Produkt wirklich perfekt ist. Wir haben eine Reihe von Computersimulationen durchführen lassen, die uns im Endeffekt wirklich gerettet hat. Wir sind quasi aus der Situation sehr gestärkt hervorgegangen.

Das heißt, Sie haben zum einen auf Computersimulationen und Prototypen aus dem 3D-Drucker gesetzt. Aber auch Recup, Rebowl hat Ihnen weiter vertraut. Wie haben Sie das bewerkstelligt?

Das war vor allem den persönlichen Gesprächen auf Augenhöhe zu verdanken. Wir sind ja zu Beginn mit der Recup GmbH zusammengekommen, nicht weil die Crafting Future GmbH ein Unternehmen ist mit 25 Jahren Erfahrung in der Produktentwicklungsbranche, sondern weil wir dasselbe Verständnis von Nachhaltigkeit hatten, dieselben Werte geteilt haben und eben durch auch die weitere Kooperation mit Experten wie der Hochschule daran geglaubt haben, dass wir diese Challenge lösen können. Und durch das offene Gespräch und die Transparenz und dann aber natürlich auch durch die besseren Ergebnisse, die abgeliefert wurden, wurde das Vertrauen gestärkt. Und man kann sagen, wir sind ja gemeinsam so ein bisschen durch das Tal der Tränen gegangen. Und in dem Moment damals war das echt nicht schön. Aber wir haben mittlerweile eine Partnerschaft, die deutlich inniger und enger ist als wir das wahrscheinlich hätten, wenn dieser Fehler damals nicht passiert ist. Wir haben diese ganzen Prozesse der Qualitätssicherung, 3D-Druck, Computersimulation, diese persönliche Ebene, das immer weiter verinnerlicht. Und zu Beginn haben wir diese verschiedenen Schritte teilweise mit externen Partnern umgesetzt. Heute haben wir diese Funktion und Qualifizierung inhouse und können all diese Punkte inhouse abbilden und haben das Gelernte quasi in die tägliche Praxis umgesetzt. Und weil Recup natürlich gemerkt hat, dass wir als Crafting Future stetig besser werden und aus unseren Fehlern lernen – und ich glaube, das ist ein essenzieller Teil, wirklich zu zeigen, dass man lernen kann –, wurde dann die Partnerschaft gestärkt. Und mittlerweile ist es glaube ich auch gar nicht mehr wegzudenken.

Ein wesentlicher Knackpunkt oft bei Gründungen zu Beginn ist ja die Finanzierung. Sie haben sich um Kredite und Fördergelder bemüht. Wie hat das geklappt?

Zu Beginn waren wir skeptisch, direkt von Anfang an nach externen Investoren zu suchen, und haben dann, wie eingangs erwähnt, unsere Sparschweine ja geköpft. Wir haben dann gemerkt, uff, das Geld ist schnell leer. Und haben dann gemerkt, wir brauchen weiteres Geld. Durch einen Kredit, tatsächlich von der KfW, haben wir dann eine erste Durststrecke ganz gut überbrücken können. Eine große Herausforderung in der frühen Phase, als wir noch gar keine GmbH waren, ist, dass wir vollständig privat haftend waren – was natürlich eine erste Überwindung war, da sich privat zu verschulden für eine Idee, bei der man vielleicht noch nicht zu 100 Prozent sicher ist, wohin das Ganze führt. Diesen ersten Schritt sind wir aber gegangen, wurden ehrlicherweise aber auch wieder hier von der Realität eingeholt, wie schnell das Geld eigentlich leer ist, wenn man wirklich ein Unternehmen aufbaut.

Was sollte man als Gründerin und Gründer hinsichtlich Krediten und Förderungen von Anfang an beachten?

Also wenn es um Förderung geht verschiedenster Natur, auch Wettbewerbe, dann kann man so ein bisschen sagen, wir haben eine, na ja, „Hassliebe“, könnte man sagen. Denn es ist schon eine total tolle Chance, Fördergelder zu generieren, die auch als Zuschuss nicht mehr zurückgezahlt werden müssen, oder auch Preisgelder in Businessplan-Wettbewerben zu gewinnen. Aber der Aufwand, der dahintersteckt, ist nicht zu unterschätzen. Man muss natürlich sagen, dass diese Fördertöpfe teilweise auch sehr groß sind und unglaublich helfen können. Falls man sich mit dem Thema beschäftigen möchte, nicht unterschätzen, genau hingucken, was die Anforderungen sind, und sich am besten auch hier wieder von Experten helfen lassen. Bei Businessplan-Wettbewerben, würde ich fast noch sagen, hält es sich noch in Grenzen. Die werden zum Beispiel ausgerichtet von lokalen Wirtschaftsförderungen, teilweise von privaten Institutionen oder sogar vom Bund und den Ländern. Und darüber kommen dann auch die Gelder. In der Regel werden dort Dinge wie ein Pitch Deck, Ideen über die Weiterentwicklung und das Team abgefragt. Zu Beginn sind wir ein-, zweimal gescheitert. Und irgendwann haben wir dann verstanden, wie die Mechanik ist, und haben uns natürlich als Unternehmen weiterentwickelt und konnten dann auch den einen oder anderen Businessplan-Wettbewerb gewinnen. Um ein paar zu nennen: Es gibt hier einen lokalen Start-up-Impuls-Wettbewerb, der größte Gründerpreis in Niedersachsen, den durften wir dann für uns gewinnen. Und auch den KfW Award für das Land Niedersachsen durften wir für uns entscheiden, nachdem wir aber glaube ich bei den ersten zwei, drei Versuchen, kläglich gescheitert sind. Und das war dann auch der Grund, dass wir gesagt haben, wir machen uns jetzt auf die Suche nach professionellen Investoren, nach Business Angels, die auch etwas von ihrem Handwerk, von Unternehmertum verstehen, haben dann unsere erste Kapitalrunde als Start-up gedreht und haben versucht, mehrere Business Angels für eine Seed-Runde, wie es ja im Start-up-Sprech heißt, zu gewinnen. Was wiederum auch gar nicht so einfach war dadurch, dass wir Anfang 2020 – Sie können sich’s alle vorstellen – zu Beginn der Corona-Pandemie … es große Unsicherheiten gab. Wir hatten Gespräche, erst sah alles super aus, wir hatten schon die ersten Handshakes, und auf einmal bröckelten die Versprechungen dahin. Es waren noch keine Verträge unterschrieben. Und wir haben wirklich mehrere Wochen in Unsicherheit gelebt. Denn diese Finanzierung zu diesem Zeitpunkt 2020 war essenziell. Der erste private Kredit war bei Weitem aufgebraucht. Um die nächsten Schritte zu gehen, war es wirklich wichtig, denn wir hatten dort schon mit der Recup GmbH die sehr tiefen Gespräche kurz vor Vertragsunterzeichnung. Und wir wussten, wenn es jetzt mit diesem Vertrag klappt, dann brauchen wir eine Finanzierung, um die teuren Maschinen zu besorgen, die teuren Werkzeuge zu besorgen, um die Rebowl auch produzieren zu können. Von daher hing es da ein Stück weit am seidenen Faden. Wir konnten dann aber die Business Angels, die Investor*innen, überzeugen, bei uns an Bord zu kommen. Und das war natürlich eine große Erleichterung an der Stelle, um überhaupt weitermachen zu können.

Jetzt lockt die Green Economy ja durchaus viele Venture-Capital-Geber an. Warum wollten Sie anfangs lieber keine Investoren an Bord holen?

Wir waren skeptisch, dass Investoren vielleicht dahin pushen könnten, dass wir mehr auf unser ökonomisches Wachstum zielen als darauf, wirklich nachhaltiger zu werden, und hatten einfach auch dadurch, dass wir uns mit dieser Investorenszene überhaupt gar nicht auskennen, natürlich auch eine gewisse Unsicherheit. Denn was für uns als Impact-Start-up ja das Wichtigste ist, ist, dass wir wirklich Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Erfolg auf eine Stufe stellen und nicht eins darüber. Und hatten deswegen wirklich Berührungsängste zu Beginn, die wir dann erst langsam abgebaut haben, indem wir die eine oder andere Person kennengelernt haben und gemerkt haben, na ja, der und die eine oder andere in diesem Bereich, die meinen es auch wirklich ernst und wollen etwas Sinnvolles mit dem Geld anfangen. Und so kam es dazu, dass wir uns dem Thema dann auch ein Stück weit geöffnet haben.

Also Sie haben sozusagen Investoren gesucht, die mit Ihren Werten konform gingen. Haben Sie da schnell und einfach die richtigen Geldgeber finden können? Oder gab es da irgendwelche Schwierigkeiten?

Es war noch nie so leicht, an Geld zu kommen wie heute. Was allerdings glaube ich immer schwieriger wird, ist, die richtigen Personen zu finden. Und hier muss man tatsächlich sagen, dass es absolut nicht einfach ist, wir aber in diesem Punkt ausnahmsweise wirklich mal Glück hatten. Wir wurden damals tatsächlich per Zufall kontaktiert von einem Business Angel, der auf der Suche nach einem nachhaltigen Produkt im Netz war und dann zufällig über uns gestolpert ist. Haben uns dann in mehrfachen Telefonaten und Treffen kennenlernen dürfen. Der hat uns dann noch einem Business Angel Club vorgestellt, und dort haben wir damals auch gepitcht und unsere Business Angels gewonnen. Was man aber doch hier ganz klar sagen muss: Wir haben dort mit ganz vielen Menschen gesprochen, und es ist natürlich nicht so einfach, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wer passt zu uns und zu unserer Geschäftsidee grundsätzlich? Wer passt zu uns von den Werten? Und so war es natürlich auch ein Stück weit ein Hin und Her: Mit wem geht man am Ende, damit man sich dort nicht in die Nesseln setzt? Und am Ende des Tages hatten wir wahrscheinlich auch ein bisschen Glück, dass unser Bauchgefühl uns hier nicht getrügt hat und dass wir jetzt Menschen an Bord haben, die unsere gemeinsame Vision teilen und wo wir nicht nur Geld mit an Bord geholt haben, sondern Smart Money. Also wirklich Menschen, die uns auch Türen öffnen und auch in die richtige Richtung pushen.

Ja, vielen Dank! Wir haben eine Rubrik, die nennt sich „Mantra Mantra“. Darin fragen wir immer sozusagen das Business-Mantra unserer Gäste ab – mit der Bitte um kurze, stichwortartige Antworten.

Wie sollte ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut sein?

Das Wichtigste aus unserer Sicht ist, dass es einen Safe Space im Team gibt. Wir müssen uns gegenseitig im Team Halt geben, und das ist wichtiger, als sich stumpf zu kritisieren, damit wir alle keine Angst haben und uns optimal entfalten können.

Also, wichtig ist auf jeden Fall, dass nicht alles sofort perfekt ist. Also alles ist quasi eine Learning Journey. Man muss es einfach machen, und dann muss man es reflektieren. Entweder es war gut; wenn’s nicht gut war, einfach besser werden und daraus lernen.

Sie waren anfangs unerfahren, idealistisch und motiviert. Welche drei Eigenschaften sollten Gründerinnen und Gründer heutzutage Ihrer Meinung nach mitbringen?

Ein bisschen idealistisch sind wir immer noch. Aber die drei wichtigsten Eigenschaften sind auf jeden Fall Neugierde, immer Neues lernen wollen, ein gesunder Optimismus und auch reflektiert an die eigene Tätigkeit heranzugehen.

Ja, also ich würde auf jeden Fall sagen, dass ganzheitliche Betrachtung sehr wichtig ist.

Welche Vorstellungen von Unternehmertum haben Sie rasch über Bord geworfen?

Eine Vorstellung von den Unternehmern da draußen, dass, nur weil man selbstständig ist, man die Füße hochlegen kann und es wird schon irgendwie. Das stimmt genauso wenig wie das extreme Gegenteil, dass man nur noch 80-Stunden-Wochen hat und kein privates Leben, sondern mit der richtigen Balance lassen sich die besten Ergebnisse erzielen.

Was sollten Gründungsteams auf jeden Fall von Anfang an beachten?

Aus unserer Sicht brauchen Menschen auf jeden Fall Freiraum, um sich voll zu entfalten und auch die beste Leistung zu bringen. Deswegen haben wir auch so einen kleinen Spruch: „freie Entfaltung im gemeinsam gesteckten Rahmen“.

Ich bin ja jetzt auch seit einem Jahr im Team. Und ich war tatsächlich sehr überrascht, wie viel Verantwortung ich direkt am Anfang bekommen habe. Und dadurch hatte ich auch nach Ende meiner Probezeit das Gefühl, ich bin schon zwei Jahre dabei, weil schon so viel passiert ist und man einfach so viel Verantwortung hat und daran einfach wächst.

Zum Schluss lassen wir unsere Gäste immer gerne noch Sätze vervollständigen. Ich fange den Satz an, Sie bringen ihn ganz schnell und ohne nachzudenken mit wenigen Worten zu Ende. Ein notwendiges Übel in unserem Business ist …?

Viel Arbeit!

Dass man Kompromisse eingehen muss, manchmal.

Investoren und Business Angels sind für uns …?

Die besten Coaches!

Sehr hilfreich!

Eine Welt ohne Kunststoffe ist …?

Nicht denkbar!

Nicht sinnvoll!

Das größte Aha-Erlebnis, das ich beruflich je hatte, war …?

Das Team ist das Wichtigste für den Erfolg der Geschäftsidee.

„Teamwork makes the dream work!“

Also doch eine sehr kongruente Antwort zum Schluss. Ganz herzlichen Dank! Dürfen Sie das verraten, an welchem Produkt Sie gerade arbeiten?

Ich glaube, das dürfen wir verraten. Dadurch, dass wir natürlich mit unserem gemeinsamen Partner Recup extrem viel im Bereich der Mehrwegverpackungen im Lebensmittelumfeld unterwegs sind, wollen wir uns weiterhin darauf fokussieren, noch neue Produkte genau in diesem Umfeld herauszubringen, die den Hörerinnen und Hörern dann auch helfen werden, Müll im Alltag zu vermeiden – und das durch die gesamte Bandbreite der Take-away-Produkte, die man sich so vorstellen kann.

Ganz herzlichen Dank, Jan Patzer und Felix Böttcher! Ja, und ich wünsche Ihnen natürlich viel Erfolg für Crafting Future!

Vielen Dank, dass wir heute dabei sein durften, und auch ganz, ganz liebe Grüße von uns aus dem Office aus Hannover!

Vielen Dank auch von meiner Seite!

Die Verpackungen von Crafting Future umhüllen auch die fair gehandelten Bio-Schokoriegel und Proteinshakes, um die es in unserer kommenden Folge geht. Ich spreche mit den Gründern von the nu company, einem Start-up, das für jedes verkaufte Produkt der Marken nucao und numove auch noch Bäume pflanzt. Die Gründer sagen von sich selbst, sie waren „noch grün hinter den Ohren“, als sie aus dem Studium heraus gründeten. Wie aus den jungen Ingenieuren dann doch noch erfolgreiche Chocolatiers wurden, erfahren Sie gewohnt „ungeschönt“ in der nächsten Folge. Bis dahin!

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.